Rheinpfalz Landau XXL: Streit um Pläne für neuen Stadtteil

 Mit Plakaten und Treckern machten Wollmesheimer Winzer vor der Landauer Festhalle ihrem Ärger über das geplante Neubaugebiet Lu

Alle wollen nach Landau. Die Schwarmstadt in der Südpfalz ist attraktiver denn je. Doch so viele neue Häuser und Wohnungen in den vergangenen Jahren auch entstanden sind, die Nachfrage nach Bauland übersteigt das Angebot noch immer bei Weitem. Die Stadtspitze will nun einen komplett neuen Stadtteil aus dem Boden stampfen. Dafür soll eine der attraktivsten Weinbauflächen überplant werden. Es formiert sich Protest. Von Sebastian Böckmann

Nichts hält länger als ein Provisorium, haben Isabell (29) und Lukas Schall (28) aus dem Landauer Stadtdorf Dammheim festgestellt. Das junge Paar sucht nun schon seit drei Jahren nach einem Grundstück zum Bauen – bisher vergebens. So sind die Lehrerin und der Lehramts-Referendar in Isabell Schalls Elternhaus untergeschlüpft. „Wir waren wirklich offen für alles“, sagt die junge Frau. Aber trotz zahlreicher Baulücken im älteren Neubaugebiet von Dammheim sei partout nichts zu bekommen, „auch nicht für gebürtige Dammheimer“. Landau hat ein in Zeiten des demografischen Wandels ziemlich untypisches Problem: Während woanders Menschen in Scharen wegziehen oder Orte aussterben, wächst die Stadt im Herzen der Südpfalz seit Jahrzehnten. Und damit wächst auch die Nachfrage nach Bauland. In den 1950er-Jahren wurde östlich der Innenstadt das große Horstgebiet aus dem Boden gestampft, in den 1970er-Jahren folgte eine Siedlung auf der „Wollmesheimer Höhe“ im Südwesten. Und erst kürzlich hat die südlich der Innenstadt gelegene ehemalige Franzosen-Kaserne Estienne & Foch ihre Uniform abgestreift, um zuerst als Gartenschauareal und danach als mondäner „Wohnpark am Ebenberg“ Erfolge zu feiern. Doch weder der Wohnpark, noch das Schließen von Baulücken oder das Nachverdichten in den Stadtdörfern oder sonstwo im Stadtgebiet werden ausreichen, um den künftigen Bedarf an Bauplätzen zu decken – sagt die Landauer Stadtspitze. Und so haben Landaus Oberbürgermeisters Thomas Hirsch (CDU) und Bürgermeister und Baudezernent Maximilian Ingenthron (SPD) gemeinsam einen Plan ersonnen. Er lautet „Landau baut Zukunft“ und soll bis zum Jahr 2030 2500 neue Wohneinheiten schaffen. Gerade mal 50 Tage im Amt – beide wurden Ende 2015 neu gewählt –, verkündeten Hirsch und Ingenthron im Februar, dass im Südwesten Landaus ein kompletter neuer Stadtteil entstehen soll: und zwar bei der Siedlung „Wollmesheimer Höhe“. Man kann es auch anders ausdrücken: Fast das komplette Gebiet zwischen diesem in den 1970er-Jahren angelegten Neubauviertel und dem alten Stadtdorf Wollmesheim, das gut einen Kilometer entfernt liegt, soll überplant werden: ein schönes, leicht hügeliges Gelände, das derzeit im Wesentlichen von Weinbergen geprägt ist. Hirsch und Ingenthron haben seit Februar gelernt: Im 17. Jahrhundert – Landau war noch französisch – war Stadtplanung einfacher. Damals hatte Frankreichs Sonnenkönig Ludwig XIV. die Stadt zu seiner Grenzfestung auserkoren, doch seinem Städtebau war das mittelalterliche Gelump am Flüsschen Queich im Weg, als das er die alte Stadt ansah. Da hat er sie 1689 einfach anstecken lassen. Ein Oberbürgermeister und ein