Rheinpfalz Das Ich aus Blech

Herr Hossiep, mir ist es gleich, was ich für ein Auto fahre. Hauptsache, es fährt. Und fährt. Und fährt.

Das glaube ich Ihnen nicht. Wieso nicht? Weil die Entscheidung für eine bestimmte Automarke emotional sehr stark aufgeladen ist. Damit bringt man immer etwas zum Ausdruck. Auch wenn man kein Fahrzeug fährt, mit dem man auffallen will, ist das eine Aussage, eben die, dass man diesen oder jenen Trend nicht mitmacht, dass man keinen Nobelschlitten nötig hat etwa. Dacia wirbt sogar mit dieser Attitüde, ein Auto zu sein für die, die kein Statussymbol brauchen. Egal, was man fährt, man kann nicht nicht kommunizieren? So ist es. Mein Auto ist mein eigener sozialer Raum, den ich mitnehmen kann. Es verrät immer etwas über mich, ob ich will oder nicht. Die Statistik wiederum verrät uns, dass Ostdeutsche überdurchschnittlich frühere Ostmarken wie Skoda oder Dacia fahren, zugleich sind West-Boliden wie BMW oder Audi unterrepräsentiert. Eine Frage des Geldes? Ich denke, da spielen noch andere Dinge mit hinein. Menschen bleiben Dingen mit hoher Wahrscheinlichkeit treu, die ihnen in frühen Lebensphasen wichtig waren, die sie geprägt haben. Sie hören später eine ähnliche Musik, verhalten sich ähnlich – und fahren ein ähnliches Auto. Sie meinen, wenn Papi einen Taunus lenkte, fahre ich heute im Ford fort? So könnte man es ausdrücken. Auf der Ebene der Bundesrepublik heißt das: Ihre Einwohner in West und Ost haben unterschiedliche Fahrzeuge erlebt, gesehen, gehört, gerochen. Viele im Westen sind mit dem Geräusch des luftgekühlten Boxermotors des Käfer aufgewachsen. In der DDR hingegen gab der Zweitakter den Ton an. Dass ich im Westen eher Golf GTI fahre als Lada Taiga wird vererbt? Sagen wir, es wird von den Älteren an die Jüngeren weitergegeben. Die Vorliebe für bestimmte Marken und Modelle wird erlernt. Im Osten gab es kaum Westautos, also besteht noch heute eine gewisse Präferenz für Marken, die als „östlich“ gelten wie Skoda oder Dacia. Um es mal überspitzt zu sagen: Die anderen Kisten fuhr der Klassenfeind. Heutzutage ist der Markt natürlich ungleich vielfältiger. Die Wiedervereinigung ist 25 Jahre und zig Automodelle her. Solche Muster müssten sich längst aufgelöst haben. Nein, die sind außerordentlich stabil. Wenn Sie die ersten 20 Lebensjahre etwas so oder so gemacht haben, dann bleibt das auch häufig so. Meine erste Karre war ein R5 in Ocker-Optik mit 45 PS. Im Leben nicht mehr. Es ist ja keineswegs ausgeschlossen, dass man im Lebensverlauf umsteigt. Viele tun es aber nicht. Dass Sie sich so gut an Ihr erstes Auto erinnern, zeigt übrigens nur, wie hochemotional das Thema Autowahl ist. Für viele Männer ist ihre erste Karre fast gleichbedeutend mit der ersten Freundin. Das mit dem ersten Gefährt kann aber genauso gut in die Hose gehen wie das mit der ersten Gefährtin. Die Gefahr besteht, klar. Das ändert nichts daran, dass Gefühle Erinnerungen konservieren. Ereignisse, die mit starken Emotionen verbunden sind, brennen sich ein. Sie können auch die Treue zur eigenen Marke bekräftigen. Beim Auto sind ganz tiefe Bindungen im Spiel. Es ist eines der ganz wenigen Gegenstände, denen ihre Besitzer Namen geben. Etwa ein Drittel spricht sogar zu seinem Auto. Das Auto ist das blecherne Selbst, das man nach außen trägt und mit dem man sich in einem hohen Grad identifiziert. Demnach würden die Ostdeutschen eher Skoda fahren, weil diese Marke noch annehmbar ist, selbst wenn sie zu VW gehört. Aber Sie verkennen dabei die ökonomische Komponente: Skoda ist deutlich günstiger. Vielleicht können sich ostdeutsche Autofahrer im Schnitt einfach nur weniger leisten. Das spielt sicher eine Rolle. Genauso aber will wie der Skoda-Fahrer aussagen, dass er eben nicht zum Westauto greift, auch wenn er es sich leisten könnte. Wir haben im Osten aber noch einen besonderen Effekt: Während der Trabant das Auto des Volkes war, gab es dort auch den Wartburg. Das war aber das Auto der Bonzen, der Privilegierten. Insofern gab es in der DDR gefühlt für die meisten Menschen nur ein Auto. Und keine Premiummarke, jedenfalls keine, der sich irgendjemand verbunden gefühlt hätte. Hätte BMW aber Wartburg gekauft … ... würde BMW im Osten vermutlich im Verhältnis zu Skoda noch weniger Autos im Umlauf haben. Image ist alles. Schlechtes Image – verkaufst du nix. Umgekehrt: tolles Image – kannst du jeden Schrott verkaufen. Der Käfer etwa war ein in vielen Bereichen katastrophales Auto, schon bei der Präsentation veraltet, unsicher – aber ein Renner. So wie im Osten der Lada. Um in unserem Beispiel zu bleiben: BMW hat doch ein gutes Image. Auf den Punkt gebracht, würde ich sagen: Dynamik. Am Puls der Zeit. Fahrspaß. Skodas Markenimage lautet hingegen in etwa: Mehr Auto fürs Geld. Der ostdeutsche Skoda-Fahrer versteht sich demnach als bodenständiger Mensch, der ganz bewusst nicht zu einem klassischen Westfahrzeug greift. Er gibt sich weniger verführbar. Vielleicht rechnet er aber nur besser. Oder warum gibt es in Ostdeutschland viel weniger Cabrios als im Westen? Am Wetter wird es nicht liegen. Ein westdeutscher Politiker sprach mal von der „spätrömischen Dekadenz“. Diesen Ausdruck könnte man auch auf das Fahrverhalten in den alten Ländern anwenden. Hier sind viele Autos unterwegs, die man eigentlich nicht braucht, die teuer sind, aber deshalb auch nicht mehr können. Cabrios sind Autos mit sehr geringem Nutzwert. Man halt sich halt zusätzlich, zum Spaß. Geld spielt keine große Rolle, so gesehen bewegen wir uns da schon im Postmaterialistischen. In den ostdeutschen Ländern ist es offenbar im Durchschnitt noch anders.

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