Panorama Karpaten-Luchse für den Pfälzerwald

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TRIPPSTADT. Im Pfälzerwald sollen Luchse wieder heimisch werden. Der Fahrplan dazu sieht vor, dass ab März bis April die ersten Exemplare in den slowakischen Karpaten eingefangen werden. Nach einer vierwöchigen Quarantäne können diese Tiere ausgewildert werden. Und zwar in einem Gebiet nördlich der B 10, wie gestern bei einer Sitzung des „Luchsparlamentes“ in Trippstadt besprochen wurde. Insgesamt sollen in den nächsten Jahren bis zu 20 Tiere aus der Slowakei und der Schweiz „umgesiedelt“ werden.

In der ausgewählten Pfälzerwald-Region „stimmen die Bedingungen“, erläutert Sylvia Idelberger, Leiterin des Wiederansiedlungsprojektes der Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz, gegenüber der RHEINPFALZ. Soll heißen: Es handelt sich um ein etwas abgelegenes Waldgebiet abseits stark befahrener Straßen. Ob die ausgesetzten Pinselohren, wie Luchse wegen ihrer Haarbüschel auch genannt werden, genau in diesem Gebiet bleiben werden, kann freilich niemand vorhersagen. Sicher ist nur, dass die Projektmitarbeiter über ihre Streifzüge bestens informiert sein werden: Die Tiere werden Sender tragen, um ihr Verhalten zu dokumentieren und zu erforschen. Im Luchsparlament sitzen laut Sylvia Idelberger etwa 30 Vertreter von Jägern, Nutztierhaltern, Naturschutzverbänden, Landesforsten, Fremdenverkehrsbüros und Kommunen. Ziel ist es, alle betroffenen Interessengruppen an diesem Runden Tisch zusammen zu bringen, um mögliche Probleme zu diskutieren und zu gemeinsam getragenen Lösungen zu kommen. Dabei spielen die Ernährungsgewohnheiten der Pinselohren eine nicht unwesentliche Rolle. Hauptbeute dieser Raubkatzen dürften hierzulande vor allem Rehe sein. Als Faustregel gilt nach den Worten der Biologin, dass ein Luchs im Jahr etwa 50 bis 60 Rehe reißt. Allerdings jagt er seine Beute in großen Territorien, die sich über 75 bis 400 Quadratkilometer erstrecken können. In welchem Ausmaß sich die Anwesenheit eines Luchses auf das Rehwild im Pfälzerwald auswirkt, ist Thema eines Forschungsprojektes. An Nutztieren wie Schafen, Ziegen oder Damwild dürften die Pinselohren weniger Interesse als an Rehen zeigen, erwartet Idelberger. Halter können ihre Tiere gegen „Großkarnivoren“ (Karnivor bedeutet Fleischfresser) wie Wölfe und Luchse unter anderem durch Zäune schützen. Dabei müssen die unterschiedlichen Gewohnheiten dieser Tiere beachtet werden: Ein Wolf wird versuchen, sich unter dem Zaun hindurchzuwühlen, während ein Luchs obendrüber klettern wird. Deshalb sollte eine solche Schutzbarriere mit einer stromführenden Litze ausgestattet werden. Erfahrungen aus Luchsprojekten in anderen Bundesländern zeigen nach Idelbergers Worten, dass die Pinselohren nur geringe Schäden an Nutztierbeständen anrichten. Die Entschädigungszahlungen umfassen dort meist einige Hundert Euro bis um die 1000 Euro – pro Jahr wohlgemerkt. Noch in der Vorbereitung befindet sich nach dem Vorbild des Wolfsmanagementplanes ein ähnliches „Betriebshandbuch“ für Luchse. Darin werden unter anderem Präventionsmaßnahmen und Ausgleichsregelungen für Nutztierhalter festgelegt. Ziel ist es, den Luchs-Managementplan noch vor der Auswilderung der ersten Exemplare aufzustellen. Diese Aufgabe liegt bei dem landesweit zuständigen „Runden Tisch Großkarnivoren“, der beim Mainzer Umweltministerium angesiedelt ist. Eine Gefahr für Menschen stellt der Luchs nicht dar, betont die Projektleiterin. Wanderer werden kaum jemals ein Exemplar in der freien Wildbahn zu Gesicht bekommen: Die Pinselohren sind dämmerungs- und nachtaktiv. Sie gelten zwar als flinke, aber nicht als ausdauernde Jäger. Deshalb hetzen sie – anders als Wölfe – ihre Beute nicht, sondern halten im Verborgenen Ausschau, um sich beispielsweise an ein Reh heranzupirschen. Sollte man dennoch einmal einem Luchs überraschend begegnen, empfiehlt Idelberger, ruhig zu verharren und das seltene Naturerlebnis zu genießen. Nach einem kurzen Moment werde sich der Luchs abwenden und im Wald verschwinden. 20 Luchse aus der Slowakei und der Schweiz sollen in den nächsten Jahren in den Pfälzerwald umgesiedelt werden. Die Kosten für Auswilderung, Öffentlichkeitsarbeit und wissenschaftliche Begleitung belaufen sich auf 2,75 Millionen Euro, die zur Hälfte von der Europäischen Union getragen werden, weitere Gelder kommen vom Land (400.000 Euro), dem World Wildlife Found und der Deutschen Wildtierstiftung. Wie viele Luchse genau in diesem Frühjahr im Pfälzerwald eintreffen werden, vermag Idelberger derzeit noch nicht zu sagen. Der Grund: Die Pinselohren sind nicht leicht zu fangen. Nur zwischen Ende Februar und April werden die männlichen Tiere, die Kuder, unvorsichtiger. In dieser Ranzzeit sind sie auf Brautschau und benutzen, um rasch große Strecke zurücklegen zu können, gerne auch von Menschen an Hängen angelegte Waldwege. Solche Wege bieten sich dann auch als Standorte für Kastenfallen an. Die Herausforderung besteht darin, nicht nur Kuder, sondern auch Weibchen zu fangen. Um Nachwuchs zu sichern, soll das Pfälzer Luchs-Projekt mit wenigstens einem Paar beginnen. Weiterer Effekt dieser Terminierung: Ab etwa März führen die Weibchen keine vorjährigen Junge mehr, die noch versorgt werden müssten. Um ein Bewusstsein für den Luchs zu wecken, wurden interessierte Bürger im Pfälzerwald auf die Ankunft der Raubkatzen vorbereitet: Es gab zahlreiche Vorträge, Luchsfeste und Bildungsangebote für Schüler. Angesichts der Öffentlichkeitsarbeit sieht die Projektleiterin den Boden für die Rückkehr des Pinselohres in den Pfälzerwald bereitet. Rund zwei Jahrhunderte nach seiner Ausrottung in der Region gebe es sowohl bei Jägern als auch bei Nutztierhaltern „ein Verständnis dafür, dass der Luchs zu unserer heimischen Tierwelt dazugehört“. (Foto: Archiv) Zur Sache Info Weitere Infos zum Luchs-Projekt finden sich unter www.luchs-rlp.de im Internet.

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