Pirmasens Immer mehr Verantwortung

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Seelentrösterin, Managerin, Hauswirtschafterin und Krankenschwester in Personalunion: So sehen sich die beiden Erzieherinnen Stefanie Keller und Katja Vogel. „Wir lieben unseren Job“, sagen sie. Dennoch streiken sie heute. Denn ausreichend wertgeschätzt und bezahlt fühlen sie sich nicht.

Katja Vogel macht ihren Job im städtischen Kindergarten Fehrbach seit 1992. Hat es nie bereut, sich für eine Arbeit mit Kindern entschieden zu haben. „Man kriegt so viel zurück.“ Die Ideen gehen der 44-Jährigen auch nach 25 Jahren nicht aus. Was sie ärgert, ist das Lohnniveau. „Das ist immer noch so wie 1991.“ Und das, obwohl sich das Berufsbild komplett gewandelt hat, eine vierjährige Schulausbildung absolviert werden muss. Im Anerkennungsjahr gibt es laut der Kollegin Stefanie Keller 800 Euro im Monat, das Einstiegsgehalt liege bei 2590 Euro brutto. „Vom Aufwand her entspricht das einem Studium, nur die Bezahlung ist nicht entsprechend.“ Es werde immer mehr verlangt, erzählen die beiden. Das habe mit der PISA-Studie angefangen. „Eltern erwarten, dass sich die Kinder viel bewegen, andere wünschen sich Englisch für den Nachwuchs, wollen wissen, was gesungen und vorgelesen wird.“ Eingezogen sei in den Kindergarten viel mehr Bürokratie, berichtet Keller. Alles müsse dokumentiert werden. „Wenn ein Kind hinfällt und eine Beule hat, muss genau erfasst werden, wer ihm den Kühlakku wann ausgehändigt hat.“ Übers ganze Jahr müssten Beobachtungsbögen geführt werden mit Hinweisen auf Sozialverhalten, Sprache, Bewegung, Ich-Kompetenz – Grundlage für Elterngespräche. Klar sei vieles besser geworden, die Arbeit habe eine andere Qualität bekommen, betont Vogel. Beispielsweise die Eingewöhnung. „Früher haben die Eltern nach den Ferien die Dreijährigen gebracht und sie weinend zurücklassen müssen. Das war eine Rosskur für die Kinder.“ Heute müsse jedes Kind 14 Tage lang eingewöhnt werden, im Beisein der Mama Minimum eine Stunde täglich. Das sei gut für die Kinder, binde aber eine Erzieherin, die in der Gruppe fehle. Ein Dilemma. „Die Gruppen müssten einfach kleiner sein“, meinen die Frauen. Im Schnitt kümmerten sich zwei Erzieherinnen um 25 Kinder, sind Zweijährige in der Gruppe, gebe es eine halbe Kraft mehr, erläutert die 36-jährige Keller, die auf Qualitätsstandards verweist, die einem Lehrplan ähneln. Demnach sollen Erzieherinnen mit den Kindern forschen, tanzen, singen, Technik erklären, über Gesundheit und Sexualität sprechen. „Vorschulkinder werden aufs Lesen und Schreiben vorbereitet, wir drehen auch mal einen Film, musizieren mit Orff-Instrumenten, backen Kuchen und Pizzabrötchen.“ „Lebenspraktische Übungen“ heißt das bei den Qualitätsstandards. Es sei immer mehr in die Kita verlagert worden, sagt Vogel. Was auch damit zusammenhänge, dass die jungen und Mädchen viel länger als früher betreut werden, daheim für Erziehung und Förderung weniger Zeit bleibe. Früher blieben von 90 Kindern zehn am Nachmittag, heute sind es 30 bis 40, Tendenz und Bedarf steigend. Das Personal sei aber nicht aufgestockt worden. Dadurch fehlt den Erzieherinnen Luft für Dokumentationspflichten. „Das geht nur nebenher, man muss ständig entscheiden, was gerade wichtiger ist, hat nie nix zu tun.“ Eine typische Situation sieht laut Keller so aus: Ein Kind hat die Hose voll, dem anderen läuft die Nase und im Büro klingelt das Telefon. Vorbereiten und Ideen sammeln - das habe sie in die Freizeit verlagert. Verändert hat sich auch das: „Früher kamen die Kinder zu uns, wenn sie sauber waren“, erinnert sich Keller. „Heute kommen sie mit zwei Jahren und es ist selbstverständlich, dass wir sie wickeln und ihnen beibringen, auf die Toilette zu gehen.“ Sprecherziehung sei wichtiger geworden. Zugenommen hat auch die Integrationsarbeit von ausländischen Kindern. „Die können teilweise kein Wort Deutsch, wenn sie zu uns kommen“, so Vogel, die erzählt, dass viel mehr Fortbildungen verlangt werden, Berichte an Kinderärzte, Logopäden und Ergotherapeuten verfasst werden müssen. Sie würde sich einfach wünschen, dass es für das Mehr an Verantwortung auch ein Mehr an Anerkennung geben würde. „Wir lieben unsere Arbeit.“

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