Grünstadt Interview nach BASF-Unglück: „ein furchtbarer Fehler“

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Der 71-jährige Rentner Klaus Linska war bis vor zehn Jahren auch für zwei Gefahrstofflager der BASF verantwortlich. Das Explosionsunglück vom 17. Oktober hat den Ebertsheimer zunächst persönlich betroffen gemacht – und dann motiviert. Motiviert, von Vorstandschef Kurt Bock zu fordern, „dass qualifiziertes BASF-Personal die gefährlichen Prozesse abwickelt“.

In einem offenen Brief hat Linska unter anderem die aus seiner Sicht „falsche Geschäftspolitik“ des Chemiekonzerns kritisiert (wir berichteten am 8. November). Wir haben bei dem „Ex-Aniliner“ – er war mehr als 40 Jahre in der BASF-Logistik tätig – nachgefragt, was er konkret anprangert. Welche Konsequenzen würde er aus dem Unglück ziehen, bei dem vier Menschen – drei Feuerwehrmänner und ein Matrose – ums Leben gekommen sind. Immerhin war Linska als Leiter für über 50 Lager im Raum Mannheim/Ludwigshafen und sieben Werkslager, davon zwei Gefahrstofflager, verantwortlich. Und er war vor 15 Jahren mitverantwortlich für die Errichtung des größten Chemielagers der Welt. Welche Gedanken gingen Ihnen durch den Kopf, als Sie von der Explosion im BASF-Industriehafen gehört haben? Die Nachricht habe ich im Urlaub über das Fernsehen erfahren. Dabei bin ich sehr erschrocken, war auch persönlich betroffen, da ich die Situation vor Ort sehr gut kenne und auch über die gegebenen Sicherheitseinrichtungen im Landeshafen informiert bin. Mein erster Gedanke war: Da muss ein furchtbarer Fehler geschehen sein. Und was hat Sie zum Schreiben des offenen Briefes an RHEINPFALZ und BASF-Vorstandschef bewogen? Ich habe lange überlegt, ob ich das tun soll. Angeregt durch Diskussionen mit früheren und heutigen Mitarbeitern habe ich mich dann zu dem Brief entschlossen. Auch wenn ich nun schon länger als zehn Jahre nicht mehr im Dienst bin, fühle ich mich mit unserem Werk immer noch sehr stark verbunden. Auch erinnerte ich mich an das Gespräch mit Herrn Dr. Bock im Jahr 2001 bezüglich der Bewirtschaftung des Logistikzentrums Y 130. Damals war seine Unterstützung groß, dieses gegen den Trend in der Chemie (zum Beispiel hat die Firma Bayer die Logistik ausgegliedert) durch BASF-Personal zu tun, was ja auch gelungen ist. Der damalige Erfolg hat mich dann bewogen, auf die Fehlentwicklung in unserer Gesellschaft – und nicht nur in der BASF – hinzuweisen: verbunden mit der Hoffnung, dass nichts vergebens ist. Was ist konkret mit „falscher Geschäftspolitik“ in dem Brief gemeint? Die vermehrte Anzahl von Fremdfirmen durch die Ausgliederung von Aufgaben? Ja, meine Ausführungen der falschen Geschäftspolitik beziehen sich in erster Linie auf diese Entwicklung in unserer Gesellschaft: und dieser hat sich offensichtlich die BASF leider seit zirka 2010 angeschlossen. Das heißt, dass Aufgabengebiete, die nicht zum Kerngeschäft der Unternehmen gehören, ausgegliedert werden, nur um Personalkosten zu reduzieren. Genau diese Entwicklung halte ich für falsch und habe in meiner aktiven Zeit aus meiner Sicht auch erfolgreich dagegen angekämpft. Wenn Sie dem Manager „Mut und Kraft wünschen, sich der Aktionärs- und Kapitalmacht zu widersetzen“, ist dann damit gemeint, die Dividenden nicht immer wieder durch Einsparungen bei den Personalkosten erhöhen zu wollen? Das größte Kapital in Deutschland sind qualifizierte Mitarbeiter. Diese machen letztlich den Erfolg der Unternehmen und der deutschen Wirtschaft aus. Bei der Wert-Betrachtung von Unternehmen darf nicht nur der finanzielle Aspekt eine Rolle spielen, sondern auch die Zufriedenheit der Mitarbeiter; diese wäre von neutralen Stellen zu messen. Gefährliche, risikoreiche Prozesse gehören nicht in fremde Hand, sondern sind dem Kerngeschäft zuzuordnen und von qualifiziertem BASF-Personal abzuwickeln. In der Konsequenz hieße das doch, die Ausgliederung einiger Aufgabengebiete an Fremdfirmen rückgängig zu machen? Ja, ich bin aber zutiefst davon überzeugt, dass ein Umsteuern der Entwicklung nicht nur langfristige Erfolge für das Unternehmen bringt, sondern durch die Wertschätzung auch die Zufriedenheit der Mitarbeiter erhöht – und sich damit positiv auf unsere ganze Gesellschaft auswirkt. |Fragen: Lorenz Hofstädter

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