Rheinpfalz Die Pfalz senkt sich

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Die Pfalz sinkt, wie eine Neuvermessung Deutschlands zeigt: Die Kalmit ist drei Zentimeter niedriger geworden, Ruppertsecken, das höchste Dorf der Pfalz, liegt jetzt 1,5 Zentimeter tiefer und Berg, der Ort im südlichsten Zipfel des Kreises Germersheim, verlor vier Zentimeter. Die nun überholten Höhenangaben waren über 30 Jahre alt.

Koblenz/Ludwigshafen. „Wir haben in Rheinland-Pfalz eine regelrechte Kippung: Die Pfalz senkt sich und die Eifel steigt an“, sagt Gerhard Berg. Als Fachbereichsleiter „Raumbezug“ im Landesamt für Vermessung und Geoinformation in Koblenz hat Berg solche Veränderungen im Blick. Am deutlichsten sind sie am Rhein im Norden von Ludwigshafen ausgefallen: Das Gelände dort liegt jetzt 6,5 Zentimeter tiefer als dies bei den letzten Vermessungen zwischen 1980 und 1985 der Fall war. Die Eifel hat dagegen in diesem Zeitraum bis zu 4,4 Zentimeter an Höhe gewonnen. Dass Rheinland-Pfalz solchermaßen auf der Kippe steht, beunruhigt Berg nicht: „Es besteht keinerlei Gefahr.“ Die Erde und damit die Erdoberfläche sei permanent in Bewegung. Erdplatten verschieben sich; wo sie aufeinandertreffen, wirken gigantische Kräfte. Europa driftet beispielsweise pro Jahr um 2,5 Zentimeter nach Nordosten. Die Alpen heben sich jährlich um zwei Millimeter. Dazu kommen Eingriffe in die Erdoberfläche, für die der Mensch selbst sorgt: durch Straßenbau, Grundwasserabsenkungen oder den Abbau von Bodenschätzen. Koordinaten und Höhen veränderten sich ständig um kleine Beträge, sagt Berg. Deshalb müssten sie in bestimmten Abständen neu vermessen werden, um die Daten wieder mit der realen Erdoberfläche in Übereinstimmung zu bringen. Die Notwendigkeit solcher Korrekturen verdeutlicht Experte Berg so: Man könne dies durchaus vergleichen mit den regelmäßigen Schaltsekunden, mit denen die amtliche Zeit wieder mit der tatsächlichen Rotation in Übereinstimmung gebracht werde. Die Erde dreht sich minimal langsamer um sich selbst, als bei der Definition der Sekunde zugrunde gelegt wurde. Zuletzt war dies am 1. Juli 2015 mit einer Schaltsekunde ausgeglichen worden, die nächste Nachjustierung ist am 1. Januar 2017 terminiert. Zwischen 2006 und 2012 war Deutschland neu vermessen worden. Diese Daten wurden anschließend ausgewertet und aufbereitet. Nun ersetzen sie die alten Messwerte aus den Jahren 1980 bis 1985 und sind die Grundlage für das neue Höhensystem, dass offiziell seit 1. Dezember gilt. Weil die aktualisierten und hochgenauen Koordinaten für Lage und Höhe sowie Werte zum Schwerefeld der Erde im Zusammenhang betrachtet werden, sprechen die Experten vom „integrierten Raumbezug“. Mit diesem verbesserten Datennetzwerk sei Rheinland-Pfalz bestens für die Zukunft gerüstet, sagt Eric Schaefer, Abteilungsleiter im Mainzer Innenministerium und dort unter anderem für Vermessung und Geoinformation zuständig. Mit dem neuen Raumbezug ließen sich wichtige Rückschlüsse für zahlreiche Aufgabengebiete ziehen, beispielsweise für den Straßen- und Wasserbau, den Hochwasserschutz und die Fahrzeugnavigation. Und die neuen Daten decken auch die Veränderungen der Erdoberfläche auf – beispielsweise die Kippstellung in Rheinland-Pfalz. Gerhard Berg sieht dabei einen langfristigen Effekt: Die aktuellen Veränderungen im Bereich der Pfalz seien auch bereits aus einem Vergleich der Messungen von 1966 und 1985 zu erkennen. Das Landesvermessungsamt verfüge in seinen Archiven über Höhenmessdaten, die bis in der 1930-er Jahre zurückreichen: „Das ist ein regelrechter Schatz.“ Bei den Bewegungen der Erdoberfläche müsse man unterscheiden zwischen großräumigen und lokalen Ereignissen, sagt Berg. Bei den großflächigen Verschiebungen wie beispielsweise im Falle der Absenkung in der Pfalz verhielten sich größere Teile der Erdoberfläche nahezu gleichförmig. Von ihnen gingen keine negativen Auswirkungen für die Bevölkerung aus. Kritischer könnten lokale Bodenbewegungen sein, wie sie zuletzt 2014 in Landau zu beobachten waren. Dort hatte der Betrieb des Geothermiekraftwerks, das die Wärme aus heißem Wasser in 3000 Meter Tiefe gewinnt, zu Rissen und Hebungen im Boden sowie zu kleinen Erdbeben geführt. Bezugspunkt der Höhenmessungen in Deutschland ist im Prinzip der ehemalige Pegel in Amsterdam, der als Nullpunkt dient. Die Höhenmessung ist aber vom tatsächlichen Wasserstand des Meeres abgekoppelt. Ausschlaggebend ist der historische Wasserstand aus den Jahren 1683/84 in Amsterdam. In Deutschland liegt der Ausgangspunkt des Höhen-Messnetzes in Wallenhorst in Niedersachsen. Dort ist an der Neuen St.-Alexander-Kirche eine Messmarke angebracht. Sie liegt exakt 68 Meter über dem Nullniveau des historischen Amsterdamer Pegels. Dieser Orientierungspunkt ist in Deutschland inzwischen eingebettet in einen Rahmen von 72 Höhenfestpunkten, drei davon liegen in Rheinland-Pfalz: in der Eifel, im Hunsrück und in der Pfalz bei Hochspeyer. Die Auswertung der neuen Höhenmessdaten für ganz Deutschland zeigt, dass die Pfalz nicht die einzige Region ist, die leicht im Boden versinkt. Der Absenkungsbereich im Südwesten gehe weit über die Pfalz hinaus, sagt Berg. Fast ganz Baden-Württemberg sei betroffen und wahrscheinlich auch das Elsass.

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