Frankenthal Die Gesichter des Streiks

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Der Arbeitskampf der Erzieher und Sozialarbeiter könnte noch bis in den Juni hinein andauern. Die Streikenden sind entschlossen, ihre Forderungen durchzusetzen. Die Eltern schwanken zwischen Verständnis und der Hoffnung auf ein baldiges Ende. Die Stadt gerät zunehmend in organisatorische Nöte.

Im Streiklokal in der Pilgerstraße treffen sich Erzieher und Sozialarbeiter, planen Aktionen, überlegen, wie mehr Druck auf die kommunalen Arbeitgeber ausgeübt werden könnte. Das Problem: Der Frankenthaler Stadtvorstand sitzt nicht direkt mit am Verhandlungstisch. Die örtlichen Vertreter, so der Eindruck der Streikenden, hätten mehr Verständnis für die Eltern als für das Anliegen der Mitarbeiter im Erziehungs- und Sozialdienst. Die Erzieherin  Stefanie Karg, Erzieherin in der Kita Jean-Ganss-Straße, sagt, viele neue Aufgaben wie Kinder- und Jugendschutz, die Einschätzung bei Verdacht auf Gefährdung des Kindeswohls, die Betreuung der Kinder unter drei Jahren, vorschulische Bildung, Integration und Inklusion seien hinzugekommen. „Eine aktuelle Stellenbeschreibung, die unserem Berufsstand entspricht, gibt es nicht.“ Seit 1983 ist die 52-Jährige im Job, hat noch einige Jahre vor sich. Sie wünscht sich eine Aufwertung ihres Berufs, mehr Anerkennung. Immerhin dauere die Ausbildung fünf Jahre, vier Jahre Schule und ein Anerkennungsjahr. Der Wille, die Forderungen durchzusetzen, sei da. Noch stünden viele Eltern dem Anliegen auch positiv gegenüber, sagt Karg. Gefährlich sei der Faktor Zeit. Schließlich müssten auch die Streikenden finanzielle Einbußen hinnehmen. Der Sozialarbeiter Arno Schmidt, Sozialarbeiter im Kindertreff an der St. Ludwigskirche und in der Pestalozzi-Grundschule, beklagt die mangelnde Wertschätzung des Berufes. „Wir setzen uns für die Menschen ein, die keine Stimme haben.“ Seine Kollegen und er machten benachteiligte Kinder stärker, Erfolge seien hier eben wirtschaftlich schwer zu messen. Er kennt Kollegen, die gerne mitstreiken würden, es aber aus schlechtem Gewissen nicht tun, um andere nicht im Stich zu lassen. Als es wirtschaftlich nicht so lief, habe seine Berufsgruppe verzichten müssen: „Jetzt müssen wir was machen“, so Schmidt. Er hat selbst Kinder, ist vom Kita-Streik betroffen. Er wünscht sich mehr Solidarität von Arbeitgebern und von Kommunalpolitikern. Bisher sei noch keiner im Streiklokal gewesen. „Wir würden liebend gerne wieder arbeiten“, wünscht er sich eine Einigung – aber nicht um jeden Preis. Der Gewerkschafter Rüdiger Stein ist als DGB-Stadtverbands-Vorsitzender lokaler Ansprechpartner der Streikenden. Er hofft, mehr Beschäftigte für den Streik gewinnen zu können. „Der Druck im Kessel ist schon lange vorhanden“, begründet er den unbefristeten Ausstand. Bisher liege kein Angebot der Arbeitgeber vor. „Da müssen die Daumenschrauben angezogen werden. Die Stimmung dazu ist da.“ Stein hofft, dass die Eltern Verständnis aufbringen: „Nach dem Streik profitieren auch sie, wenn Erzieher und Sozialarbeiter wieder motivierter zur Arbeit gehen.“ Stein sieht bei den Arbeitgebern die Tendenz zum Aussitzen des Konfliktes. „Genug Geld ist da. Es muss nur richtig verteilt werden“, sagt Stein. Die Mutter Manuela Scherrmann hat Stress. Die Mutter der dreijährigen Hannah ist berufstätig, arbeitet als Versicherungskauffrau in Mannheim. Nun ist der Studernheimer Kindergarten zu. „Wir haben hier oft fliegenden Wechsel. Mein Mann Markus arbeitet Schicht in der BASF. Manchmal muss ich warten, bis er ausgeschlafen hat, dann bekommt er direkt das Kind. Meine Mutter musste schon direkt nach der Nachtschicht als Altenpflegerin, ohne zu schlafen, bei der Betreuung einspringen.“ Ihren Urlaub habe sie aufgebraucht, sagt Scherrmann. Das Zeitkonto ist im Minus. Hat sie trotzdem Verständnis für den Streik? „Jein“, sie sei hin- und hergerissen. Erst sei von drei Tagen Streik die Rede gewesen, dann von einer Woche, jetzt unbefristet. Dass die Erzieher besser bezahlt werden müssen, hinter dieser Forderung stehe sie. „Da wurde zu lange gespart.“ Dass die kommunalen Arbeitgeber erst nach eineinhalb Wochen Streik reagierten, das empfinde sie als Frechheit. Einen Notplatz in einer anderen Kita wolle sie nicht: „Das Kind braucht doch seine Zeit, bis es sich eingewöhnt.“ Der Vater Die Kinder von Familie Stramitzel aus Mörsch haben Notplätze im Kindergarten Ziegelhofweg bekommen. „Wir sind berufstätig. Wir brauchen die Unterstützung“, sagt Jörg Stramitzel. Er hat Verständnis für das Anliegen der Erzieherinnen: „Jeder muss schauen, wo er bleibt.“ Erzieher sollen ja nicht so viel verdienen, hat er gehört. Die Höhe der Forderungen kann Stramitzel ebenso verstehen. „In unserem Familien- und Freundeskreis beginnen aber die Ersten damit, zu rudern.“ Für die Kinder sei es nicht so angenehm. Aber Stramitzel meint, dass die Erzieher lieber jetzt richtig streiken sollen: „Damit dann in den nächsten zehn Jahren Ruhe ist.“ Termin Informationsabend für Eltern, deren Kinder städtische Kindertagesstätten besuchen, am Dienstag, 26. Mai, 18 Uhr, im Dathenushaus, Kanalstraße 6. Beigeordneter Andreas Schwarz und der Leiter des Bereiches für Familie, Jugend und Soziales, Torsten Bach, erläutern die Möglichkeiten der Verwaltung, auf den unbefristeten Kita-Streik zu reagieren.

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