Rheinpfalz Hahn-Demo: Lewentz verteidigt sich

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Da steht er nun vor den Menschen, die auf dem Flughafen Hahn für dessen Erhalt demonstrieren. Innenminister Lewentz, auch SPD-Chef im Land, verteidigt sich, verspricht, erklärt. Beobachtungen von Karin Dauscher

Der 53-Jährige muss liefern. Innenminister Roger Lewentz bleiben nach dem geplatzten Verkauf des Hahn an den chinesischen Möchtegern-Investor Shanghai Yiqian Trading Co. Ltd. (SYT) nur zwei Möglichkeiten: Er übergibt das langjährige Vorzeige-Konversionsprojekt einem solventen Käufer, der aus dem flügellahmen Hahn einen wirtschaftlich eigenständigen Flughafen macht – oder er überlässt ihn Insolvenzverwaltern. Sollte das passieren, ist Lewentz’ politische Karriere wahrscheinlich zu Ende. Freundlich ist der Applaus, den er am Flughafen Hahn für seine Rede erntet. Rund 150 Menschen, die zum Teil mit der ganzen Familie gestern zur Kundgebung „Der Hahn muss fliegen“ gekommen sind, hängen mit ihrer Existenz am Flughafen. Dass Lewentz gerade mit SYT eine Bruchlandung hingelegt hat, wird ihm bei dieser Kundgebung nur von CDU-Politikern wie dem Vizefraktionschef Alexander Licht vorgeworfen. Aber der politische Streit, der in Mainz die Gemüter erhitzt, verfängt auf dieser Kundgebung nicht. Die Menschen, die der Einladung des überparteilichen und seit mehr als 20 Jahren bestehenden Vereins „Bürger für den Hahn“ gefolgt sind, haben große Sorgen und sind doch voller Zuversicht. „Das Ding wird nit zugemacht“, sagt Sascha Gutenberger aus Kastellaun. Er arbeitet auf dem Vorfeld, be- und entlädt die Flugzeuge, leistet aber auch Feuerwehrdienste. Die gute Anbindung mit der B 50, bald dem Hochmoselübergang, das alles spreche für den Flughafen, sagt er. Der Hahn ist zusammen mit den ansässigen Firmen einer der größten Arbeitgeber weit und breit. „Die können doch nicht von heute auf morgen 2000 Leuten die Arbeit wegnehmen“, sagt Edith Faller, die seit 17 Jahren auf dem Hahn arbeitet. Auch Lewentz sagt: „Wir brauchen den Flughafen Hahn. Wir haben die Überzeugung, ihn in eine gute Zukunft zu bringen.“ Anders als es damals am Nürburgring gelaufen sei, habe er bei SYT rechtzeitig die Reißleine gezogen, verteidigt er sich. Das Verkaufsverfahren sei wieder geöffnet, weil sich zusätzliche Interessenten gemeldet hätten. Lewentz gibt Hoffnung, verspricht aber auch nicht den Himmel auf Erden. Er war während seiner Karriere schon für viele Überraschungen gut. Er kennt das Geschäft von der Pike auf. 1991, der legendäre Wahlsieg der SPD mit Rudolf Scharping an der Spitze, war das Jahr, in dem Lewentz vom Bundesamt für Wehrtechnik, wo er eine klassische Beamtenlaufbahn eingeschlagen hatte, in die Mainzer Staatskanzlei wechselte. Er wurde Abgeordneter und organisierte später als Generalsekretär der SPD die Wahlkämpfe von Ministerpräsident Kurt Beck. Vor der Landtagswahl 2011, Beck stand wegen des Nürburgrings unter Druck, war es die Idee von Lewentz, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss gegen die CDU-Opposition einzurichten, die fünf Jahre zuvor unter dem früheren Partei- und Fraktionschef Christoph Böhr Fraktionsgeld bis ins Bordell getragen hatte. Vor der Landtagswahl in diesem Jahr schaffte es Lewentz, seit vier Jahren SPD-Landeschef, die Idee einer Bundesgartenschau 2031 im Mittelrheintal vor allem im Landesnorden erfolgreich als Thema zu setzen. Als Minister erbte er dann 2011 die „Bad Bank“ des Landes – den strukturpolitischen Giftschrank – mit dem Nürburgring und den Flughäfen Zweibrücken und Hahn. Zwei dieser Projekte landeten beim Insolvenzrichter. Beim Hahn wurde Lewentz in der Region lange Untätigkeit vorgeworfen. 2013 handelte er für viele überraschend: Er setzte den langjährigen Flughafen-Chef Jörg Schumacher vor die Tür und holte Heinz Rethage als Sanierer. Schumacher ist seit Freitag angeklagt wegen Untreue und Bestechlichkeit, Rethage hinterließ eine tief gespaltene Belegschaft. Seinen Nachfolger, Markus Bunk, bestimmte der neue Aufsichtsratschef des Flughafens, Staatssekretär Salvatore Barbaro. Der Verkauf blieb aber in der Verantwortung von Lewentz. Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat mehrfach unmissverständlich deutlich gemacht, dass der Hahn seine Sache bleibt, auch wenn sich das gescheiterte Misstrauensvotum der CDU gegen sie richtete. Bei ihrem jährlichen Pressefest mussten Lewentz und sein Staatssekretär Randolf Stich in einem Nebenraum die Journalistenfragen beantworten. Rudolf Scharping, inzwischen Unternehmensberater mit China-Erfahrung, eilt Dreyer und Lewentz zur Seite, indem er öffentlich die Beratungsleistung von KPMG – des Wirtschaftsprüfungs-Unternehmens, das Lewentz auch für den Hahn-Verkauf engagiert hatte – noch schlechter redet, als es die Landesregierung seit dem 29. Juni eh schon tut: jenem Tag, an dem Lewentz den Verkauf an SYT gestoppt hat. Lewentz entlässt KPMG nicht aus der Verschwiegenheitspflicht – die Wirtschaftsprüfer dürfen sich also nicht öffentlich gegen Anwürfe ihres Auftraggebers wehren. Aber lange wird Lewentz den Deckel nicht mehr auf dem siedenden Topf halten können. Nun hat auch noch Wirtschaftsminister Volker Wissing (FDP) angekündigt, Lewentz gründlich auf die Finger schauen zu wollen. Im Regierungsgeschäft ist es ein Affront, wenn sich Minister in ihre Ressorts reinreden. Aber parteipolitisch muss Wissing ein Zeichen setzen, will er die Ampelkoalition in seiner FDP weiter verteidigen. Haben die Menschen am Hahn noch Vertrauen in die Politik? „Die reden sich doch alle raus. Spielen mit unseren Arbeitsplätzen und was hier passiert, stört niemanden“, sagt Sascha Gutenberger. Aber er ist überzeugt: Der Hahn fliegt trotzdem weiter.

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