Kaiserslautern Einzelhandelsverband: "Kaiserslautern nicht schlechtreden"

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INTERVIEW: Nachbarstädte, Outlet, Internet, Grüne Wiese: Geht es um die Konkurrenz, der der Kaiserslauterer Innenstadt-Handel ausgesetzt ist, fallen diese Stichworte. Julia Luttenberger unterhielt sich mit Thomas Scherer, dem Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbands Mittelrhein/Rheinhessen-Pfalz, darüber.

Herr Scherer, wie steht Kaiserslautern mit Blick auf die Nachbarstädte da?

Kaiserslautern ist ein Oberzentrum mit großem Einzugsgebiet. Die Stadt übernimmt Versorgungsfunktionen gegenüber dem Umland und befindet sich in Konkurrenz zu Ludwigshafen, Mannheim und Saarbrücken. Der Einzugsbereich erstreckt sich über Kirchheimbolanden, Kusel, Pirmasens und Homburg im Saarland sowie in Richtung Vorderpfalz über Grünstadt und Neustadt hinaus. Das heißt, in der Beziehung sind eher wir die Konkurrenz für die anderen Städte? So sieht es aus. Das vorhandene Sortiment stellt in der Angebotsvielfalt für Kaiserslautern einen großen Vorteil dar. Daher sollte man Kaiserslautern nicht schlechtreden. Andere Städte haben es deutlich schwerer. Konkurrenz zwischen den Städten hat es allerdings schon immer gegeben. Wie sieht es mit dem Online-Handel als Konkurrent aus? Grundsätzlich ist Online-Handel für stationären Handel eine Konkurrenz, weil die Vergleichbarkeit heute stärker gegeben ist. Wenn ein Kunde früher Preise vergleichen wollte, musste er durch viele Läden gehen. Heute schaut er im Internet. Dabei wird oft vergessen, dass der Preisvergleich im Internet nicht immer zielführend ist. Oft werden die Versandkosten vergessen oder der Umstand, dass man etwas zurückschicken muss, weil es nicht passt. Zudem gibt es mittlerweile Softwareprogramme, die je nach Gerät, mit dem der Kunde im Internet ist, andere Preise anzeigen. Welchen Vorteil hat der stationäre Handel gegenüber dem Online-Handel? Wenn es den Leuten lediglich um den Preis geht, wird es meist ein Onlineangebot geben, das günstiger sein wird als im stationären Geschäft. Wenn sie aber Beratung und Service wollen, gehen sie ins Geschäft. Dies ist eine Chance für den stationären Handel, seine Stärken auszuspielen. Manchmal kann Online-Handel aber auch eine Chance sein. Wie denn? Wenn man als Händler seine Nische gefunden hat, ist es relativ egal, wo man sitzt. Beispielsweise, wenn ein Händler sich auf bestimmte Waren spezialisiert hat. Das kann er über das Internet bekannt machen. Haben wir dafür ein Beispiel in Kaiserslautern? Wenn ich an das Thema große Moden denke, denke ich an Frau Menzner, die sich darauf spezialisiert hat. Bei Haushaltswaren denke ich an Pallmann, der mittlerweile ein Alleinstellungsmerkmal in der Region hat. Das sind alles Bereiche, die ihre Produktgruppe und damit ihre Kunden haben. Haben viele Händler ein Online-Angebot? Viele haben einen Online-Auftritt, sozusagen eine Visitenkarte, so dass sie im Netz gefunden werden können. Als Verband hatten wir Schulungen für Händler angeboten, um diesen einen leichten Einstieg zu ermöglichen. Der Kunde erwartet zumindest, die aktuelle Adresse, eine Telefonnummer, die E-Mail-Adresse und die Öffnungszeiten zu finden. Manche Händler haben einen Shop, den sie aber nicht immer über ihr eigenes Portal betreiben. So wird zum Beispiel Ebay als Plattform genutzt. Ein Online-Shop ist auch nicht ganz risikolos. In wie fern? Einen Internetshop zu betreiben, ist wie die Eröffnung einer Filiale zu sehen. Sie benötigen Personal, Ressourcen und Investitionen, ohne zu wissen, ob die Bemühungen zum Erfolg führen. Zudem besteht die Gefahr, abgemahnt zu werden. Andere Anbieter kontrollieren, ob der Händler alle rechtlichen Pflichtangaben vorgenommen hat. Wenn nicht, wird abgemahnt, was mit hohen Kosten verbunden sein