Rheinpfalz Ist doch alles supergut

Ob Chia-Samen, Hanfproteinpulver oder Goji-Beeren: Inzwischen gibt es Superfoods in fast jedem Supermarkt – oft zu stolzen Preisen. Aber: Diese Lebensmittel, die als besonders gesund gelten, können eine unausgewogene Ernährung nicht ausgleichen, sagen Experten. Zudem haben viele einheimische Produkte ähnliche Eigenschaften.

Sie begegnen dem Verbraucher in Drogerie, Supermarkt und Bioladen, in Gesundheitsmagazinen – und vor allem im Internet: Superfoods. Und die haben ihren Preis. „Für den wahren Nährstoff-Kick“ empfiehlt der Onlinehandel Foodspring zum Beispiel „Superfood Greens“, ein Pulver aus „sechs erlesenen Superfoods“. Preis: rund 20 Euro für 150 Gramm. Bei Veganz, einer Marke für vegane Bio-Lebensmittel, gibt es den süßen Brotaufstrich „Nut’n Superfood Cashew-Goji-Karob“ für 5,79 Euro. 75 Gramm vom Pulver der Acai-Beere kosten 16 Euro. Terraelements bietet die „Superalgen“ Chlorella und Spirulina in Tabletten- und Pulverform an – ab 15 Euro. Doch was ist dran an diesen „Super“-Lebensmitteln? „Als Superfoods zählen Lebensmittel, die aufgrund ihres Nährstoffgehaltes einen höheren gesundheitlichen Nutzen haben sollen als andere Lebensmittel“, erklärt Ernährungswissenschaftlerin Silke Restemeyer von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Bonn. Mit einer besonders hohen Menge an Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, sekundären Pflanzenstoffen, Antioxidantien und Omega-3-Fettsäuren heben sie sich von anderen Nahrungsmitteln ab. „Eine fachlich-bindende Definition für den Begriff gibt es aber nicht“, betont Restemeyer weiter. Deshalb wirbt der Handel fleißig mit Superfoods – darunter können auch gängige und altbekannte Produkte wie Mandeln, Sonnenblumenkerne und Gewürze wie Gelbwurz (Kurkuma) sein. Dass Superfoods nicht gleich Superfoods sind, sieht man auch beim internationalen Vergleich: „Je nach Region wird unter Superfoods etwas ganz anderes verstanden: Hierzulande preist der Handel Goji-, Aronia- und Acai-Beeren, Chia-Samen und Matcha als das beste Superfood an, in den USA dagegen heimische Produkte wie Grünkohl, Blaubeeren und Spinat“, so Restemeyer. Anderswo wiederum würden Granatapfel und Rote Bete als Superfoods schlechthin angepriesen. Daraus folgt: Nährstoff-Wunder müssen nicht von weither kommen, es gibt sie auch vor der eigenen Haustür je nach Saison. In Deutschland greifen dennoch viele zu exotischen Angeboten wie Moringapulver und Baobab vom afrikanischen Affenbrotbaum. „Dabei könnte man für fast jeden Superfood-Exoten eine äquivalente Alternative aus der Heimat finden“, meint die DGE-Expertin. Die Acai-Beere beispielsweise: Als „Superbeere aus Brasilien“ gehandelt, verspricht sie mit ihrem hohen Gehalt an sekundären Pflanzenfarbstoffen – sogenannten Anthocyanen, welche freie Radikale einfangen – Schutz vor Krebs, Demenz und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die antioxidative Wirkung lasse sich aber ebenso mit allen anderen blau-violetten, roten und schwarzen Obst- und Gemüsesorten wie zum Beispiel Rotkohl, Blau- und Holunderbeeren aus der Heimat erzielen, erklärt Restemeyer. Gleiches gilt für die aus Mexiko stammenden Chia-Samen: Sie enthalten viele Omega-3-Fettsäuren – wichtig für Vegetarier, Veganer und Menschen, die keinen Fisch essen. Denn Omega-3 steckt zwar in einigen Pflanzenölen, vor allem aber in fettreichen Fischsorten. Die heimische Alternative zu Chia-Samen sei der Leinsamen, erklärt die DGE-Wissenschaftlerin: „Leinsamen ist auch reich an Ballaststoffen, Omega-3-Fettsäuren und Protein, jedoch preislich viel günstiger.