Rheinpfalz Der Sprung in die Freiheit

Auf die Rehe im Pfälzerwald kommen aufregende Zeiten zu: Drei Luchse wurden am Samstag östlich von Waldleiningen ausgewildert. Sie haben die Wiederkäuer zum Fressen gern.

Luchse sind Individualisten. Das lässt sich am Samstagmittag bei Waldleiningen gut beobachten. Drei Transportkisten haben Mitarbeiter der Stiftung Natur und Umwelt (SNU) Rheinland-Pfalz gerade aus einem Kleintransporter geladen. Mal ist aus den auf einer Waldwiese abgestellten Boxen ein Rascheln zu hören, mal ein unleidliches Knurren. Dann werden nacheinander die Boxenschieber hochgezogen. Während die fünfjährige Luna erst mal abwartet, schießt Kaja (3) gleich wie Kai aus der Kiste los. Auch das Männchen Lucky (1) fackelt nicht lange. Während aber die beiden Damen mit wenigen eleganten Sprüngen im Wald verschwinden, präsentiert sich der Kuder am Boxenausgang selbstbewusst den Fotografen. Erst dann spurtet auch er entschlossen in die Freiheit. Das Trio, das seine Namen Grundschulkindern verdankt, wirkt erstaunlich munter. Dabei hat es einiges hinter sich: Am Freitag wurden die Pinselohren in ihrer slowakischen Quarantänestation erst eingefangen und tierärztlich untersucht, um dann in den Kisten eine elfstündige Autofahrt von den Karpaten in den Pfälzerwald durchzustehen. Kaum angekommen, kam Christine Zwerger zur Visite. Die Amtstierärztin bei der Kreisverwaltung Kaiserslautern vergewisserte sich, dass die Luchse die Reise unversehrt überstanden haben und dass es sich bei ihnen auch tatsächlich um die gegen Tollwut geimpften Tiere handelt. Bei dieser „Ausweiskontrolle“ hilft übrigens der unters Fell implantierte Chip. Warum der ganze Aufwand? Weil der Luchs zu den europäischen Wäldern dazu gehört, sagt die rheinland-pfälzische Umweltministerin Ulrike Höfken. Erst der Mensch habe diesen Jagdkonkurrenten vor zwei Jahrhunderten weitgehend ausgerottet. Die Kehrseite, so Höfken: Die Abwesenheit dieser vierbeinigen Räuber dürfte zu den hohen Wildbeständen in den Wäldern beigetragen haben. Das könnte sich ändern. Experten rechnen damit, dass ein Luchs im Pfälzerwald 50 bis 60 Rehe im Jahr vertilgt. Und bis zum Jahr 2020 sollen noch weitere 17 Pinselohren aus der Schweiz und der Slowakei hier ausgewildert werden. Gesamtkosten des Projektes inklusive wissenschaftlicher Begleitung: 2,75 Millionen Euro, von denen die Hälfte die Europäische Union schultert, Rheinland-Pfalz steuert 400.000 Euro bei. Das Projekt ist freilich nicht ohne Risiken: Der Straßenverkehr zählt zu den häufigsten Todesursachen von Luchsen. Auch werden die in den Pfälzerwald verpflanzten Tiere den genetischen Austausch mit benachbarten Vorkommen brauchen: „Die Verhinderung von Inzucht wird zum Maßstab des Erfolges werden“, sagt Ministerin Höfken. Die Vogesen sollen deshalb als Brücke zu den Luchsen im Schweizer Jura dienen. Als eine problematische Barriere gilt freilich die wenige Kilometer südlich der pfälzisch-elsässischen Grenze gelegene Zaberner Steige mit ihren diversen Verkehrsachsen. Die dort vorhandene Grünbrücke muss dringend verbessert werden, mahnt Holger Schindler, der Landesvorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Trotz allem: „Die große Akzeptanz in der Region“, die nicht zuletzt auch bei den Jägern zu beobachten sei, stimmt Höfken zuversichtlich. Über viele Jahre hinweg sei dieses „bundesweit einmalige Projekt“ mit Vertretern aus Jagd, Landwirtschaft und Naturschutz abgestimmt worden. Nachdem das letzte der drei Pinselohren im Gebüsch verschwunden ist, strahlt auch Stiftungs-Geschäftsführer Jochen Krebühl: „Ich bin erleichtert, dass alles so gut gelaufen ist.“

x