Neustadt Frauenhaus länger belegt - keine Neuaufnahmen möglich

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Das Neustadter Frauenhaus hat ein Problem: Frauen, die Hilfe brauchen, kann nicht mehr geholfen werden. Weil die Einrichtung voll belegt ist, und das nicht kurzzeitig, sondern über viele Monate hinweg. Denn die Bewohnerinnen finden keine neues Zuhause.

„Wir können keinen Mut mehr machen, da wir selbst keinen Mut mehr haben“: Wenn jemand wie Ingrid Homeier-Morell das sagt, muss es schon weit gekommen sein. Denn sie ist seit Jahrzehnten in der Frauenarbeit aktiv, hat schon viel erlebt. Die aktuelle Situation lässt die Leiterin des Neustadter Frauenhauses aber ratlos dastehen. „Unser Auftrag droht allmählich zu kippen, und das ist schon etwas schräg. Wir resignieren mit den Frauen.“ Konkret geht es um die Wohnsituation. In der Theorie verweilen Frauen, die mit oder ohne Kind Zuflucht im Frauenhaus suchen, dort einen guten Monat. Dann sind sie meist so weit stabilisiert, dass der Start ins neue Leben beginnen kann. In der Praxis aber zieht sich der Aufenthalt immer mehr hinaus, sechs Monate sind keine Seltenheit. Denn die Betroffenen finden keine neue Wohnung, der Markt ist leergefegt. Meist seien es Alleinerziehende, erläutert Homeier-Morell, für die es angesichts der knappen Kaltmiete, die das Neustadter Jobcenter gewähre, ohnehin schon kaum möglich sei, eine billige Wohnung zu finden. Erschwerend hinzu kommt nach ihrer jüngsten Erfahrung, dass potenzielle Vermieter nichts mit alleinerziehenden Frauen am Hut haben. Vor 35 Jahren sei das normal gewesen, solche Vorbehalte aber jetzt wieder hören zu müssen, hätte sie nie gedacht, ist Homeier-Morell fast etwas erstaunt. „Ich habe den Eindruck, dass alleinerziehend ein zusätzlicher Makel ist. Offenbar hat sich doch nichts geändert.“ Erschwert wird die Situation der betroffenen Frauen laut Homeier-Morell dadurch, dass das Jobcenter 2015 und 2016 das Wohngeld nicht erhöht habe, obwohl die Mieten indirekt gestiegen seien. Zudem werde selten flexibel reagiert. Beispiel: Werde tatsächlich mal eine Wohnung gefunden, allerdings zu einer Kaltmiete 30 Euro über dem Satz, werde das entweder abgelehnt oder an anderer Stelle gespart, Stichwort Möblierung oder Kaution. Dass die Frauen die 30 Euro selbst übernehmen, werde abgelehnt. „Einfach ein bisschen mehr Flexibilität wäre schön, zumal wir ein solches Vertrauen nie überstrapazieren würden“, wünscht sich Homeier-Morell. Indes kommt es in den wenigsten Fällen überhaupt so weit. „Es gibt ohnehin fast nichts mehr in diesem Preissegment“, sagt Homeier-Morell. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft (WBG) wisse um diese Not und versuche zu helfen. 2015 hätten über die WBG drei Frauen umziehen können. Aber auch die WBG-Warteliste sei ellenlang. Die Befürchtung des Frauenhaus-Teams: Dass Frauen, denen keine Zuflucht geboten werden kann, wieder vermehrt in ihre alte Situation zurückkehren oder – „noch schlimmer“ – es erst gar nicht versuchen, der Gewalt in ihrer Beziehung zu entfliehen. „Richter könnten zudem eher dazu neigen, getrenntes Wohnen in der früher gemeinsamen Wohnung anzuordnen“, sagt Ingrid Homeier-Morell. Sie erzählt von einem Fall, bei dem ein Ehemann wieder in die Wohnung zurückkehren durfte: „Der Richter sagte zu der betroffenen Frau, sie sei doch Pädagogin und könne daher sicher mit dieser Situation umgehen.“ Das konterkariere alles, was die Frauenarbeit erreicht habe. Mit seinem Problem steht das Neustadter Frauenhaus nicht allein da. Die Lage ist bundesweit ähnlich, weiß Homeier-Morell, mit der Flüchtlingssituation wurde sie zusätzlich verschärft. Das Frauenhaus will nicht die einen gegen die anderen ausspielen, aber: „Wir brauchen auch eine Lösung für unser Problem. Sonst wird der Schutz vor Gewalt wieder ein Thema.“ Derzeit bleibt ihr nicht viel mehr, als an potenzielle Vermieter zu appellieren, den betroffenen Frauen eine Chance zu geben und sich beim Neustadter Frauenhaus zu melden. Andere Städte würden auch Alleinerziehende mit alleinstehenden Senioren zusammenbringen, ein Art Mehrgenerationenwohnen – ob gemeinsam im Altenheim oder im Privathaus. „Gute Projekte, wenn dafür auch in Neustadt der Geist da wäre.“ Wenig Hoffnung kann Bürgermeister und Sozialdezernent Ingo Röthlingshöfer (CDU) machen. Sozialamt, WBG und Frauenhaus stünden im engen Kontakt, doch selbst wenn in einem Einzelfall geholfen werden könne, ändere das nichts an der Gesamtlage. Und alle Projekte, die im sozialen Wohnungsbau geplant seien, seien ein Tropfen auf den heißen Stein. „Wir brauchen mehr Bau“, sagt Röthlingshöfer kurz und knapp. Denn dass Vermieter, die jetzt an die Stadt für Flüchtlinge vermieteten, später auch für alleinerziehende Grundsicherungsempfängerinnen offen wären, sei fraglich. Denn für diese trete nicht die Stadt als Mieter auf, schließlich seien die Betroffenen mündige Bürger. Röthlingshöfer zufolge wird in einer CDU-Arbeitsgruppe derzeit überlegt, einen politischen Vorstoß zu unternehmen, der zwei Dinge betrifft: eine Vorschrift, dass bei größeren Bauvorhaben ein gewisser Prozentsatz sozialem Wohnungsbau dienen soll und dass die Mietpreisbedingungen flexibler gestaltet werden sollen. Letzteres wird Homeier-Morell gern hören. (ahb)

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