Kaiserslautern Die Wissenschaft des Wartens

Warten an der Kasse im Supermarkt, Warten beim Anruf in der Telefonhotline, Warten im Stau auf der Autobahn: Warten nervt entsetzlich. Mit der Wissenschaft des Wartens – und wie man die lästigen Wartezeiten verkürzen kann – beschäftigte sich gestern die Themenreihe „Bürger schafft Wissen“ in der Fruchthalle.

Um es vorwegzunehmen: Warten musste beim Einlass in der Fruchthalle gestern niemand. Noch nicht einmal 100 Plätze waren besetzt. Dabei versprach der Abend ein interessantes Programm. Nach den drei Veranstaltungen der Reihe im vergangenen Jahr (Kaugummis auf Gehwegen, das Verkehrschaos am Löwenkreisel und Park-App) gibt es drei neue Themen, bei denen Bürger und Wissenschaftler über Lösungsansätze nachgedacht haben: Lautern organisiert – weniger Warten bei der Ausländerbehörde, Lautern macht mobil – Mobilität im Wandel und der Kampf mit den Buchstaben – Funktionaler Analphabetismus in Kaiserslautern. Gestern ging es um das Warten. Speziell in der Ausländerbehörde der Stadt. Professor Karl-Heinz Küfer und Michael Schröder vom Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik (ITWM) haben mit Hilfe eines städtischen Maßnahmenpakets und eines eigens auf die Behörde zugeschnittenen elektronischen Kalenders die Wartezeiten von etwa vier Monaten auf rund sechs Wochen reduziert. Wie es zuvor bei der Ausländerbehörde zugegangen sein mag, zeigte ein Sketch der Theatergruppe der TU. Da standen Ausländer in der Früh vor der Behörde und warteten, ein Kleinkind schrie, es fing an zu regnen, Thermoskannen wurden ausgepackt und schließlich gestritten, wer als erster an die Reihe kommt. Als dann die Damen vom Amt eintrafen, wurde es nicht viel besser. Das Telefon klingelte permanent auf dem Schreibtisch, es ging nur schleppend voran und die Wartenden bekamen die Krise. Die bekam am Ende auch die Sachbearbeiterin, die ohnmächtig wurde, und ihre Kollegin stieß hysterische Hilfeschreie ins Telefon. Die beiden Wissenschaftler des ITWM nahmen den Sketch zum Anlass, um ganz allgemein das Thema Warten aufzubereiten: Sie hoben die drei Grundprinzipien hervor: Fairness (wer zuerst kommt, wird zuerst bedient, Prognose (abschätzen, wie lange die Wartezeit dauert) und Gleichgewicht (die Frage, ob genügend Personal vorhanden ist, um die Nachfrage ausreichend zu bedienen). Und stellten die Frage nach dem besten Wartesystem. Drei Arten wurden in der mathematischen Modellrichtung untersucht. Variante A: die Kassen im Supermarkt, wo sich jeder anstellen kann, wo er will; Variante B: mehrere Kassen, wobei sich alle reihum von links nach rechts anstellen müssen; Variante C: die Einheitsschlange wie etwa bei der Post, wo man in einer Reihe steht und vortritt, wenn ein Schalter frei wird. Die Berechnung ergab, dass die Variante der Einheitsschlange das beste System ist, mit einer durchschnittlichen Wartezeit von 13,4 Sekunden und einer maximalen Wartezeit von 25,9 Sekunden, gefolgt vom Anstellen, wo man will (15,1 und 39,2 Sekunden) und der Variante B (16,1 und 40,5 Sekunden). Wer künftig im Supermarkt oder sonst wo lange warten muss, der kann sich beim ITWM eine Rote Karte für langes Warten abholen. Dort kann angekreuzt werden, wo es bei den drei Grundprinzipien hapert. Die in den Unternehmen für das Warten Verantwortlichen nähmen die Karten sicher gerne entgegen, meinte Küfer. (dür)

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