Speyer Jüdische Gemeinde braucht bald eine neue Thora

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Zehn Männer, ein Friedhof und mindestens eine Thora-Rolle: Das sind die Voraussetzungen für die Gründung jeder jüdischen Gemeinde. Die einzige Thora der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz mit Synagoge in Speyer hat so gut wie ausgedient. Eine neue kostet mindestens 25.000 Euro, eine Spendenaktion läuft.

„Sie kann jeden Moment unkoscher werden.“ Marina Nikiforova, Geschäftsführerin der Jüdischen Kultusgemeinde, beschreibt den Zustand der 49 Jahre alten, handgeschriebenen Pergament-Rolle als bedrohlich. Sobald auch nur ein Buchstabe der fünf Bücher Mose beschädigt sei, dürfe die Thora in den Gottesdiensten der Synagoge Beith-Schalom nicht mehr eingesetzt werden. „Dann werden wir sie auf dem jüdischen Friedhof begraben“, weist Nikiforova auf den letzten Weg ihrer Heiligen Schrift hin. Frauen sei die Berührung der Thora grundsätzlich verboten. Männer holten sie regelmäßig an allen Sabbat- und Feiertagen aus ihrem Speyerer Schrein und trügen sie an zwei Holzstangen durch den Gebetsraum der Synagoge. „Der Vorleser liest die Texte von der handgeschriebenen Pergamentschriftrolle ab“, schildert sie das Ritual, zu dem sich die Gemeinde erhebe. Dennoch seien Abnutzung und Materialermüdung im Laufe vieler Jahre nicht zu verhindern gewesen. Bei guter Aufbewahrung könne eine Thorarolle mehrere hundert Jahre erhalten bleiben, räumt Nikiforova ein. Die älteste Thora ist demnach etwa 900 nach Christus geschrieben worden. Die Heilige Schrift der Juden (Tanach) bestehe aus drei Teilen, betont die Geschäftsführerin: der Thora, den Büchern der Propheten (Newiim) und den Schriften (Ketuwim). Die Thora jedoch sei der Grundstein des jüdischen Glaubens. „In ihr findet man 613 Ge- und Verbote“, erklärt Nikiforova die Bedeutung der Schrift im Alltag eines jeden gläubigen Juden. Reiche Gemeinden besäßen häufig mehr als eine Thora, sagt sie. „Wir haben nur diese eine.“ Zur Eröffnung der Speyerer Synagoge am 9. November 2011 habe zwar die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Eva Lohse (CDU) der Pfalz-Gemeinde eine gebrauchte Thora geschenkt. Sie sei jedoch inzwischen abgenutzt und daher nicht mehr zu gebrauchen. Jede Thora wird nach Angaben Nikiforovas von Hand von speziell dafür ausgebildeten Schreibern, sogenannten Sofer, in Israel erstellt. „Das dauert etwa ein halbes Jahr.“ Und es ist teuer: Besondere Buchstaben kosten nach Auskunft der Geschäftsführerin jeweils zehn Euro. Eine Restaurierung sei ausgeschlossen. Um das „Heiligste“ der Juden den derzeit 643 Mitgliedern der Jüdischen Kultusgemeinde und auch nachfolgenden Generationen zu erhalten, wirbt Nikiforova um Spenden für eine neue Thora. Gemeindevorstand Israel Epstein habe bereits 1000 Euro gegeben. Viele der 137 Juden in Speyer und Umgebung hätten sich ebenfalls entsprechend ihrer finanziellen Möglichkeiten beteiligt. „Wir geben Konzerte, um Geld zu sammeln“, kündigt Nikiforova musikalische Veranstaltungen mit Unterstützung der Stadt am 29. Mai, im Juni und November in der Synagoge an. „Wir hoffen, dass wir unsere neue Thorarolle am Jahresende einweihen können.“ Damit sei ein großes Fest verbunden. „Die letzten Kapitel werden dabei gemeinsam mit Spendern geschrieben“, berichtet Nikiforova von der Möglichkeit, sich auf besondere Weise zu verewigen. Zudem sei eine Tafel mit den Namen der Unterstützer geplant. „Sie soll für alle Zeiten in unserer Synagoge an die Großzügigkeit der Speyerer erinnern.“ Spendenkonto Sparkasse Vorderpfalz, IBAN: DE84 5455 0010 0193 2025 12, BIC: LUHSDE6AXXX

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