Rheinpfalz Erzenhausenerin betreibt Notstation für Meerschweinchen

Bald sitzen sie wieder als lebende Geschenke unterm Weihnachtsbaum. Nicht mehr gemocht, vernachlässigt und krank landen viele von ihnen bei Stephanie Jaworski. Die Erzenhausenerin betreibt eine Notstation für Meerschweinchen.

uiek, quiiek, quiiiek! Keks, Toffi, Tante Emma, Elvis und über 20 weitere Fellbüschel setzten sich in Bewegung. Wo eben noch gebrummelt, gepurrt und gemurmelt wurde, herrscht große Aufregung. Fressen! „Gleich fertig, gleich fertig“, versucht die blonde Frau mit Pferdeschwanz und Jogginganzug die Nagerschar zu beruhigen, während sie auf einer großen Schale flink Gurken, Karotten, Paprika und Äpfel klein schneidet. Dann wuppt sie den Berg an Grünzeug in das Holzgehege. „Alles hier rüber, Leute kommt rüber.“ Schon haben sich die hungrigen Mäulchen auf die Schüssel gestürzt. Wenn es ein Paradies für Meerschweinchen gibt, liegt es in Erzenhausen. Seit vier Jahren betreibt Stephanie Jaworski hier eine Notstation für Meerschweinchen, die nicht mehr erwünscht waren oder gar ausgesetzt wurden. Fast jedes der Notschweinchen kam krank und verwahrlost zu ihr. Wie Blitz, der als Schlangenfutter enden sollte, oder Boris, der mehrere Not-Operationen hinter sich hat. Stephanie päppelt sie mit Herzblut wieder auf. Damit es im Stall nicht zu voll wird, vermittelt sie ihre Schweinchen nach einer Quarantänezeit an verantwortungsbewusste Tierfreunde. Ein Schutzvertrag soll sicherstellen, dass es den Tieren bei ihren neuen Gurkenspendern auch gut geht. Der Kontakt zu Stephanie Jaworski war schnell hergestellt – betreibt sie doch eine eigene Internetseite samt Kontaktformular. Schwieriger war es, sie von einem Treffen zu überzeugen, um über sie zu berichten. Zu unbedeutend schien ihr das eigene Tun. Dann doch die Zusage: Aber nur der Tiere wegen, um die Leute aufzuklären, begründet die 35-Jährige ihre Entscheidung. Ein paar Tage später vor der Eingangstür der Jaworskis. Hier wohnt Stephanie mit ihrem Mann Timo und den beiden Kindern. Ein metallenes Schild zeigt dem Besucher, um wen sich in diesem Haus alles dreht: „Ich wohne hier. Du nicht“, steht unter einen ulkigen Meerschwein-Kopf. Stephanie führt uns bereitwillig hinters Haus, vorbei an dem umgebauten Gartenhäuschen mit Auslauf zur Wiese, das Schweinegehege im Sommer. Das hätte sie viel lieber gezeigt. Doch auch im Winterdomizil in einem Kellerraum bleibt den Tieren viel Platz zum Herumwuseln. Ein großes Gehege aus Holz läuft einmal um den Raum herum. Gut 15 Meter lang und fast einen Meter breit ist der selbst gezimmerte Schweinepalast. Vor allzu neugierigen Zweibeinern bieten Holzhäuschen mit runden Fensterchen Privatsphäre. „Ich kann nicht gerade sägen“, erklärt Stephanie Jaworski in der ihr eigenen Bescheidenheit. In einer Ecke surrt ein Lüfter. Dennoch riecht es unzweifelhaft nach Heu, nach Streu und ja: auch nach Meerschwein. „Na, ihr kleinen Stinker“, neckt ihre Besitzerin. Für den Besuch nimmt sie ein kleines Fellbüschel aus dem Käfig. Die Tiere sind scheu, lassen sich nur schwer fangen. Das ist Absicht: Sie sollen zuerst das Sozialverhalten in der Gruppe lernen. An ihre neuen Besitzer würden sie sich schnell genug gewöhnen, meint Jaworski. Nebenbei erzählt sie, dass oben, im warmen Wohnzimmer, noch weitere sieben Nager wohnen. Notfälle, kranke und schwache Tiere. Wie Boris, der auf einer Wärmeplatte döse und sich dank Spezialfutter und Extra-Zuwendung langsam erholt. Eine Einladung nach oben gibt es nicht. Als wolle Stephanie Jaworski nicht zu viel