“ Gerade die Exotik mancher Superfoods kann genauso Risiken haben, warnt die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Zum Beispiel könne man Kreuzallergien mit anderen Lebensmitteln oder eine Reaktion auf bisher unbekannte Allergene nicht ausschließen. Vom Verzehr von Superfoods in Kapselform rät die Verbraucherzentrale ab. Außerdem sollte man beim Kauf – wie bei anderen Lebensmitteln auch– auf die Anbaumethode und die Pestizidbelastung achten. Bei Kräutern, Tees und Gewürzen aus Asien würden immer wieder Rückstände von Schwermetallen wie Arsen, Blei oder Quecksilber gefunden. Auch die Öko-Bilanz vieler Superfoods sei aufgrund der langen Transportwege im Vergleich zu heimischen Produkten schlecht. Einzelnen Superfoods wird sogar eine vorbeugende bis heilende Wirkung nachgesagt: Der Shiitake-Pilz etwa soll vor Gebärmutterhalskrebs schützen und der Grapefruitkern wie ein Antibiotikum wirken. „Für viele der angepriesenen Wirkungen fehlen noch wissenschaftliche Belege. Bei der Acai-Beere beispielsweise stammen die Daten aus dem Reagenzglas und lassen sich nicht einfach auf den Menschen übertragen“, warnt Expertin Restemeyer. Die Höchstmengen aus den Labortests erreiche der Verbraucher kaum. Ein anderes Beispiel ist die „ORAC“, erläutert die Verbraucherzentrale NRW. Die Abkürzung steht für „Oxygen Radical Absorbance Capacity“, also die Fähigkeit, Sauerstoffradikale abzufangen. Dieser Wert sei jedoch irreführend. „Die viel gelobten hohen ORAC-Werte für bestimmte Früchte beziehungsweise Fruchtsäfte sind reine Laborwerte, die sich beim Menschen nach dem Verzehr nicht wiederfinden. Die bei der ORAC-Messung ablaufende Reaktion findet im Körper so gar nicht statt.“ Vorsichtig sollte man außerdem sein, wenn man Medikamente einnimmt – bei einigen Superfoods treten Wechselwirkungen mit Arzneimitteln auf: Goji-Beeren sollen nach Expertenmeinung nicht zusammen mit gerinnungshemmenden Medikamenten eingenommen werden und die Grapefruit kann bekanntermaßen den Effekt von Herzmedikamenten, Cholesterin- und Blutdrucksenkern vervielfachen. Viele Superfoods sind zudem noch wenig erforscht, etwa, was ihre Langzeitwirkung angeht. Deshalb werden für einige Produkte in Deutschland vorsichtshalber maximale Tagesmengen angegeben, 15 Gramm pro Tag bei Chia-Samen beispielsweise. Grundsätzlich spricht aus wissenschaftlicher Perspektive aber nichts dagegen, wenn Verbraucher regelmäßig Superfoods essen. Zu viel sollte man sich von ihnen allerdings nicht versprechen. Denn: „Superfoods besitzen noch lange keine Superkräfte. Sie können eine unausgewogene Ernährung nicht ausgleichen“, betont Ernährungsexpertin Restemeyer. Sie empfiehlt: „Eine Ernährung, die reich ist an pflanzlichen Lebensmitteln, also an Getreideprodukten, Gemüse und Obst, wirkt sich präventiv auf viele ernährungs-mitbedingte Krankheiten aus.“ Superfoods können dabei durch ihren hohen Nährstoffgehalt einen Beitrag leisten, den Speiseplan ergänzen und vielseitiger machen.

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