Wirtschaft „Industrie ist das Fundament“

Grüne Ministerin Lemke bekennt sich zum Standort – Oettinger fordert „IT-Weiterbildungsschub“

Als Industriestandort steht Rheinland-Pfalz kaum hinter Baden-Württemberg zurück, die Exportquote ist mit 54,1 Prozent überdurchschnittlich hoch. Zu seinen Stärken zählen günstige Grundstückskosten und hohe Rohstoffvorkommen. Schwächen gibt es in der Infrastruktur und bei der Forschung und Entwicklung. Das sind Ergebnisse des „Dialogs Industrieentwicklung Rheinland-Pfalz“, den Wirtschaftsministerin Eveline Lemke (Grüne) gestern am Sitz des Schott-Konzerns in Mainz vorstellte – zusammen mit Gerhard Braun, Präsident der Landesvereinigung der Unternehmerverbände (LVU), Dietmar Muscheid, Landeschef des Deutschen Gewerkschaftsbundes und Arne Rössel, Hauptgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern.Mehr als zwei Jahre haben die Partner Stärken und Schwächen des Industriestandortes Rheinland-Pfalz untersucht und Handlungsfelder aufgezeigt. Lemke räumte ein, die Zusammenarbeit sei wegen der zum Teil unterschiedlichen Bewertungen nicht immer einfach gewesen. Sie gab jedoch ein klares Bekenntnis ab: „Industrie ist das Fundament der rheinland-pfälzischen Wirtschaft“. Zu Beginn ihrer Amtszeit hatte Lemke die Industrie irritiert, weil sie es öffentlich begrüßt hatte, dass die BASF die grüne Gentechnik aus Rheinland-Pfalz verlagerte. Gestern nun hatte Lemke EU-Digitalkommissar Günther Oettinger (CDU) als Gastredner eingeladen. Er warb für einen Weiterbildungsschub in der Informationstechnologie (IT). Es reiche nicht aus, wenn die Jüngeren in der digitalen Welt ankämen, aber nicht die Älteren. In der Industrie würden mit der digitalen Revolution zwischen der Logistik und dem Controlling immer weniger Techniker benötigt. Dafür aber mehr Menschen, die Software entwickelten und bedienten. Oettinger forderte den Ausbau des schnelleren Internets. Eine Übertragungsrate von 30 Megabits pro Sekunde werde nicht reichen, sagte er. Bis zum Sommer nächsten Jahres werde es einen EU-weiten Ausbauplan geben. Dann müsse auch die Frage geklärt sein, welche Beihilfen die öffentliche Hand dort leisten dürfe, wo ein Unternehmen wie die Telekom aus wirtschaftlichen Gründen keine Glasfaser verlegen. „Wir müssen dieses Mikado-Spiel auflösen“, sagte Oettinger, dass alle nur darauf warten, von anderer Stelle Zuschüsse zu erhalten. Oettinger warb dafür, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der EU als Chance zu sehen. „Ich habe bisher nicht erlebt, dass man in Mainz von Rumänen überschwemmt wird“, sagte er. Kritik übte er an der deutschen Mütterrente und vor allem an der Rente ab 63. Dies sei sowohl an die jungen Deutschen als auch an andere Länder ein falsches Signal. Applaus erhielt er dafür von den rund 170 Vertretern der Wirtschaft. LVU-Chef Braun forderte eine „verlässliche und wettbewerbsfähige Energieversorgung“ für Rheinland-Pfalz. Ein Ergebnis des Dialogs ist, dass überdurchschnittlich viele energieintensive Unternehmen am Standort sind. Zu den Stärken von Rheinland-Pfalz werden die hohen Rohstoffvorkommen gezählt in Form natürlicher Tone, Steine und Mineralien. Außerdem seien die Personal- und Arbeitskosten wettbewerbsfähig. Die Fachkräfte hätten ein hohes spezifisches Know-how und eine hohe Betriebsbindung. Nachteilig sei aber, dass es abseits der Ballungsräume schon jetzt an Fachkräften fehle. Außerdem seien zu wenige Schulabgänger ausbildungsreif und es fehle an Studierenden der Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Rheinland-Pfalz stehe zurück bei Neugründungen im Bereich High-Tech und Industrie.

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