Ludwigshafen Geschätzt, aber nicht geliebt

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„Wir sind Papst“ – diese Schlagzeile hat am Sonntag vor zehn Jahren ganz Deutschland elektrisiert. Am 19. April 2005 hat die Amtszeit von Joseph Ratzinger als Benedikt XVI. begonnen. Der seit gestern 88-Jährige ist am 28. Februar 2013 als Kirchenoberhaupt zurückgetreten ist. Engagierte Katholiken aus Stadt und Umland erinnern sich, loben und tadeln.

Der 19. April 2005 ist Meißner noch gut in Erinnerung, weil er auf dem Weg zu einem Vorbereitungstreffen einen Autounfall hatte. An dem Treffen konnte er trotzdem teilnehmen, dort wurde natürlich auch die Papstwahl im Fernsehen mitverfolgt. Noch heute weiß er nicht so recht, mit welchen Worten er seine Gefühle in dem Moment beschreiben soll, als das Ergebnis verkündet wurde. „Ich hatte einige Bedenken, der positivste Gedanke war, dass Benedikt ein guter Theologe ist“, erzählt Meißner. Das Pontifikat sei besser gelaufen als erwartet. Meißner hatte zunächst befürchtet, die Kirche würde mit Ratzinger an der Spitze viel konservativer werden. Tatsächlich habe sie unter Benedikt einige Wandlungen vollzogen. Ein Riesenschritt sei es beispielsweise gewesen, dass Benedikt vom Amt zurückgetreten ist, nachdem er erkannt habe, dass er nicht weiterkomme. Das hatte Meißner ihm nicht zugetraut. Er hatte die Nachricht zuerst für einen Scherz der Medien gehalten. „Benedikt hat gezeigt, dass er sich nicht den Traditionen beugt, so etwas wäre vorher nicht möglich gewesen. Nach 600 Jahren können Päpste nun zurücktreten, bevor sie sterben. Auch Papst Franziskus hat schon angedeutet, dass er nicht bis zu seinem Tod im Amt bleibt.“ Mit dem Nachfolger Benedikts habe die Kirche viel Glaubwürdigkeit zurückgewonnen, findet Meißner. Franziskus sage zwar nichts, was nicht auch schon Päpste vor ihm gesagt hätten, er sage es aber auf eine Art und Weise, die gehört werde. Eine etwas andere Sichtweise vertritt Georg Müller, der Pfarrer der Gemeinde Heilige Edith Stein (Nord). Bei der Wahl Ratzingers zum Papst sei er zwar überrascht gewesen, aber auch erfreut, weil er ihn bereits als Kardinal sehr geschätzt hatte. Müller hielt ihn für einen würdigen Nachfolger Johannes Pauls II., vor allem aber auch für einen guten Theologen. Das Pontifikat Benedikts sei wichtig gewesen, auch wenn es Dinge gab, die liegen geblieben seien. Aber das sei in jedem Amt so. Ein umstrittener Punkt während Benedikts Amtszeit sei die allgemeine Wiederzulassung der Messfeier im alten Ritus gewesen. „Für mich persönlich war das aber positiv.“ Denn auch Müller nutzt diese Möglichkeit und feiert Messen im alten Ritus. Dass Benedikt sein Amt abgegeben und damit zugegeben habe, dass seine Kräfte nicht mehr reichen, hält Müller für eine mutige Entscheidung. Dieser Schritt könne beispielhaft dafür stehen, wie man auch außerhalb der Kirche mit Ämtern umgeht. Ein Vergleich mit Benedikts Nachfolger erscheint Müller schwierig: „Es sind zwei ganz unterschiedliche Typen, sie unterscheiden sich in der Art, wie sie mit den Menschen reden, welche Themen sie aufgreifen. Sie üben das Amt auf unterschiedliche Weise aus.“ Franziskus habe Schwierigkeiten mit dem Amt, da er noch nicht erkannt habe, dass er kein Privatleben mehr hat, erklärt Müller und betont nochmals, dass Benedikt ein wichtiger Papst war. Auch bei Alt-Dekan Gerd Babelotzky ist die Papstwahl vor zehn Jahren haften geblieben, sie fiel nämlich auf seinen 64. Geburtstag. Dem Ergebnis stand er mit gemischten Gefühlen gegenüber. Einerseits wusste er, dass Benedikt XVI. ein großer Theologe ist, der sich im Vatikan gut auskennt. Andererseits hatte Babelotzky Befürchtungen wegen der konservativen Einstellung des neuen Papstes. Das Pontifikat entsprach nicht seinen Erwartungen, Benedikt sei in der Kommunikation sehr zurückhaltend gewesen, sein populärer Vorgänger sei offener auf die Menschen zugegangen. Auch von der Ökumene hatte sich Babelotzky mehr erhofft. Allerdings erzählt er auch, dass er die Schriften Benedikts XVI. sehr geschätzt hat, vor allem seine erste Enzyklika „Über die Liebe“ sowie die drei Bände über Jesus von Nazareth. Den Rücktritt des Papstes hält auch Babelotzky für einen mutigen Schritt, vor dem er großen Respekt habe. „Nicht jeder steigt von einem Besitzamt runter, die meisten klammern sich an ihre Ämter“, sagt der inzwischen in Maikammer lebende Alt-Dekan. Benedikts Nachfolger sei ganz anders, was von Babelotzky sehr geschätzt wird. Franziskus werde für das bewundert, was er vorlebe. Er trage sein Herz auf der Zunge, was durchaus positiv sei. „Die Leute spüren, dass er auf ihrer Seite ist“, bilanziert Babelotzky. Als Kardinal Ratzinger zum Papst gewählt wurde, hielt sich Johann Spermann vom Heinrich-Pesch-Haus in Würzburg auf. Während einer Arbeitsbesprechung wurde der Fernseher eingeschaltet und die Verkündung verfolgt. Als der neue Papst feststand, war Spermann überrascht. „Ich kenne Ratzinger schon seit Kindertagen, wir sind im selben Ort aufgewachsen“, erzählt er. An Benedikt schätzt Spermann, dass er viel an der Doktrin gearbeitet hat. So habe er jedes Jahr eine Enzyklika verfasst. Seine Abdankung war für Spermann ein „großartiges Zeichen, das dazu geführt hat, das Amt menschlicher zu machen“. Andere Päpste sollten diesem Beispiel folgen. Der amtierende Papst erinnert Spermann an den jungen Johannes Paul II. Auch Franziskus wolle die Kirche vorantreiben und gehe sehr dynamisch ans Werk. Zwischen Benedikt und Franziskus sieht Spermann eine Kontinuität, auch wenn sie unterschiedlich wahrgenommen werden. „Es ist gut, dass jeder Papst eine eigene Vision hat“, meint er. Kraus ist Student der Sozialen Arbeit und absolviert seine Praxisphasen beim Bund der Katholischen Jugend (BDKJ). Er erinnert sich gut an die Wahl des deutschen Papstes. „Ich war zwar erst in der Grundschule, aber wir hatten einen Jungen namens Benedikt in der Klasse, den haben wir dann ,Papst’ genannt“, erzählt er. Den richtigen Papst Benedikt fand Kraus zu konservativ, sein Nachfolger ist ihm sympathischer. „Franziskus ist besser fürs Amt geeignet, er ist nicht so sehr auf Prunk aus, versucht alte Strukturen aufzubrechen und neue Wege zu finden“, sagt Kraus. (sao/Fotos: Archiv/privat)

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