Baudezernent im 21. Jahrhundert tun sich da deutlich schwerer. Ihnen unterstellt mancher Kritiker Großmannssucht, und sie müssen – anders als einst der Sonnenkönig – Überzeugungsarbeit leisten. Schon der Wohnpark auf dem ehemaligen französischen Militärgelände ist mit 23 Hektar nicht eben klein. Doch mit 100 Hektar im „Untersuchungsgebiet“ für den neuen Stadtteil dreht die neue Stadtspitze ein besonders großes Rad – verbunden mit der Hoffnung, dass davon am Ende vielleicht 40 Hektar Bauland übrig bleiben. „Für mich geht es um soziale Verantwortung und Verpflichtung. Es ist zutiefst sozialdemokratische Politik, Wohnraum zu schaffen und preisdämpfend zu wirken“, argumentiert Baudezernent Maximilian Ingenthron – persönliche Befindlichkeiten müssten da hintanstehen. Diese Anmerkung zielt auf die zahlreichen Kritiker des Mega-Projekts. Während Hirsch und Ingenthron ihre Initiative „Landau baut Zukunft“ nennen, haben die Gegner – nach eigenen Angaben ist die Bürgerinitiative auf gut 1200 Unterstützer erstarkt – den Slogan in „Landau verbaut Zukunft“ umgedreht. Sie beklagen, dass die Stadt ihr wertvollstes Gut, die schöne Landschaft, opfern wolle, um Bauland für reiche Karlsruher zu schaffen. Sie argumentieren aber auch, dass die Landschaft ein echter Trumpf für den Zuzug und für viele Arbeitsplätze sein könne. Und da beißt sich die Katze in den Schwanz: Wo sollen die vielen, die zuziehen wollen, denn wohnen? Oberbürgermeister und Baudezernent verweisen vor allem auf eine Studie des Instituts für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung in Bochum. Diese sagt für Landau eine deutlich rasantere Bevölkerungsentwicklung voraus, als sie das Statistische Landesamt bisher prognostiziert hat. Die Bürgerinitiative wiederum zerpflückt die Studie genüsslich. Klar, die Unistadt Landau, landschaftlich schön und wirtschaftsstrategisch günstig gelegen zwischen der Metropolregion Rhein-Neckar und der Technologieregion Karlsruhe, gehöre zu den „Schwarmstädten“, die entgegen dem Trend weiter wachsen. Allerdings halten die Kritiker dies für ein hausgemachtes Strohfeuer, angeheizt durch das tolle Angebot im Wohnpark am Ebenberg, das doch nur – ganz recht – die Karlsruher angelockt habe. Eines können die Kritiker nicht wegdiskutieren: Seit Jahren schon werden in Landau die Klagen immer lauter, dass sich der kleine Mann kein Dach überm Kopf mehr leisten könne. Und auch die Ortsvorsteher der acht Landauer Stadtdörfer haben lange damit gehadert, dass ihnen Neubaugebiete in ihren Dörfern verweigert wurden. Weil nun aber zusätzlich zu „Landau baut Zukunft“ auch 500 neue Wohneinheiten an die Ortsteile angedockt werden sollen, stehen die Kommunalpolitiker in den Stadtdörfern den großen Plänen recht aufgeschlossen gegenüber. „Wir Ortsvorsteher waren seit Jahren dahinter, dass wir Baugebiete in den Dörfern bekommen, jetzt kommt man Gott sei Dank langsam in die Gänge“, sagt der Queichheimer Ortschef Jürgen Doll (CDU). Er weiß: „Es gibt eine große Nachfrage von jungen Familien mit Kindern, aber viele sind schon ins Umland abgewandert, weil es nichts gegeben oder zu lange gedauert hat.