Zweibrücken Flüchtlinge: „Mir fehlen diese Menschen“

Am 9. Oktober 2015, fast genau vor einem Jahr, brachten die ersten Busse Flüchtlinge in die Erstaufnahmeeinrichtung des DRK-Kreisverbandes im alten Flughafenterminal. Kurz danach eröffnete der ASB das Apparthotel als Aufnahmestätte für besonders Schutzbedürftige. Die Ankunft der Flüchtlinge löste eine Welle der Hilfsbereitschaft aus. Beide Einrichtungen sind längst wieder geschlossen. Die RHEINPFALZ war auf Spurensuche.

Bis zum Beginn dieses Monats wurden der Stadt Zweibrücken 348 Asylbewerber zugewiesen. Diese Zahl beziffert, wie viele Menschen derzeit durch verschiedene Bereiche der Stadtverwaltung betreut werden. Darunter sind Flüchtlinge, die zuletzt noch auf dem Flughafen untergebracht waren, aber auch Menschen, die der Stadt zugeteilt wurden und zuvor in anderen Aufnahmeeinrichtungen lebten. So viele Geflüchtete wie noch in den Wintermonaten trifft man nicht mehr auf den öffentlichen Plätzen in Zweibrücken. „Das ist mir auch schon aufgefallen, wenn ich durch die Fußgängerzone laufe“, sagt Mario Sauder, der Vorsitzende des Zweibrücker Kreisverbandes des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Zeitweise lebten rund 800 Flüchtlinge auf dem Flughafengelände. Wie sein Kollege Tassilo Wilhelm vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) war auch Sauder davon ausgegangen, dass die DRK-Einrichtung auf dem Flughafengelände zwei Jahre betrieben werden würde. An die 19 Leute hatte Sauder zusätzlich eingestellt, um die Unterkunft zu betreuen. Genauso plötzlich, wie es galt, die Einrichtung zu eröffnen, hat das Land die Erstaufnahmeeinrichtung im Sommer aber wieder geschlossen (wir berichteten mehrfach). Nach etwas mehr als einem halben Jahr standen viele der zusätzlich Eingestellten unvermittelt vor einer unsicheren Zukunft. „Bis auf sechs Leute habe ich alle im Kreisverband oder anderswo unterbringen können. Was mit den Restlichen geschehen wird, das liegt mir auf der Seele“, gibt Sauder zu. Immerhin: „Gefühlstechnisch bin ich stolz auf das, was wir geleistet haben. Wir haben sehr gute Arbeit geleistet. Das haben uns die Flüchtlinge gesagt. Das haben uns Verantwortliche vom Land gesagt. In den eigenen Reihen ist ein riesiger Zusammenhalt entstanden.“ Die Arbeit mit Flüchtlingen ist für das Rote Kreuz aber nicht ganz beendet. In der 22er Straße gibt es eine Migrationsberatungsstelle, in der 160 Asylbewerber und Migranten betreut werden. Auf dem ehemaligen Flughafen gelten die Containerhäuser indes als Mahnmal einer Zeit, in der Spuren der Kriege im arabischen Raum in die Rosenstadt kamen. Das Containerdorf wurde Ende April bezogen − zu einem Zeitpunkt, als bereits klar war, dass die Erstaufnahmeeinrichtung bald schließen wird. Nach wie vor will wohl niemand dem Land die Häuser abkaufen. Auf dem Grundstück ziehen täglich Wachleute Kreise um diese Leere. Auch das frühere Hotel Europa, das von November 2015 bis Ende Juni als Erstunterkunft für besonders Schutzwürdige – Familien, Frauen und Kinder – diente, steht unter Objektschutz. Das Mobiliar und die technische Ausstattung dort werden zurückgebaut. 400 Betten, die für die Flüchtlinge gekauft wurden, suchen neue Besitzer. Hier bemüht sich das Land wohl ähnlich erfolglos wie um neue Besitzer für die Minihäuser. Tassilo Wilhelm zeigt die Betten, die fein säuberlich auseinandergebaut im einstigen Speiseraum herumstehen. Wie das Rote Kreuz hat Wilhelm auch für den ASB wegen der Flüchtlinge zusätzliche Leute eingestellt. „Das waren 13, die teilweise in Neubeschäftigung sind, die teilweise selbstständig neue Arbeit gefunden haben. Einige sind noch bei uns. Deren Verträge laufen aber Ende Oktober oder zum 31. Dezember aus.“ Wilhelm hadert mit der unerwarteten Schließung: „Man fühlt sich schon ein wenig zurückgesetzt. Wir hatten damals 14 Tage Zeit, um das Hotel für die Flüchtlinge vorzubereiten. Es war uns klar, dass wir das hier nicht ewig machen würden. Aber wir sind davon ausgegangen, dass unsere Arbeit auf zwei Jahre ausgelegt ist.“ Das Land hatte zunächst erklärt, die Einrichtung bleibe bis Oktober 2017. Esther Wack muss sich um ihre Beschäftigung indes keine Sorgen machen. Sie war vor der Ankunft der Flüchtlinge Hauswirtschafterin des ASB. Sie wird es bleiben. Die Arbeit im Hotel hat bei ihr unvergessliche Spuren hinterlassen. „Das war der tollste Job meines Lebens. Weil alle meine Fähigkeiten gefordert waren. Mir fehlen diese Menschen. Ich habe tolle Kollegen gehabt. Ich vermisse die Liebe, die mir hier begegnet ist. Die meisten Menschen, die hier angekommen sind, waren erstmals seit ihrer Flucht in Sicherheit. Es war ein Geben und Nehmen. Ich habe so etwas noch nie erlebt. Liebend gerne würde ich so etwas wieder machen.“ Manchmal begegnet Esther Wack einigen Menschen wieder, die sie im Apparthotel kennengelernt hat. „Auch in Pirmasens oder Rodalben. Dann gibt es ein großes Hallo“, erzählt sie. Etwas abseits vom Apparthotel steht ein Glaskasten, der wie ein Großraumbüro aussieht. 18 Arbeitsplätze gibt es in der Einheit, die als Com-Box bezeichnet wird. Gesponsert wurde sie von den Unternehmen 1 & 1 und Unitymedia. „An den Arbeitsplätzen konnten Flüchtlinge Deutsch lernen. Ich hatte darum gebeten, die Com-Box zu uns zu schicken, weil wir davon ausgegangen sind, dass das Hotel zwei Jahre offen bleibt. Sie wird wohl bald abgeholt und anderswo hingebracht“, sagt Wilhelm. Durch den Weggang der Flüchtlinge ist nicht nur in den Erstaufnmahmeeinrichtungen eine große Leere entstanden.

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