Grünstadt Keine Windräder auf dem Ebertsheimer Berg

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Hintergrund: Die geplanten Windräder auf dem Ebertsheimer Berg sind mit dem Mainzer Koalitionsvertrag quasi gestorben. Die Politiker vor Ort sind – quer durch alle Fraktionen – stocksauer auf ihre Parteifreunde auf Kreis- und Landesebene. Und sich selten einig: Das frühere Vorzeige-Projekt für die Energiewende scheiterte an Wahlkampf-Taktik, nicht an Sachargumenten.

„Der Landrat ist vor zwei Jahren bei der Besichtigung der geplanten Standorte für die drei Windräder noch nicht mal aus seinem Auto ausgestiegen. Den hat offensichtlich gar nicht interessiert, dass die Windkraftanlagen auf bewirtschafteten Feldern errichtet werden sollen. Und nicht, wie bis heute fälschlicherweise von Windkraft-Gegnern hartnäckig behauptet wird, auf den geschützten Trockengraswiesen.“ Der aktuelle Ortsbürgermeister Bernd Findt – und Vorsitzende der Wählergruppe Freie Liste – erntet heftiges Kopfnicken von seinem Amtsvorgänger Klaus Linska. Und das, obwohl Linska wie der kritisierte Landrat Hans-Ulrich Ihlenfeld strammer CDU-Mann war und ist. In Sachen Windräder auf dem Ebertsheimer Gemeindeberg versteht Linska aber weder Spaß, noch die von der Landes-CDU vorgegebene Partei-Strategie zur Windkraft. „Rein aus wahltaktischen Überlegungen heraus“, so Linska, sei von Anfang an die geplante Energiewende der rot-grünen Landesregierung torpediert worden. Egal, ob das – wie in Ebertsheim-Rodenbach – vor Ort sinnvoll, von der Bevölkerung gewollt und von der örtlichen CDU initiiert worden war. „Nur weil ein paar Parteistrategen bei der Landtagswahl mit einer Anti-Windkraftlinie mit mehr Wählerstimmen rechneten, hat man keine Rücksicht auf die Sache vor Ort und den Bürgerwillen vor Ort genommen – das ist eine Unverschämtheit“, regt sich der ansonsten eher ruhige Polit-Rentner Linska noch heute auf. Und er weiß, wovon er spricht. Schließlich wollte er als Ebertsheimer Ortsbürgermeister die Landes-CDU mit ins Unterstützer-Boot holen für das Projekt „Energieautonomes Ebertsheim-Rodenbach“. Im Jahr 2009 hatten CDU, SPD und Freie Liste im Gemeinderat einstimmig beschlossen, dass sich die Gemeinde Ebertsheim-Rodenbach bis 2020 zu 100 Prozent mit erneuerbarer Energie versorgen soll. Durch viele private Fotovoltaikanlagen, vor allem aber über die Errichtung von bis zu drei Windrädern auf Äckern des Gemeindebergs sollte dies umgesetzt werden. Den einstimmigen Antrag zur Errichtung der Windkraftanlagen stellte der Gemeinderat im August 2010. Die Genehmigung schien damals nur noch Formsache zu sein. Mit dem Mannheimer Energieversorgungs-Unternehmen war man sich als Windrad-Betreiber einig, mit den betroffenen Landwirten, die auf den geplanten Windrad-Flächen Getreide, Raps und Zuckerrüben im Wechsel anbauen, gab es die notwendigen Vorverträge. Das Windkraft-Feld schien gut bestellt. Zumal „wir aus eigenem Antrieb und bewusst auf das Einbeziehen schützenswerter Flächen verzichtet haben“, erinnern sich nicht nur CDU-Linska und FL-Findt, sondern auch SPD-Fraktionsführer Michael Gander: „Das Projekt diente von Anfang an hehren Zielen, sollte auf keinen Fall unserer Natur schaden – im Gegenteil.“ Hier nickt Findt: „Bei einer Gemarkungsexkursion hat uns vor ein paar Jahren ein Orchideenexperte darin bestärkt, hier Windräder zu errichten. Denn durch das Brachliegen der bislang bewirtschafteten Flächen entstehe mehr Natur. Also genau das Gegenteil dessen, was auf einigen Anti-Windkraft-Flyern so genannter Umweltschutzorganisationen zu lesen ist.