Sport Die heilsamen Lehren des „Jogi“ Löw

91-85924784.jpg

Bordeaux. Niederlagen schmerzen, doch das Gute daran ist: Sie bringen einen weiter. Und so geht Bundestrainer Joachim Löw voller Selbstvertrauen ins EM-Viertelfinale heute (21 Uhr) in Bordeaux gegen Italien. Vergessen ist die Halbfinal-Niederlage von vor vier Jahren in Warschau nicht. Aber die offene Rechnung soll heute in Südfrankreich beglichen werden.

Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Die Löw-Elf will die erste deutsche Mannschaft sein, der es nach dem Gewinn einer Weltmeisterschaft gelingt, auch noch den EM-Titel draufzupacken. Ein zweites Ziel dürfte gewesen sein, den EM-Titelverteidiger zu entthronen. Den Job haben überraschend die Italiener in diesem Sommer übernommen. Und so bekommt die „Generation Kroos“ die wunderbare Gelegenheit zur Revanche gegen die „Azzurri“. Vor vier Jahren – am 28. Juni 2012 – hatte Mario Balotelli der deutschen Mannschaft im EM-Halbfinale im Spiel seines Lebens mit einem frühen Doppelpack im Alleingang den Zahn gezogen. 1:2 endete das Spiel. Individuelle Fehler waren nach Kroos’ Ansicht bei der EM in Polen und der Ukraine ausschlaggebend für das Turnier-Aus. Der heute als „Sechser“ gesetzte Star von Real Madrid ist damals in der Partie als Sicherheitsventil und Beschatter für Andrea Pirlo eingebaut worden. Der Schachzug ist nicht aufgegangen – es war das falsche Versteckspiel. „2012 hätten wir besser spielen können. In diesem Spiel wollten wir unsere eigenen Stärken und unsere eigenen Waffen auf den Platz bringen. Aber die Fehlerquote war einfach auch hoch in diesem Spiel“, sagte Löw beim Blick zurück. Beim Wiedersehen heute Abend will er erneut „auf unsere Stärken“ setzen. Und dabei spielt für ihn nur eine sehr untergeordnete Rolle, ob die Abwehr als Dreier- oder Viererkette aufläuft, auch wenn die Dreierkette im Testspiel gegen Italien am 29. März (4:1) ganz gut funktioniert hatte. „Die Italiener haben gewisse Automatismen, die gilt es einzudämmen. Das kann man zu Dritt oder zu Viert“, glaubt der 56-Jährige. Das verlorene EM-Halbfinale hat ihn aber weitergebracht, beteuert der Bundestrainer: „Jeder macht halt irgendwie Fehler. Ich hatte eine taktische Überlegung, Pirlo aus dem Spiel rauszunehmen und mich danach gerichtet. Im Nachhinein ist dieser Plan nicht aufgegangen. Solche Spiele passieren immer mal. An diesem Tag haben wir alle nicht die Leistung gebracht, die wir hätten bringen müssen. Ich glaube, im Nachhinein habe ich 2014 rekapituliert, überdacht, was da passiert ist. Und das hat mir in meiner persönlichen Entwicklung geholfen. Auch wenn es eine schmerzliche Niederlage war, es war für mich eine gute Lehre.“ Trotz allem war das Turnier 2012 ein Fortschritt für den Trainer, „denn das war das erste Mal, dass wir fußballerisch überzeugen konnten“. Die Ernte dafür ist zwei Jahre später in Brasilien eingefahren worden. Noch nie gegen Italien in einem Turnier gewonnen zu haben? Da kann keiner der Spieler etwas damit anfangen. Sie haben, wenn überhaupt, vor vier Jahren ein Spiel verloren – und wollen nun den Spieß rumdrehen. Was schwer genug wird, denn „Italien ist wie wir eine Turniermannschaft“, sagt Torhüter Manuel Neuer. Mario Gomez, der vom AC Florenz an Besiktas Istanbul ausgeliehene Stürmer, erklärte, dass er Italien „nach wie vor mag“ und eine tolle Zeit dort hatte. Heute aber „wünsche ich mir einfach nur, dass wir weiterkommen“. Keine Rolle wird nach Löws Einschätzung die Tatsache spielen, dass Deutschland die jüngste und Italien die älteste Mannschaft im Turnier am Start hat. „Die Italiener haben häufig auch eine sehr ökonomische Spielweise und sie hatten den ganz kleinen Vorteil, dass sie im dritten Spiel mehrere Spieler geschont haben“, meinte Löw. Gegen die Italiener, die heute auflaufen werden, lautet das alleroberste Gebot, Konter zu vermeiden. „Vielleicht wird es so sein, dass sie uns einfach einmal mehr Ballbesitz überlassen. Das machen sie manchmal bewusst. Es kann auch sein, dass die Italiener uns phasenweise früh pressen“, erklärte Löw, der sich wieder offen hält, auf wen er setzten wird. „Die Prinzipien bleiben natürlich die gleichen. Wir müssen gut angreifen und gute Lösungen nach vorne haben.“ Und auf alles vorbereitet sein. Und da dürfte Sami Khedira, der italienische Meister von Juventus Turin in der deutschen Elf, ein sehr guter Ratgeber für Löw gewesen sein. Der Bundestrainer mochte sich gestern Abend nach der Ankunft in Bordeaux aber nicht in die Karten schauen lassen. „Es wird Änderungen geben“, orakelte er. Also doch wieder mit Mario Götze ? Oder Bastian Schweinsteiger für Khedira? Oder mit Dreierkette ohne Jonas Hector und Schweinsteiger als Abfangjäger davor? So spielen sie Deutschland: Neuer (Bayern München) - Kimmich (Bayern München), Boateng (Bayern München), Hummels (Bayern München), Hector (1. FC Köln) - Khedira (Juventus Turin), Kroos (Real Madrid) - Müller (Bayern München, Özil (FC Arsenal), Draxler (VfL Wolfsburg) - Gomez (Besiktas Istanbul) Italien: Buffon (Juventus Turin) - Barzagli (Juventus Turin), Bonucci (Juventus Turin), Chiellini (Juventus Turin) - Florenzi (AS Rom), Sturaro (Juventus Turin), Parolo (Lazio Rom), Giaccherini (FC Bologna), De Sciglio (AC Mailand) - Pellè (FC Southampton), Eder (Inter Mailand) Schiedsrichter: Kassai (Ungarn)

91-85924785.jpg
x