kann. Wir setzen uns als Verband dafür ein, dass diese Praxis geändert wird. Die Regelungen sollen dem Verbraucherschutz dienen, aber kein Mittel sein, um andere Händler zur Kasse zu bitten. Ein Dauerbrenner für den Handel ist das Outlet-Zentrum Zweibrücken. Immer noch? Zweibrücken ist ein Thema und wird es auch bleiben. Nach dem Verkauf kann nicht ausgeschlossen werden, dass es wieder Überlegungen für eine Erweiterung gibt. Zudem bestehen Planungen, gegenüber dem Outlet ein Fachmarktcenter und ein großes Möbelhaus zu bauen, was noch mehr Publikum aus der Innenstadt abziehen könnte. Das große Problem beim Outlet sind die zusätzlichen Sonderöffnungszeiten sonntags, die außer dem Outlet keiner hat und die nur rechtswidriger Weise bestehen. Die Sonntagsöffnungszeiten wurden wegen des Flugbetriebes genehmigt, den es nicht mehr gibt. Wir haben diese Missstände schon vor der Landtagswahl angeprangert. Eine Änderung wurde abgelehnt, da die Westpfalz eine strukturschwache Region sei und man um die Arbeitsplätze Angst habe. Dagegen gibt es keine Handhabe? Nein. Die Leute, die dagegen klagen dürften – Kirchen, Gewerkschaften und die Mitarbeiter, die dort arbeiten –, machen es nicht. Sie haben Angst, dass Arbeitsplätze verloren gehen. Machen diese Sonntage so viel aus? Die zusätzlichen Sonntage mit Sonderaktionen haben eine Sogwirkung auf die Leute aus der Region. Sonntags wird um des Einkaufserlebnisses willen geshoppt, die Kunden wollen ein Erlebnis vor Ort und nicht im Internet einkaufen. Durch die Sonderöffnungszeiten werden sie vom normalen innerstädtischen Handel abgezogen. Sie können das Geld ja nicht zweimal ausgeben. Das Schuh-Outlet in Hauenstein hat ebenfalls verkaufsoffene Sonntage, die sich auf den innerstädtischen Handel negativ auswirken. Kommen wir zur Konkurrenz durch die Grüne Wiese. Wie sieht es da aus? Für die Innenstadt ist die Grüne Wiese allein wegen der meist kostenfreien Parkplätze immer Konkurrenz. Da die Kommunen Gelder benötigen, hat die Stadt Kaiserslautern das freie Samstagsparken abgeschafft, und die Parkraumbewirtschaftung wurde ausgedehnt. Das war für den Handel schwer. Die Leute gehen nicht mehr wie früher bummeln, sondern machen gezielte Erledigungen. Könnte die Stadt dem Handel helfen? Man muss sich als Stadt überlegen, was man will. Durch das „K in Lautern“ haben wir eine Konzentration auf die Fackelstraße. C&A wurde ins „K in Lautern“ verlagert, Strauss Innovation wird zumachen. Durch diese Veränderungen wird die Innenstadt immer stärker konzentriert, was das Parkproblem verschärft. Ein anderer Aspekt ist, was in die Leerstände folgt. Gibt es etwas qualitativ Hochwertiges, oder kommt es zu einem Down-Trading, welches letztlich der gesamten Stadt schadet. Geht der Handel, stirbt die Innenstadt? Wenn der Handel geht, ist es immer schlecht. Als Nachrücker folgt oft Gastronomie. Dies bedeutet meist mehr Lärm und damit ein anderes Klientel in der Wohngegend. Der Handel allein ist nicht die Innenstadt, aber ohne Handel wäre die Innenstadt nichts. In welche Richtung entwickelt sich Kaiserslautern? Die Entwicklung scheint im Moment etwas planlos. Nehmen Sie das Gewerbegebiet, da wurde keine klare Linie eingehalten. Am Anfang hieß es, der neue Bebauungsplan gebe vor, dass nur Geschäfte mit gleichem Sortiment bei einem Wechsel einziehen dürften: Wo Schuhe waren, wieder Schuhe und so weiter. Danach hat man sich auf vier Gruppen geeinigt. Nun kamen Decathlon und Woolworth ins Gewerbegebiet. Das mag vielleicht baurechtlich korrekt sein, die Frage ist aber, was man als Stadt will. Will ich jede Ansiedlung um jeden Preis, nur damit ich mein Gewerbesteuersäckel füllen kann? Oder sage ich auch mal nein, weil es nicht meiner Ausrichtung entspricht. Sofern ich eine Ausrichtung habe.

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