Neustadt Harte Nuss für die Weihnachtsbäckerei

Ausgerechnet zur Adventszeit gibt es bei einer wichtigen Zutat für süße Plätzchen Engpässe: Ernteausfälle in der Türkei machen Haselnüsse zur Mangelware – auch in Pfälzer Supermärkten. Wären solche Lieferschwierigkeiten mit einem Anbau dieser Früchte in Deutschland künftig zu verhindern?

NEUSTADT. Egal ob ganz, geraspelt oder gemahlen: Wo sich im Globus-Markt in Neustadt sonst die Päckchen mit Haselnüssen stapelten, waren zuletzt die Regale leer. „Leider ausverkauft“, hieß es. Oliver Krauß, Geschäftsleiter des Neustadter Globus: „Ende März diesen Jahres kam es in der Türkei, aus der wir unsere Haselnüsse hauptsächlich beziehen, zu großen Frostschäden. Daraus entstand ein Engpass bei Haselnüssen, der alle Globus-Betriebe betraf.“ Bundesweit betreibt das Handelsunternehmen mit Sitz in St. Wendel 46 SB-Warenhäuser – darunter fünf in der Pfalz. Mittlerweile habe man bei dem langjährigen Lieferanten wieder Ware bestellen können, sagte Krauß. Im Verlauf der Woche war im Neustadter Globus zumindest ein Teil des Haselnuss-Sortiments wieder erhältlich. Bei Real – 309 Märkte, davon neun in der Pfalz – waren ebenfalls besondere Anstrengungen erforderlich: „Die Lieferengpässe durch die Ernteausfälle in der türkischen Haselnussproduktion sind seit mehreren Wochen ein Thema“, bestätigt Unternehmenssprecherin Nicole Pizzuti. Dennoch habe man weiter Haselnüsse bestimmter Marken in allen Märkten anbieten können. Bei besonders preiswerter Haselnuss-Ware gibt es allerdings Nachschubprobleme. Diese Produkte seien derzeit in den süddeutschen Märkten leider bereits vergriffen, sagt Pizzuti. Auch manch türkisches Lebensmittelgeschäft in der Pfalz muss passen – die Haselnuss-Säcke sind leer. Dagegen kann die Wasgau AG (Pirmasens), die 84 Supermärkte betreibt, derzeit ihren Kunden uneingeschränkt Haselnüsse bieten. „Wir haben ein Jahreskontingent vereinbart, was Preis und Menge betrifft, da gibt es keine Probleme“, sagt Unternehmenssprecherin Isolde Woll. Weltweit werden jährlich rund 750.000 Tonnen Haselnüsse produziert. Rund 75 Prozent davon stammen aus der Türkei. Das Hauptanbaugebiet liegt am Schwarzen Meer – die rund 300 Kilometer lange türkische „Haselnussküste“. Im März haben dort nach Angaben der Behörden Frost und ein Hagelsturm in einer einzigen Nacht über die Hälfte der reifenden Früchte vernichtet. Das Boulevardblatt „Bild“ titelte deshalb bereits im August: „Wird jetzt unser Nutella knapp?“ Die Frage war nicht ganz unberechtigt, immerhin stecken in einem 400-Gramm-Glas der Schokocreme etwa 60 Haselnüsse. Der Nutella-Hersteller Ferrero hat inzwischen auf die Krise reagiert: mit dem Kauf der Oltan-Gruppe, dem türkischen Marktführer bei Beschaffung und Verarbeitung von Haselnüssen. Doch welche Ausweichmöglichkeiten gibt es in der Weihnachtsbäckerei? Haselnüsse aus heimischen Anbau können die Lücke zumindest derzeit kaum füllen. Die Deutschen verspeisen jährlich rund 65.000 Tonnen Haselnusskerne. Die Erzeugerorganisation Deutscher Haselnussanbauer, die ihren Sitz im bayerischen Haag an der Amper hat, kann nur rund 200 Tonnen jährlich liefern. Vor rund 15 Jahren hatten sich vor allem bayerische und baden-württembergische Landwirte an diese Sonderkultur herangewagt. Haselnüsse galten damals als eine Alternative zu dem in der Krise steckenden Tabakanbau in Deutschland. Mit dieser Frucht sei ein Vielfaches des Ertrags der herkömmlichen Landwirtschaft zu erzielen, sagt der Geschäftsführer der Erzeugerorganisation, Anton Neumayer. Um den deutschen Bedarf aber aus eigener Produktion zu decken, wäre eine Anbaufläche von rund 100.000 Hektar erforderlich, hat Neumayer ausgerechnet. Derzeit bewirtschaftet die Erzeugergemeinschaft gerade einmal 300 Hektar. Und noch eine weitere Hürde kommt hinzu: Bis ein Haselnussstrauch richtig trägt, dauert es etwa zehn Jahre. Neumayer: „Das ist ein Riesenproblem, unsere Bauern sind es gewohnt, im Frühjahr zu säen und im Herbst zu ernten.