Ludwigshafen Getöteter Feuerwehrmann: BASF-Werksleiter weist Vorwürfe von Eltern zurück

Beim zweiten Bürgerforum hat die BASF am Dienstag über Konsequenzen aus dem Explosionsunglück informiert.

Das dunkel gekleidete Ehepaar sitzt auf zwei Stühlen am Rande einer der mittleren Sitzreihen im Konferenzzentrum D 105. Mit versteinerter Miene verfolgen die beiden die Ausführungen von Werksleiter Uwe Liebelt zum Unglück. Er berichtet auf der hellen modernen Bühne, dass die von der Gewerbeaufsicht beauftragten Tüv-Gutachter keinerlei Versäumnisse oder Mängel bei der BASF festgestellt hätten, die zu dem Unfall führten, bei dem am 17. Oktober drei Feuerwehrleute und ein Matrose ums Leben kamen. Gut 30 Minuten referiert der Diplom-Ingenieur über das Unglück vor einer riesigen Leinwand, über die seine Kernaussagen flimmern. Die Botschaft ist eindeutig: Alle Gutachten entlasten die BASF – den Chemiekonzern trifft keine Schuld. Liebelt kündigt eine Verschärfung der Sicherheitsauflagen für künftige Arbeiten an Rohrleitungen an. So soll die Kennzeichnung von Pipelines verbessert werden, um zu verhindern, dass die Leitungen bei Arbeiten verwechselt werden. Dies war laut Staatsanwaltschaft dem Mitarbeiter einer Fremdfirma passiert, der mit einem Winkelschleifer eine gefüllte statt eine leere Pipeline im Nordhafen angeschnitten und so die Katastrophe ausgelöst haben soll. Außerdem will die BASF bei Schneidearbeiten nur noch funkenarme Werkzeuge zulassen. Um bei einem Brand die Explosion einer Pipeline zu verhindern, sollen Rohre künftig mit einer feuerbeständigen Beschichtung isoliert werden. Liebelt beendet seinen Vortrag. Der Ludwigshafener Feuerwehrdezernent Dieter Feid (SPD) berichtet von der anstehenden Installation von Hochleistungssirenen an der Werksgrenze, Umweltdezernent Klaus Dillinger (CDU) von den Untersuchungen, die nur im Rohrgraben am Unglücksort Schadstoffbelastungen aufgezeigt haben. Das Erdreich sei fachgerecht entsorgt worden, die Grundwasseruntersuchung laufe noch. Das Publikum wird schließlich von einem Moderator aufgefordert, Fragen zu stellen. Vier Besucher wollen Details zu Löschvorgängen und dem Brandschutz an der Unglücksstelle wissen. Dann meldet sich der Mann in schwarzer Hose und dunkelgrau-kariertem Hemd aus der mittleren Reihe zu Wort. Er ist der Vater eines der bei dem Unglück ums Leben gekommenen Feuerwehrmanns, was zu diesem Zeitpunkt kaum jemand im Saal weiß. Er kritisiert, dass der Mann mit dem Winkelschleifer ein Leiharbeiter der Fremdfirma gewesen sei und aus Osteuropa stamme. „Haben Sie das gewusst?“, fragt er Liebelt. Doch seine Frage wird vom Moderator erst einmal nicht an den Werksleiter weitergegeben. Stattdessen folgt ein Themenwechsel. Nun geht’s um Zukunftsthemen im Stammwerk. Dessen Chef Liebelt spricht über „Industrie 4.0“ – also Digitalisierungsprojekte. „Das Werk Ludwigshafen ist Vorreiter bei der Digitalisierung in der gesamten chemischen Industrie“, sagt Liebelt. Und der 50-Jährige legt nach: „Wir sind Weltspitze.“ Es folgt die nächste Fragerunde, bei der von verschiedenen Besuchern an die Pannenserie bei der TDI-Anlage erinnert wird. Das Ehepaar in der mittleren Sitzreihe wird unruhig, will seine Frage nach dem Fremdarbeiter beantwortet haben. Liebelt entgegnet, dass die beiden Arbeiter an der Pipeline seit sieben beziehungsweise zehn Jahren im BASF-Werk beschäftigt gewesen seien und perfekt Deutsch sprächen. Nicht die Arbeitsverträge seien entscheidend, sondern ob die Männer qualifiziert waren. „Ja, das waren sie“, sagt Liebelt. Die Eltern des toten Feuerwehrmanns sind zornig. Hätten Aniliner am Rohr gearbeitet, wäre sein Sohn noch am Leben, meint der Vater. Er wird lauter. Der Moderator ruft ihn zur Mäßigung im Ton auf. Die Eltern stehen auf und verlassen erbost den Saal. Auf der Bühne wird auf den Vorfall zunächst nicht reagiert, es geht weiter im Programm. „Es ist nicht einfach, von einem tragischen Unglück zu Zukunftsthemen zu kommen“, meint schließlich BASF-Vorstandsmitglied Margret Suckale, die mit Oberbürgermeisterin Eva Lohse (CDU) über das Thema „Ludwigshafen als Vorbild für das Zusammenleben von Bürgern und Industrie“ spricht. Dann soll das Publikum Rückmeldung zum „Bürgerdialog“ geben. Die Inforeihe soll fortgesetzt werden, lautet der allgemeine Tenor auf der Bühne und im Saal. Eine Frau aus Edigheim meldet sich: „Ich hätte mir mehr Empathie für die Eltern des toten Feuerwehrmanns gewünscht.“ Suckale versichert, dass die BASF Mitgefühl für die Hinterbliebenen habe und sich mit dem Paar in Verbindung setzen werde. OB Lohse regt eine dritte Veranstaltung an, wenn die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft beendet sind. „Die Menschen wollen die Geschehnisse aufarbeiten, wollen die Ursache wissen – man braucht eine Antwort.“ Ein Mann sagt im Foyer nach der zweieinhalbstündigen Veranstaltung: „Das war ein ziemlicher Gegensatz: zuerst das Unglück, dann Industrie 4.0. Dann sind noch die Eltern eines toten Feuerwehrmanns im Raum – für mich ein schwer zu ertragender Gegensatz.“ So sieht das auch der Oppauer Ortsvorsteher Udo Scheuermann (SPD): „Den Dialog finde ich gut. Ich hätte aber die Themen getrennt und nicht an einem Abend behandelt. Aber man kann ja daraus lernen.“

x