Neustadt Individualität auch nach dem Tod

Ein weißes Bestattungsauto und Bio-Urnen aus Maismehl – heute ist vieles möglich, was vor 125 Jahren undenkbar war. Damals wurde das Bestattungshaus Beil in Neustadt gegründet. Inhaber Michael Beil befasst sich inzwischen mit neuen Beerdigungsformen und besonderen Wünschen.

„Das ist eigentlich der wichtigste Raum“, sagt Michael Beil und öffnet die Tür zum Sarglager. Durch die großen, wuchtigen Holzkästen an der Wand wirkt das Zimmer klein und jagt ein Kribbeln durch den Körper beim Gedanken daran, in welcher Situation die Angehörigen hier ins Bestattungshaus kommen. Das Unternehmen in der Landauer Straße, gegenüber dem Hauptfriedhof, gibt es seit 125 Jahren. Seit zehn Jahren wird es von Michael Beil geführt. Trotz traurigem Anlass ist es ein wichtiger Wirtschaftszweig – zweifelsohne zukunftsträchtig –, den er bedient. „Das ist Wahnsinn“, sagt er zur Umsatzentwicklung. Gemeinsam mit der Glaserei Beil, die im selben Haus sitzt, nennt er die Summe von knapp zwei Millionen Euro im Jahr. Zurück im Sarglager: Nach aktuellen Moden gefragt, berichtet Beil von Bio-Urnen aus gepresstem Maismehl und hebt ein solch leichtes Gefäß hoch. Bei Särgen gehe die Entwicklung immer mehr hin zu „natürlich“. Keine aufgemalte Holzmaserung, keine künstlichen Materialien. Wenn es einen Todesfall in der Familie gibt, graut vielen Menschen nicht nur vor dem organisatorischen Aufwand, auch der Gedanke ans Finanzielle macht zu schaffen. Beil setzt auf transparente Preis-Kommunikation. Auf der Internetseite des Hauses ist einzusehen, dass eine Bestattung in „einfacher Ausführung“ ab 1500 Euro möglich ist. Diese Angabe sei selten. Kaum ein Haus veröffentliche Preise. Offen gibt er sich auch in den Kundengesprächen, wenn vor ihm Menschen in einer Ausnahmesituation sitzen. „Die allermeisten sind überfordert.“ Kaum ein Kunde komme mit klaren Ideen zum Ablauf der Feier. Das wird zur Aufgabe für Beil und seine 14 Mitarbeiter: organisieren, von der Überführung zum Krematorium bis zur Musik bei der Beerdigung. In allen Punkten gehe er auf die Wünsche der Angehörigen ein. Aber: „Es gibt Musik, die ist unpassend, und das sage ich auch.“ Beil erinnert sich da an einen schunkelfreudigen Verstorbenen, dessen Verwandten einen gewagten Liedwunsch hatten: „Er hat ein knallrotes Gummiboot.“ Für die Beerdigungs-Gestaltung gibt es laut Beil zwei Entwicklungen: „Die Verabschiedung würdevoll, aber mit eigener Handschrift gestalten“ und „die Hinterbliebenen bei der Grabpflege entlasten“. Letzteres ist bereits seit Jahren Thema. Immer mehr Menschen entscheiden sich für Urnen. Beil wünscht sich, dass auf dem Neustadter Friedhof weitere neue Bestattungsformen möglich sind, zum Beispiel Rasen-Erdbestattungen. Immer mehr Leute würden zudem Vorsorge-Verträge abschließen. Dabei legt der Unterzeichner sowohl Finanzielles wie auch die Gestaltung seiner eigenen Beerdigung vorab bindend fest. Abgewickelt wird das über den Bundesverband Deutscher Bestatter als Treuhand-System. Der Leichenwagen von Beils Unternehmens ist nicht schwarz, sondern glänzend weiß. Im hauseigenen Trauercafé, wo bis zu 120 Personen nach der Beerdigung Platz finden, gab es auch schon eine Geburtstags- und Weihnachtsfeier. Macht man sich mit einer so freien Behandlung dieses ernsten Themas angreifbar? „Ich mache mich nicht angreifbar, weil ich daran glaube“, sagt Beil überzeugt.

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