Rheinland-Pfalz Das große Abwerben aus Saarbrücken

Nach der Insolvenz des Zweibrücker Flughafens wird deutlich: In den Augen der EU-Wettbewerbsbehörde entstand durch die Steuermillionen in der Westpfalz nur ein zweiter unrentabler Flughafen, der 39 Kilometer entfernt vom Airport Saarbrücken-Ensheim das gleiche Angebot liefert.


BRÜSSEL/ZWEIBRÜCKEN (kad). Rheinland-Pfalz hat sich offenbar sehr angestrengt, bei der EU-Kommission in Brüssel die Konkurrenzsituation zwischen den Flughäfen Zweibrücken und Saarbrücken kleinzureden. Im Saarland heben eher Geschäftskunden in Linienflügen ab, am Flughafen Zweibrücken die Urlauber in den Chartermaschinen und die Fracht, passend zur langen Landebahn. So wird die Landesregierung in einem internen Papier der Kommission zitiert. Auf 87 Seiten begründet die Wettbewerbskommission von Joaquín Almunia in einer Entscheidungsvorlage für die nächste Sitzung der EU-Kommissare im September, warum Saarbrücken aus ihrer Sicht eine Zukunft hat und Zweibrücken nicht. Das interne Papier vom 11. Juli liegt der RHEINPFALZ vor. Die Brüsseler Beamten haben das Argument der rheinland-pfälzischen Regierung, Zweibrücken sei keine Konkurrenz, sondern biete eine „Ergänzung“ zum Angebot in Saarbrücken, auf seine Stichhaltigkeit überprüft. Dabei kommt Zweibrücken nicht gut weg. In den Augen der Wettbewerbshüter sind die Profile der Flughäfen recht ähnlich, „relatively similar“ heißt es in dem in englischer Sprache verfassten Papier. Demnach sieht es so aus, als habe der Flughafen Zweibrücken nach einigen erfolglosen Anläufen nur deshalb 2006 den kommerziellen Flugbetrieb aufnehmen können, weil er mit unlauteren Mitteln, mit Beihilfen von mehr als einer Million Euro, Germanwings angelockt hat. Die Fluglinie bot mit ihren Berlin-Flügen die gleiche Dienstleistung an, die es in Saarbrücken schon gab. Ein Jahr später wurde den Angaben zufolge mit Preisnachlässen von rund 230.000 Euro ein Großkunde des Flughafens Saarbrücken-Ensheim, nämlich TUIFly, abgeworben, der auch heute noch Urlauber von Zweibrücken aus unter anderem nach Antalya und Palma de Mallorca fliegt. In Saarbrücken brachen daraufhin die Passagierzahlen um ein Viertel ein, die bis 2006 bei rund 450.000 pro Jahr lagen. Sie erholten sich später, als Saarbrücken offensiv um Fluglinien warb. Wegen der saarländischen Beihilfen läuft ebenfalls ein Verfahren bei der Kommission. Nach Zweibrücken kam 2008 dank Werbemittelzuschüssen von über 460.000 Euro die irische Linie Ryanair. So schnellten die Passagierzahlen bis 2009 auf 338.000 Fluggäste hoch. Doch Ryanair ging schnell wieder, auch Germanwings stellte die Berlin-Flüge ein. So waren es 2012 noch knapp 243.000 Passagiere. Folgt die Kommission ihrem Wettbewerbskommissar, dann werden die Fluggesellschaften die Beihilfen zurückzahlen müssen. Wie sehr beide Flughäfen noch immer um die gleichen Passagiere wetteifern, rechnet die Kommission am Beispiel der Ferienflieger vor: Mitte Juni 2014 hatten 16 Flugzeuge, die innerhalb einer Woche in Zweibrücken gestartet sind, Antalya oder Mallorca als Ziel, in Saarbrücken waren es 18. Ausgeschöpft waren die Kapazitäten auf keiner der beiden Landebahnen. Dass die Mainzer Landesregierung selbst den Flughafen Saarbrücken-Ensheim als Konkurrenten und nicht als ein komplementäres Unternehmen für den Westpfalz-Airport ansah, schließt die EU aus einer Äußerung eines Vertreters des Wirtschaftsministeriums vom 26. Juni 2009. Er habe gesagt, Rheinland-Pfalz würde es als unfreundlichen Akt ansehen, wenn Ryanair künftig von Saarbrücken aus starte. Dieser Satz sei bei einer Aufsichtsratssitzung des Flughafens Zweibrücken gefallen. In der Tat beschäftigte sich das Gremium, an dessen