Kreis Südwestpfalz „Das ist erschreckend“

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Pirmasens

. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die völlig ohne Bewusstsein in das Pirmasenser Krankenhaus eingeliefert werden, steige in erschreckendem Maß, erzählt Hans-Georg Kläber, Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin im Pirmasenser Krankenhaus, anlässlich einer Informationsveranstaltung für Berufsfachschüler. Die Zuhörer sind normalerweise eine recht lebhafte Truppe, bei dem Vortrag von Kläber jedoch sind sie mucksmäuschenstill, so eindrucksvoll sind die Bilder und Schilderungen des Chefarztes aus seiner Praxis. Insgesamt gehe der Alkoholkonsum und damit auch die Zahl volltrunkener Jugendlicher zurück – im Bundesdurchschnitt. In Pirmasens muss der Mediziner jedoch einen anderen Trend beobachten. „Bei uns werden es mehr.“ Und auch die Zahl der Wiederholungstäter steige. Kläber räumt bei der Veranstaltung für die Berufsschüler mit der weit verbreiteten Meinung auf, dass es nur einzelne Ausrutscher seien, wenn betrunkene Jugendliche bewusstlos vom Notarzt geholt werden müssen. „Das Problem bei Jugendlichen heute ist, dass die mit dem Ziel zu einer Veranstaltung gehen, sich heute mal so richtig volllaufen zu lassen“, so die Beobachtung des Mediziners. Während früher mal versehentlich über die Stränge geschlagen wurde, werde heute gezielt der Vollsuff am Wochenende gesucht. Als Beleg nimmt Kläber die Zahlen der im Krankenhaus eingelieferten Zwölf- bis 17-Jährigen, die wegen ihres Alkoholkonsums stationär aufgenommen werden mussten. Die liegen schon lange sehr hoch. 2008 waren es 36 2011 wurde mit 41 volltrunkenen Jugendlichen ein vorläufiger Rekord erreicht. Bis zum vergangenen Jahr sank die Zahl auf 30 betrunkene Kinder und Jugendliche. Im laufenden Jahr rechnet Kläber wieder mit einem Anstieg. Es seien nicht allein die schon älteren Jugendlichen. Im vergangenen Jahr beispielsweise seien neun 15- und 16-Jährige mit Alkoholvergiftung eingeliefert worden. Fünfmal erwischte es aber auch 14-Jährige. Und in früheren Jahren mussten Kläber und sein Team auch schon mal zwei Zwölfjährige in einem Jahr behandeln, die sehr tief in die Gläser geschaut hatten. Der Chefarzt räumte auch mit dem Vorurteil auf, dass die betrunkene Jugend nur in sozial schwächeren Schichten zu finden sei. Bei den im Krankenhaus aufgenommenen Patienten mit zu viel Promille würden sich auch Kinder aus gut situierten Familien finden und eben nicht nur aus sozialen Brennpunkten. „Das ist keine Frage des sozialen Status.“ Wieso ausgerechnet in Pirmasens der Alkoholkonsum unter der Jugend zunimmt, kann sich Kläber nicht erklären. Die Folgen der Sauferei beschränkten sich nicht auf den Tag danach mit dickem Kopf. Schwere medizinische Komplikationen könnten die Folge sein, warnt Kläber und nennt tödliches Atemversagen, die Gefahr an Erbrochenem zu ersticken oder ganz banal im Urinal zu ertrinken. Das sei ganz real. Dazu komme eine Zunahme krimineller Delikte zum Nachteil der Betrunkenen. Fälle von sexuellem Missbrauch an beinahe bewusstlosen Jugendlichen und Diebstahl seien nicht selten. Eltern müssten früh gegensteuern, die Jugendlichen sollten in ihrem Umfeld auf Freunde besser achten. Die Krankheit Alkoholismus beginne schon sehr früh. Mediziner werten laut Kläber als regelmäßigen Trinker schon Jugendliche, die pro Monat mindestens fünf alkoholische Getränke zu sich nehmen. Und das sei inzwischen bundesweit jeder fünfte Minderjährige. (kka)

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