“ Laut CDU sind in den vergangenen zehn Jahren fast 400 Bürger aus Landau allein in die drei benachbarten Landkreisgemeinden Offenbach, Ilbesheim und Insheim gezogen, weil sie vor Ort nichts fanden. Isabell und Lukas Schall mit ihrem Dammheimer „Provisorium“ sind also alles andere als ein Einzelfall. Allerdings hat die Stadtspitze ihre Rechnung bislang noch ohne den Wirt gemacht, genauer: ohne die Wollmesheimer Winzer. Von den 100 Hektar, die das „Untersuchungsgebiet“ für den neuen Stadtteil umfasst, liegen 95 auf der Gemarkung des Stadtdorfs Wollmesheim – und allein 55 Hektar sind bestes Weinbergsgelände. Das ist mehr als ein Viertel der gesamten Weinbergsfläche des Dorfs. Landau wäre dann nicht mehr die Gemeinde mit der größten Weinbaufläche in Deutschland, sagen der Vorsitzende des Bauern- und Winzerverbandes, Bernd Dicker, der auch stellvertretender Ortsvorsteher (FWG) ist, sowie Dirk Vögeli, Winzer und CDU-Stadtratsmitglied. Sie organisierten einen Winzerprotest vor der Landauer Festhalle: Schmalspurtraktoren waren mit Slogans unterwegs wie „Das Wollmesheimer Mütterle weint“ („Mütterle“ ist die bekannteste Wollmesheimer Weinlage) oder: „Gegen Landau XXL“. Auch der Landauer Stadtrat Hannes Kopf (SPD), neuer Vizepräsident der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd in Neustadt, die unter anderem für Regionalplanungsfragen zuständig ist, hatte mit dem Verlust an Weinbergen seine Probleme. Die Landauer Grünen sowieso. Und so fiel der Auftaktbeschluss des Landauer Stadtrates für das Mega-Projekt mit 23 zu 17 Stimmen nicht gerade euphorisch aus. Mancher Grundstücksbesitzer murrt auch, weil die Stadt sich den Zwischenerwerb allen Landes vorbehält und einen Ankaufpreis von nur gut 70 Euro pro Quadratmeter in Aussicht stellt. Das soll zweierlei bewirken: dass die erschlossenen Grundstücke für gut 200 Euro pro Quadratmeter verkauft werden können und dass den Bauherren eine Frist zur Bebauung gesetzt werden kann. Denn derzeit liegen in Landau viele Baugrundstücke brach, weil die Eigentümer darauf hoffen, dass Kinder oder Enkel einmal davon Gebrauch machen, oder weil sie Bauland in Niedrigstzinszeiten als Geldanlage oder Spekulationsobjekt sehen. Oberbürgermeister Hirsch gibt sich jedenfalls zuversichtlich: „Am Grunderwerb wird das Projekt nicht scheitern.“ Und auch Bürgermeister Ingenthron verbreitet Zweckoptimismus. Bis Jahresende soll das Winzerproblem weitgehend gelöst sein: „Es wird auch ohne die großen Weinbergsflächen genug Restflächen geben, die geeignet sind.“ Die Bürgerinitiative „Gegen Landau XXL“ will dieser Einschätzung nicht folgen. Sie hält den preisdämpfenden Effekt, den sich die Stadtspitze von dem neuen Stadtteil verspricht, für wenig glaubhaft: 2014, so argumentieren die Kritiker, sei in Landau mehr Bauland verkauft worden als in allen anderen kreisfreien Städten im Land, aber der Preis sei trotzdem um über 15 Prozent gestiegen. Das junge Paar Lukas und Isabell Schall aus Dammheim hofft jedenfalls weiter auf eine neue Chance zum Bauen. Und beide hoffen auf die in Aussicht gestellten Vergabekriterien für Grundstücke im neuen Stadtteil. Dort sollen junge Landauer Familien bevorzugt werden.

 Zwischen der Landauer Siedlung Wollmesheimer Höhe (rechts des linken Baumes) und Wollmesheim (das sich im Hintergrund zwischen
Ihre News direkt zur Hand
Greifen Sie auf all unsere Artikel direkt über unsere neue App zu.
Via WhatsApp aktuell bleiben
x