Neustadt Kein Land unter

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Der häufige Starkregen in den vergangenen Tagen war eine echte Herausforderung für die Natur – und auch für das städtische Kanalnetz. Bei Niederschlagswasser gilt zwar Versickern vor Ableiten. Doch ist die Gesetzesvorgabe leichter gesagt als umgesetzt.

Was früher erlaubt, ja sogar gewünscht war, muss heute nicht mehr gelten. Ein Beispiel dafür sind die Regeln für die Niederschlagswasserbewirtschaftung. Hinter dem sperrigen Begriff verbirgt sich eine einfache Frage: Wohin mit dem Regenwasser, wenn Fläche versiegelt wird und das Nass von oben nicht mehr versickern kann? Früher, als beispielsweise auch weite Teile des Neustadter Kanalnetzes verlegt wurden, wurde aufs Mischkanalsystem gesetzt: Darin landeten und landen sowohl Abwässer als auch Regenwasser. Was damals den Vorteil hatte, dass das Schmutzwasser verdünnt und die Kläranlage damit entlastet wurde. Denn Verfahren wie heute, um Abwässer optimal zu reinigen, bevor sie in einen Bach geleitet werden, gab es noch nicht. Indes hat sich die Technik geändert – und auch das ökologische Bewusstsein ist ein anderes. Zudem sind Starkregenereignisse keine Seltenheit mehr. Und sie treten auch nicht immer in der Fläche auf. Soll heißen: Halb Diedesfeld könnte im Wasser stehen, während die Kernstadt trocken bleibt. Daher sagt das Landeswassergesetz heute klipp und klar: Wird Fläche versiegelt, muss der Bauherr dafür sorgen, dass das Regenwasser versickert – oder zumindest gesammelt und in ein Gewässer oder Regenrückhaltebecken geführt werden kann. Auch die Wassermenge, für die das machbar sein soll, ist festgelegt: Ein Starkregenereignis von 15 Minuten sollte auf dem eigenen Grundstück verkraftet werden können. Zum Beispiel mittels Regenwassertonne, durchlässigen Ökosteinen oder Mulden. Für Vorhaben in neuen Baugebieten gilt das in Gänze, für Vorhaben im Bestand mit Einschränkung: Dort sollte zumindest so viel Regenwasser auf natürliche Weise abfließen, dass der Kanal nicht überlastet wird. Das notwendige Rückhaltevolumen, zu dem der Bauherr verpflichtet ist, lässt sich anhand bestimmter Parameter auf den Kubikmeter genau berechnen. Für den städtischen Eigenbetrieb Stadtentsorgung Neustadt (ESN) bedeutet das ab und an einen Spagat zwischen dem Wunsch des Bauherrn und Gesetzesvorgaben, die im Gegensatz zu früher kaum mehr Spielraum lassen. Jüngstes Beispiel dafür ist der geplante Neubau des Autohauses Cuntz im Gewerbegebiet „Naulott-Guckinsland“. Wie berichtet, verzögert sich das Vorhaben auch wegen offener Fragen beim Thema Entwässerung. Da die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Süd als Obere Wasserbehörde mit der Planung nicht zufrieden war, wurden ihren Angaben zufolge nun neue Bauantragsunterlagen zur Bewirtschaftung des Niederschlagswassers vom Autohaus eingereicht. Das Problem, um das es geht: Weil eben nur im begründeten Ausnahmefall Oberflächenwasser in den im Naulott liegenden Mischkanal eingeleitet werden darf, soll das Unternehmen möglichst viel versickern lassen und daran seine Planung ausrichten. Wie genau, wird derzeit besprochen. Zumindest ein kleinerer Teil soll zwar in den Kanal gehen dürfen. Aber nur dann, so die SGD, wenn das Kanalnetz das zusätzliche Wasser verkraftet und alle Netz-Bestimmungen eingehalten werden. Letzteres wiederum betrifft ein anderes Thema: Kommt zum Abwasser besonders viel Oberflächenwasser wegen eines Starkregens, hilft in der zentralen Kläranlage bei Lachen-Speyerdorf ein Regenrückhaltebecken. Wenn das nicht reicht, dient eine nahe Wiese als Polder. 66.500 Kubikmeter Wasser kann dieser fassen; eine Menge, die zwar noch nie erreicht wurde, die aber auch nicht überschritten werden darf. Das bedeutet, dass Oberflächenwasser nicht unbegrenzt in den Kanal gehen darf. Die Ansage der Oberen Wasserbehörde bedeutet daher: Sollte die Gefahr bestehen, dass diese Grenze überschritten wird, muss bei Bauvorhaben, beispielhaft jenes des Autohauses, doch alles am Ort versickert werden. Dass es so weit kommt, ist zwar unwahrscheinlich. In den Augen des ESN zeigt es aber die Zwickmühle für die Stadtentsorgung auf. Ihr genereller Rat für Bauherren: Erst überlegen, wo das Wasser hingehen soll, dann planen. Wer Hilfe braucht, könne sich an den ESN wenden. Dann könne auch geklärt werden, wer zuständig sei. Denn: Wird vollständig versickert oder in ein Gewässer abgeleitet, sind es je nach Größe der versiegelten Fläche die untere (Stadt) oder die obere Wasserbehörde (SGD). Wäre auch das Kanalnetz betroffen, kommt die Stadtentsorgung ins Spiel. (ahb)

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