Spitze der damalige Wirtschaftsstaatssekretär und heutige Finanzminister Carsten Kühl (SPD) stand, an diesem Tag mit dem bevorstehenden Ende der kurzen Ryanair-Zeit. Die Kapazität von 700.000 Passagieren in Zweibrücken werde derzeit nur zu 35 Prozent ausgeschöpft. Der etwa über die gleiche Kapazität verfügende Flughafen Saarbrücken sei zwischen 50 und 75 Prozent ausgelastet. Das Zweibrücken-Geschäft könne er, so die Kommission, durchaus aufnehmen. Und was die immer wieder als Vorteil angeführte längere Landebahn angeht, so räumt die Behörde ein, dass diese geeigneter sei für Langstreckenflüge und für die Fracht. Aber in dem Papier steht auch kurz und knapp, es sei nicht der Beweis erbracht worden, dass eine beträchtliche Anzahl von Passagiermaschinen, die in Zweibrücken starten, nicht auch von Saarbrücken aus starten könnten. Das Argument Fracht lässt die Kommission nicht gelten, weil diese in Zweibrücken nahezu keine Rolle gespielt habe, auf dem Flughafen Hahn aber sehr wohl. Dort könnte eine neue Konkurrenzsituation entstehen. Denn Logistik-Unternehmen fahren durchaus weitere Wege zum geeigneten Flughafen. „Im Licht dieser Tatsachen und Überlegungen“, so heißt es in der Entscheidungsvorlage, sei die Kommission überzeugt, dass die staatliche Investitionsbeihilfe für den Flughafen Zweibrücken dazu diente, eine Infrastruktur zu schaffen, die nur den „(unprofitablen) Flughafen in Saarbrücken“ dupliziere. Deshalb lautet der Beschlussvorschlag, das Land müsse vom Flughafen die mehr als 50 Millionen Euro Beihilfe zurückverlangen. Weil der Flughafen das Geld nicht hat, droht ihm die Überschuldung. Und allein die Aussicht darauf hat den Antrag auf Einleitung eines Insolvenzverfahrens erzwungen. Umstritten ist die Frage, welche Businesspläne der Kommission vorlagen. In dem Papier heißt es, Rheinland-Pfalz habe zwar Studien zum Beispiel aus dem Jahr 2009 vorgelegt, in denen für das Jahr 2015 eine halbe und für 2025 eine ganze Million Passagiere vorausgesagt werden, aber es fehlten solide Geschäftspläne. Mit dieser Einschätzung durch die Kommission hatte schon CDU-Fraktionschefin Julia Klöckner in der jüngsten Landtagssitzung Infrastrukturminister Roger Lewentz (SPD) regelrecht verärgert. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und er versuchten nach der Debatte die Medien davon zu überzeugen, dass der negative Beschluss aus Brüssel sehr überraschend gekommen sei. Joachim Winkler, Sprecher des Infrastrukturministeriums, sagte auf Anfrage, es habe aktuelle Businesspläne gegeben, die Kommission sei aber nur auf die von ihr extra angeforderten mittelfristigen alten Planungen eingegangen. „Dies ist nicht zu verwechseln mit dem auf zehn Jahre angelegten Businessplan, den das Land für Zweibrücken vorgelegt hat und der ebenso belastbar ist wie der anderer Flughäfen (etwa Saarbrücken)“, sagt der Ministeriumssprecher. Die Kommission habe sich hierzu gegenüber dem Land nie negativ geäußert. Über den Inhalt der Businesspläne sagte der Sprecher nichts. Nach Darstellung des Ministeriums hat die EU-Kommission zu Jahresbeginn die Einbeziehung eines Privatinvestors am Zweibrücker Flughafen abgelehnt, weil nur eine Kooperation mit Saarbrücken in Frage käme. Zudem seien Signale ausgesendet worden, dass beiden Flughäfen die Schließung drohe, wenn sie sich nicht einigen würden. Das im Mai vorgelegte Modell eines Flughafensystems ging der EU nicht weit genug, auf eine Fusion, wie Lewentz sie im April vorgeschlagen hatte, ließ sich das Saarland nicht ein. In dem Papier aus Brüssel werden die Kooperationsabsichten aus deutscher Sicht kurz wiedergegeben, eine Würdigung ist nicht erkennbar.

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