Sport Die neue Selbstverständlichkeit

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Évian-les-Bains. Sich in den Dienst der Sache stellen: Das scheint das Prinzip zu sein, dem sich Nationalmannschaftsrückkehrer Mario Gomez (30) bei der EM-Titelmission in Frankreich verschrieben zu haben scheint.

Benedikt Höwedes ist für seine Sportlichkeit gelobt worden, als er nach dem dritten Spiel (1:0 gegen Nordirland) am Dienstag für seine Nichtberücksichtigung Verständnis zeigte. Doch dann müsste der Stürmer, der in den ersten Spielen beim Anpfiff auf der Bank gesessen hatte, noch mehr gefeiert werden. Klaglos hat der echte Neuner, dem der sogenannte falsche Neuner Mario Götze zweimal vorgezogen wurde, zugesehen. Und Götze tat sich zwei Spiele lang sehr schwer und hatte dann alles Pech der Welt, als beide im dritten EM-Spiel gemeinsam auf dem Platz standen. Immerhin ist der klassische Mittelstürmer Gomez mit der Empfehlung von 28 Toren und als Torschützenkönig angereist. Er hat Besiktas Istanbul zur türkischen Meisterschaft geschossen. Doch eine Torquote ist im Team des Weltmeisters nur eines von vielen Kriterien, die über Spielen und Nichtspielen entscheiden. Mario Gomez hat geduldig gewartet, bis er gefragt war – und dann auch sein Tor gemacht. Es reichte zum Sieg. „Wir haben unser Ziel erreicht, es ist noch nie einer in der Vorrunde Europameister geworden, und man kann nicht jedes Spiel 3:0 oder 4:0 gewinnen“, meinte der Angreifer, dessen Nationalmannschaftskarriere schon beendet schien, der sich aber mit aller Macht wieder zurück in den erlesenen Kreis gearbeitet hat. Unter seine unglückliche Zeit in Florenz hat er einen Schlussstrich gezogen und sich im Sommer 2015 in die Türkei verkaufen lassen. Der Neustart ist mehr als geglückt. Bei Besiktas konnte er die Rolle spielen, die er sich erträumt hatte. Und mit dem Erfolg hat sich bei ihm auch eine neue Selbstverständlichkeit eingestellt. „Ich sehe das Ganze und nicht mich“, hatte er vor dem Turnier erklärt. Vorbei die Zeiten, in denen er mit sich selbst und seinen Zweifeln beschäftigt war. Voller Selbstvertrauen ist er mit dem Team nach Frankreich gereist. Bundestrainer Joachim Löw hat im letzten Gruppenspiel umgestellt und andere Register gezogen als gegen die Ukraine (2:0) und Polen (0:0). Und so hat auch der Stürmer, der gegen Polen eingewechselt worden war, die Nationalhymne auf dem Platz mitsingen dürfen. „Es hat sich im Training angedeutet“, meinte Löw, in dem er Gomez mit gutem Zug zum Tor sah. Seine Aufgaben hat er erfüllt. Er sollte möglichst die Innenverteidiger binden, Chancen erarbeiten. Und nutzen. Das hat er zwar mit dem einen oder anderen blauen Fleck bezahlt. Aber das war für ihn nicht der Rede wert. „So wird halt gespielt auf der Insel. Für mich war wichtig, dagegenzuhalten, weil wir ein Team sind, das übers Spielerische kommt und ich die Rolle hatte, die zwei zu beschäftigen“, sagte er. Vielleicht ist das auch eine ganz gute Variante gegen die Slowakei in Lille, am Sonntag (18 Uhr) Gegner der deutschen Elf im Achtelfinale. Denn bei der 1:3-Testspielniederlage in Augsburg am 29. Mai gegen das Team um Neapel-Star Marek Hamsik war Gomez noch einer der Lichtblicke. Schon alleine deshalb, weil er den Treffer erzielte – die 1:0-Führung per Foulelfmeter zu Beginn der Partie, die nach dem Unwettereinbruch in er Pause in der zweiten Hälfte zu einer Wasserschlacht wurde. Klar ist: Je öfter Gomez, der das große Ganze sieht, die Chance bekommt, auch auf dem Platz aufs Ganze zu gehen, umso mehr kann er sich zeigen. Denn noch steht nicht fest, bei welchem Verein es für Gomez nach der EM weitergeht. EM-Magazin

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