“ In Rheinland-Pfalz gehört der Erzeugergemeinschaft nur ein Landwirt an: Rainer Engelhardt in Dintesheim (Landkreis Alzey-Worms). Er suchte eine Alternative zu den gängigen Agrarprodukten wie beispielsweise Zuckerrüben. Und fand sie vor 15 Jahren in der Haselnuss – inzwischen baut Engelhardt sie auf 5,6 Hektar an. Der Pionier erlebte aber manche Rückschläge. Die aus Italien angeschafften Erntemaschinen funktionierten beispielsweise bei Nässe nicht. Ein Wachstumshindernis ist das deutsche Klima aber nicht: Haselnüsse gedeihen gerade auch in der Pfalz. Werner Ollig von der Gartenakademie Rheinland-Pfalz am Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum in Neustadt hat deshalb für alle Pfälzer Plätzchenbäcker einen Ratschlag: „Pflanzt euch selbst Haselnüsse in den Garten, dann seid ihr unabhängig vom Weltmarkt.“ Mit der Eigenproduktion könnten sich Verbraucher auch gegen Preissprünge wappnen. Nach Bekanntwerden der Ernteausfälle kostete eine Tonne ungeschälter Haselnüsse an der türkischen Rohstoffbörse knapp 3900 Euro. Ein Jahr zuvor waren es gerade einmal 2200 Euro. Das schlägt auf den Markt durch: Bäckereien müssten derzeit zwölf Euro für ein Kilo Haselnüsse zahlen, 2013 seien es nur vier bis fünf Euro gewesen, weiß Erzeugergemeinschafts-Chef Neumayer. Er hegt einen Verdacht. Es sei bekannt, dass der türkische Staat ganze Ernten aufkaufe, um den Preis stabil zu halten. Neumayer: „Sicher gab es Frost, aber ob dadurch allein diese starken Engpässe verursacht wurden, das kann man bezweifeln.“ Die Erzeugergemeinschaft selbst hat die aktuelle Ernte ihrer Mitglieder bereits vermarktet. Aufkäufer war unter anderem Edeka. Auch der Dintesheimer Landwirt Engelhardt ist zufrieden: „Dieses Jahr habe ich mit den Haselnüssen wohl erstmals Geld verdient, bisher hat es nur gekostet.“ Zur Sache Haselnuss-Rezeptbuch Haßloch blickt auf eine über 1400-jährige Geschichte zurück. Erstmals urkundlich erwähnt wurde der Ort 773 als „Hasalaha“, im Althochdeutschen bedeutet dies: durch Haselgebüsch fließendes Gewässer. Tatsächlich gibt es auch heute noch zahlreiche Haselnusssträucher und -bäume rund um das Großdorf. Inzwischen pflegt Haßloch diese Tradition liebevoll mit den „Kulinarischen Haselnusswochen“.Das passende Rezeptbuch dazu hat Renate Hauck (77) geliefert. Jahrelang hat die Haßlocherin dafür Informationen zusammengetragen, viele Rezepte stammen noch von ihrem Vater, dem Bäcker- und Konditormeister Ernst Fabel. „Früher habe ich noch die Nüsse zum Backen und Kochen bei uns im Wald gesammelt“, sagt Hauck. Heute kaufe sie die Ware auch wie andere im Geschäft. Für das Titelbild ihres Buches wurden aber extra Haßlocher Haselnüsse fotografiert. Es enthält über 90 Rezepte – von „Nussmöppchen“ über „Haselnuss-Hähnchen“ bis zum „Haßlocher Haselnuss-Strudel“. (ros) Info Renate Hauck: Haselnuss-Rezepte, 102 Seiten, 9,80 Euro, ISBN: 978-3-926775-54-2. Erhältlich bei: Tourist-Information Haßloch, 06324/935-225.

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