von sich preisgeben. Und doch lässt sie Tag für Tag auf ihrer Facebook-Seite fremde Menschen an ihrem Leben teilhaben. Was treibt sie an? Warum verzichtet sie freiwillig wegen der kleinen Schnuten, wie sie die Tiere nennt, auf den Sommerurlaub mit ihrer Familie? Fährt ein- bis zweimal pro Woche die 28 Kilometer bis nach Altenglan, zum Tierarzt ihres Vertrauens, um Böckchen zu kastrieren und kranke Schweinchen gesund zu machen? „Ich will einfach helfen. Ich ertrage es nicht, wenn die Tiere leiden“, sagt sie. Seit zwölf Jahren hält sie Meerschweinchen. Eine große Notstation wie ihre jetzige war nie geplant. Es kamen einfach nur immer mehr Tiere dazu, die sie nicht abweisen konnte. Stephanie Jaworskis Herz ist groß und längst hat sie auch ihren Mann und die Kinder mit ihrer Liebe für die kleinen Kerle angesteckt. Auch Aufklärung ist ihr wichtig. Denn viele halten Meerschweinchen aus Unwissenheit falsch. Eine ein Meter lange Plastikwanne aus der Zoohandlung reicht keineswegs für zwei Tiere, erläutert die Erzenhausenerin, die viele Seminare zu artgerechter Haltung besucht hat. Genauso falsch ist es, die Tiere mit Kaninchen zusammenzusetzen. Da könne man sie auch gleich alleine halten, meint sie. Empörung schwingt in ihrer Stimme mit. Denn so wenig sich die waschechten Südamerikaner mit unseren einheimischen Langohren verstehen, so wichtig ist ihnen die Gesellschaft ihrer Artgenossen. Auch wer sein Tier oft mit Obst füttert, tut ihm nicht gut. „Das sind für sie Süßigkeiten, daher nur zweimal die Woche geben.“ Apropos Fressen. Das Grünzeug auf der Schale ist nach 20 Minuten so gut wie weg. Nur ein paar Karottenstücke sind noch übrig. Auch Meerschweinchen sind wählerisch. Da widmet sich manches Tier lieber wieder dem Heu, das in Bergen aus den Futterraufen in Form von Mini-Heuwagen quillt. Das Heu karrte ein Bauer aus der Umgebung gleich ballenweise an. Stephanie Jaworskis Hobby ist nichts für nebenbei. Es ist ein Vollzeitjob, der morgens um sechs mit der ersten Fütterung beginnt und abends erst zu Ende ist, wenn alle Fragen, die sie über E-Mail und Facebook erreichen, beantwortet sind. Und davon bekommt Stephanie eine Menge. Denn längst hat sich ihre Expertise in Sachen Meerschwein herumgesprochen. Zuweilen ist ihr Hobby auch anstrengend. Zum Beispiel, wenn wieder einmal neue 24-Kilo-Packungen Einstreu nach Hause gehievt werden müssen. „Gut, dass wir einen Kombi haben“, meint Stephanie nur. Ach ja. Möhrchen und Gurken müssen natürlich auch bergeweise eingekauft werden. Aus dem Gehege ist lautes Knattern zu hören. Der blinde Blitz macht sich an Toffi heran. Mit wedelndem Popo versucht er die Dame zu beeindrucken. Brommseln nennt man das. Blöd nur: Blitz ist kastriert und Toffi will sowieso nichts von ihm wissen. In der Notstation werden aus allen neuankommenden Böckchen Kastraten, erst dann dürfen sie sich auf die Suche nach einem neuen Zuhause machen. Denn wer nicht aufpasst, hat statt zwei Schweinchen bald viele und die werden schlimmstenfalls wieder ausgesetzt. Ein Teufelskreis. 60 Euro lässt sich Stephanie Jaworski eine Kastration kosten. Es ist dunkel geworden. Die Hausherrin schaltet das Hauptlicht aus und den Lichterschlauch an. Der hängt wie Weihnachtsdeko an den Wänden. „Damit sie es nicht so abrupt dunkel haben.“ Eine fürsorgliche Schweinemama eben. Vor dem Haus hält ein Auto. Eine Frau steigt aus, stellt sich als Nicole vor. Sie kommt einen der Kastraten abholen. Wieder hat ein kleiner Kerl ein neues Zuhause gefunden.

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