Ludwigshafen Eine Trümmerlandschaft wie im Krieg

Eine gewaltige Gasexplosion hat gestern um die Mittagszeit die Stadtteile Edigheim und Oppau erschüttert. Ein Arbeiter kommt ums Leben, es gibt zahlreiche Verletzte, viele Anwohner sind obdachlos. Die Ursache ist noch unklar. Ministerpräsidentin Malu Dreyer kommt zum Unglücksort und verspricht rasche Hilfe.

Am Bahnübergang zwischen Oppau und Edigheim sieht es aus, als ob eine Bombe eingeschlagen hätte. Ein über fünf Meter tiefer Krater mit einem Durchmesser von zehn Metern klafft auf einer Brachfläche zwischen dem Bahngleis und der Jakob-Scheller-Straße. Hier ist das Zentrum der Gasexplosion gewesen, die gestern um die Mittagszeit die beiden Stadtteile im Norden Ludwigshafens erschüttert hat. Unmittelbar neben dem Bahngleis zum BASF-Kombiverkehrsterminal verläuft unterirdisch eine 40 Zentimeter dicke Ferngasleitung, die Erdgas von Ludwigshafen nach Karlsruhe transportiert. In den Vortagen hat ein Kameraschlitten die Leitung von innen überprüft und ein Problem festgestellt, wie Feuerwehrchef Peter Friedrich berichtet. Deswegen hatte die Betreiberfirma Gascade, ein Gemeinschaftsunternehmen von BASF und dem russischen Konzern Gazprom, einen Bautrupp in Marsch gesetzt, um an der Leitung zu arbeiten. Die Arbeiter legten die Leitung frei und waren gestern dabei, mit einem Bagger Spundwände ins Erdreich zu rammen. Dabei ist es aus noch ungeklärter Ursache zur Explosion gekommen, bei der ein Bauarbeiter starb und drei weitere schwer verletzt wurden. Das unter 78 bar Druck durch die Leitung gepresste Erdgas entzündete sich. Eine 60 Meter hohe Stichflamme ragte in den Himmel. Die Hitze rund um die „Gasfackel“ ist enorm. Im Umkreis von 300 Metern geraten ein Wohnblock, eine Halle, ein Haus und das Lager eines Gesangvereins in Brand. Die Hitze lässt Autos ausbrennen oder verformt Kunststoffteile. Etwa 50 Häuser werden beschädigt. Rollläden und Fensterrahmen schmelzen, Glasscheiben haben Risse. Ein Supermarkt wird vom Personal geistesgegenwärtig evakuiert. Die Feuerwehr kühlt das Gebäude und kann es retten. Das „Blockhaus“ des Liederkranzes brennt aus. Die Baustelle gleicht einer Trümmerlandschaft im Krieg. Eine Wasserleitung ist geborsten, der Explosionskrater steht unter Wasser. Die Wasserversorgung in 200 Haushalten in der Edigheimer Straße ist vorübergehend unterbrochen. Eine Telekom-Leitung wurde zerstört, etwa 3000 Anschlüsse in Ludwigshafen, Frankenthal und Worms sind betroffen, bei denen es Ausfälle beim Telefon und im Internet gibt. Baufahrzeuge stehen ausgeglüht herum. Der 25 Tonnen schwere Bagger für die Spundwandarbeiten ist durch die Wucht der Explosion umgestürzt. Fünf Meter entfernt von der explodierten Gasleitung liegt eine Ölpipeline – randvoll mit Diesel. 180 Wehrleuten gelingt es, ein Übergreifen zu verhindern. Leitungen werden stillgelegt und geleert. Die Berufsfeuerwehren von Ludwigshafen, Mannheim und der BASF sowie Kollegen der Freiwilligen Wehr sind im Einsatz, über 100 Sanitäter der Rettungsdienste und bis zu 130 Polizisten vor Ort. „Durch die hervorragende Zusammenarbeit der Einsatzkräfte konnte Schlimmeres verhindert werden“, sagt Bürgermeister Wolfgang van Vliet (SPD). Er managt die Krise. Oberbürgermeisterin Eva Lohse (CDU) erfährt im Urlaub in Spanien von dem Unglück und fliegt am Abend nach Hause. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) ist am Nachmittag nach Ludwigshafen gekommen. Sie spricht den Angehörigen des Toten und der Verletzten sowie den geschädigten Anwohnern ihr Mitgefühl aus und kündigt Hilfe des Landes an. Dreyer fährt zur Unglücksstelle nach Oppau, wo im Bürgerhaus 60 Anwohner betreut werden, die teils unter Schock stehen. In Krankenhäusern haben sich bis zum Abend über 20 Verletzte gemeldet. Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) bietet die Hilfe der Nachbarstadt an. Bislang steht die Ursache für das Unglück nicht fest. „Wir müssen das erst noch untersuchen“, sagt Polizeipräsident Jürgen Schmitt. Laut Ortsvorsteher Udo Scheuermann (SPD) sind 26 Wohnungen unbewohnbar. Am schlimmsten betroffen ist die Jakob-Scheller-Straße. Die Obdachlosen werden in Hotels oder bei Freunden und Verwandten untergebracht, sagt Scheuermann. Der Bereich um die Unglücksstelle bleibt bis in die Nacht gesperrt. Der Busverkehr wird umgeleitet. Heute gehen die Ermittlungen weiter. Noch Fragen? - Infotelefon der Stadt: 0621/5708-6000
- Polizei-Hotline: 0621/963-1800
- Infos im Netz: www.ludwigshafen.de

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