“ Auch darin sind sich die drei einig: Es sei viel Unwahres in Umlauf gebracht worden, ohne dass je ein Windkraftgegner bei den Verantwortlichen nachgefragt habe: vom Windrad-Standort in besonders geschützten FFH-Gebieten, der Zerstörung der Einflugschneise für Flugsportler oder Gefahren für den Roten Milan. „Wenn Neuleininger durch die Windräder negative Auswirkungen auf den Tourismus befürchten, kann ich darüber ernsthaft diskutieren. Über Unwahrheiten und Unterstellungen geht das nicht“, erinnert sich Linska auch noch gut an ein Gespräch mit dem damaligen CDU-Landeschef Christian Baldauf. Als Linska erstmals Gegenwind seiner Partei auf Landesebene gegen die Energiepläne der Ebertsheimer verspürte, war er direkt nach Mainz in die Parteizentrale gefahren. Die vorgebrachten Argumente habe Baldauf mit den Worten „euch geht’s doch nur ums Geld“ abgetan, ärgert sich Linska noch heute: „Er hat genau gewusst, dass das nicht so ist. Auch, dass hier trotz der Ausweisung als Naturpark Pfälzerwald gar kein Wald zu sehen ist. “ Deswegen verstehe er auch nicht, dass die ursprüngliche Vereinbarung, Flächen rechts der A 6 für Windräder freizugeben, wieder gekippt worden ist. „Wenn ich im Wahlkampf für die Landtagswahl 2011 gewusst hätte, wie die CDU unser Projekt dann noch behindert hat ...“, ärgert sich Linska noch heute, dass er damals im Kreis Bad Dürkheim als „lokales Zugpferd“ unterwegs war. „Für mich ist das nämlich keine Frage: Über die Parteischiene hat die Landes-CDU dann dafür gesorgt, dass die Kreis-CDU um Landrat Ihlenfeld die Windräder ablehnt.“ Und damit so lange verzögert hat, dass sie nun quasi gestorben sind. „Ich verstehe die SPD-Landesspitze nicht, warum sie im Koalitionsvertrag sinnvolle Projekte vom Windrad-freien Naturpark ausgeklammert hat, sich komplett dem kleinen Koalitionspartner FDP gebeugt hat. Insgesamt muss man jetzt über Parteigrenzen hinweg konstatieren: Alles, was uns unten wichtig war, haben die da oben aus taktischen Überlegungen zunichte gemacht.“ Findt nickt wieder: „Einzig die VG-Verwaltung um Bürgermeister Reinhold Niederhöfer hat unsere Gemeinde unterstützt bei ihren konkreten Plänen zum energieautonomen Dorf. Nach dem Koalitionsvertrag ist aber auch das vorbei. Man sieht keine Chancen mehr, dass auf dem Gemeindeberg Windräder genehmigt werden. Wir als Ortsgemeinde haben gar keine andere Möglichkeit mehr als die Windkraft-Pläne auf Eis zu legen.“ War’s das also mit dem Ziel, dass im Jahr 2020 in Ebertsheim-Rodenbach so viel Energie produziert werden soll wie verbraucht wird? Findt: „Gerade für ehrenamtlich tätige Politiker, die für ihren Ort etwas erreichen wollen, ist so was natürlich demotivierend. Denn die gleichen Politiker, die uns mal als energiepolitische Vorzeige-Gemeinde in den Himmel gehoben hatten, haben dann die dafür notwendigen Windkraftanlagen beerdigt. Doch ganz aufgeben wollen wir noch nicht.“ Derzeit ist man mit dem Energieversorger Eon im Gespräch. Auf dem gemeindeeigenen Gelände Richtung Eisenberg, auf dem Sand abgebaut und eine Deponie betrieben wurde, sollen Freiflächenfotovoltaikanlagen errichtet werden. „Eigentlich“ lasse dort die aktuelle Gesetzeslage die Errichtung von Solarmodulen zu, sagt Findt. „Eigentlich.“ Linska und Gander nicken. Sie wissen nur zu gut, warum Findt seine Einschätzung mit „eigentlich“ einschränkt ...

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