Landau „Der Westen verlängert das Morden“

Ein temperamentvoller Skeptiker und ein optimistischer Praktiker im engagierten Diskurs: So charakterisierte Moderator Christoph Picker am Ende des „Landauer Akademiegesprächs“ den Dialog zum Thema „Frieden durch Demokratie?“ Rund 70 Interessierte hörten im Alten Kaufhaus die unterschiedlichen Standpunkte von Wolfgang Merkel, Wissenschaftsinstitut für Sozialforschung Berlin, und Tom Koenigs, menschenrechtspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Grüne.

Bei dem Thema kommt man offenbar um Immanuel Kant nicht herum. Siegmar Schmidt, Leiter des Frank-Loeb-Instituts, zitierte schon zur Begrüßung aus dessen Schrift „Zum ewigen Frieden“: Die Bereitschaft, Kriege zu führen, hänge von der Staatsform ab, meint Kant. Republiken seien friedfertiger und griffen andere Republiken nicht an. Die heutige Friedensforschung bestätige das. Könne man daraus schließen, dass Demokratieförderung die Lösung für Friedenssicherung sei?, fragte Schmidt. Wolfgang Merkel, laut Schmidt „einer der wichtigsten Demokratieforscher unserer Zeit“, wollte das so nicht bestätigen. Es sei unzutreffend, dass Demokratien weniger Kriege führten als Diktaturen. Insbesondere die USA hätten seit 45 immer wieder Angriffskriege begonnen. Bewaffnete Konflikte als Geburtshelfer von Demokratie? Die Demokratisierung Deutschlands und Japans nach dem Zweiten Weltkrieg scheine das zu beweisen. Es gebe aber auch spektakuläre Misserfolge wie etwa Somalia, Afghanistan und Syrien. Voraussetzung für das Gelingen sei ein funktionierendes Staatssystem. Dürfen Demokratien Demokratisierungskriege führen? Unter moralischen Aspekten nicht, meint Merkel. Hingegen sei eine humanitäre Intervention, um Massaker zu verhindern – wie im Kosovo – in seinen Augen zulässig. Entscheidend sei, dass die Macht, die interveniert hat, im Lande bleibe, bis der Grund für die Intervention entfallen sei. Das sei aber den Demokratien zu teuer. Skeptisch zeigte sich Merkel bei der Frage, ob demokratische Staaten die Demokratisierung von Diktaturen von außen unterstützen können: „Wir wissen es nicht.“ Entscheidend sei, zunächst rechtsstaatliche Strukturen in einem Land aufzubauen, bevor Wahlen stattfänden. Praktische Erfahrung beim Thema Demokratisierung brachte Tom Koenigs in die Diskussion ein. Er war UN-Sonderbeauftragter im Kosovo, in Guatemala und in Afghanistan. Die Frage, ob Demokratieförderung von außen möglich sei, beantwortete er mit einem klaren Ja. Natürlich seien in jedem Land unterschiedliche Voraussetzungen gegeben. Entscheidend sei aber in jedem Fall, die Zivilgesellschaft einzubeziehen. Neben der autokratischen Seite gebe es in allen Staaten Menschenrechtsaktivisten, sie gelte es zu stärken. Koenigs: „Frieden und Demokratie sind dynamische Begriffe. Es gibt keinen himmlischen Frieden. Aber auch in scheinbar hoffnungslosen Situationen können wir was machen, indem wir die richtigen Leute unterstützen.“ Internationale Organisationen spielten eine wichtige Rolle, weil sie die Isolierung von Ländern wie Afghanistan durchbrechen und als „Kristallisationspunkt nach außen“ dienen könnten. Im übrigen plädierte der Menschenrechtsbeauftragte, Bildung nach Afghanistan zu exportieren: „Das können wir.“ Wolfgang Merkel kritisierte in der abschließenden Fragerunde nachdrücklich, dass „wir hemmungslos Waffen nach Syrien schleusen“. Inzwischen würden 200.000 Opfer gezählt. „Der Westen lädt Schuld auf sich, indem er dieses Morden verlängert“, gab er zu bedenken. Die Landauer Akademiegespräche sind eine Veranstaltungsreihe des Frank-Loeb-Instituts, der Evangelischen Akademie der Pfalz und der Stadt Landau; in diesem Winter kommt die Friedensakademie Rheinland-Pfalz dazu.

x