Donnersbergkreis Dagegen ist ein Kraut gewachsen

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Drei Experten aus dem Donnersbergkreis zum "Tag des Unkrauts"

Behaarter Klappertopf, Ackerspörgel, Scharbockskraut, Kleiner Wiesenknopf, Gundermann, Giersch: Das alles sind Namen von Pflanzen, die Biologen und Botaniker zu den Wild- oder Beikräutern zählen. Gartenbesitzer finden da oft eine weniger wohlwollende Bezeichnung, sind sie doch in kultivierten Bereichen meist unerwünscht und heißen dann: Unkraut. Heute ist der Tag des Unkrauts. Klingt nach „Rettungsversuch“, nach der Notwendigkeit oder dem Bedürfnis, etwas zurechtzurücken. Wir haben bei drei Experten im Donnersbergkreis nachgefragt: Doris Boussard aus Jakobsweiler, Günther Koob aus Dörnbach und Heike Gabelmann aus Seelen. „Aus der Sicht der Natur gibt es kein Unkraut“, ist die einhellige Antwort. Trotzdem finden wir eine Möglichkeit der Kategorisierung: Alles, was in bearbeiteten, gestalteten Pflanzenbeständen nicht gezielt angebaut wurde, gehört im allgemeinen Sprachgebrauch zum Unkraut. Im Boden warten Tausende von Samen auf den richtigen Zeitpunkt um zu wachsen. Da Wildkräuter eine Keimfähigkeit bis zu 80 Jahre besitzen, kommt irgendwann der Tag, an dem die Bedingungen günstig sind, und die Pflanzen fangen an, aus dem Boden zu sprießen. Die Verantwortung für Unerwünschtes im eigenen Rasen ist also meist nicht beim „bösen“ Nachbarn und dessen „ungepflegten“ Grünflächen zu suchen, sondern liegt – im wahrsten Sinne – in der Natur der Dinge. „Wildkräuter geben Auskunft über die Beschaffenheit eines Bodens. Man bezeichnet sie auch als ,Zeigerpflanzen’. Haben Sie zum Beispiel Brennnesseln im Garten, ist das ein Zeichen für viel Humus in der Erde“, erläutert Günther Koob. Frühere Bauerngenerationen haben diese Zeigefähigkeit für wichtige Diagnosen genutzt. Wenn der Acker für einige Zeit brachlag, wurde geschaut, welche Pflanzen sich dort entwickelten, um dann Rückschlüsse auf die Bodenqualität zu ziehen. Die wiederum hatte Einfluss auf die Entscheidung, was angebaut werden sollte. Einige Ansiedlungen sind auch ein Hinweis darauf, dass etwas nicht in Ordnung ist und gehandelt werden muss. Darüber hinaus sind Wildkräuter auch oft Bodenverbesserer: Einige lockern die Erde auf, andere geben über die Wurzeln Stoffe ab, die Pilze abwehren oder Stickstoff binden. Die drei Donnersberg-Experten haben ein entspanntes und respektvolles Verhältnis zu dem, was die Natur von sich aus anbietet. Während einige Gartenbesitzer bei dem Wort „Giersch“ am liebsten sofort die Hacke oder die Spritzflasche herausholen würden, freut sich Heike Gabelmann in ihrer „Kräuterwirkstatt“ über reichliche Vegetation: „In meinem Garten, in den Wiesen und im Wald begegnen wir den heilsamen Wildkräutern und der Viriditas – der allem Lebendigen innewohnenden Grünkraft – wie Hildegard von Bingen einst lehrte: ,Es gibt eine Kraft aus der Ewigkeit, und diese Kraft ist grün.’ Die Blätter des Gierschs zum Beispiel sind ausgesprochen schmackhaft und gesund – als Gemüse und ebenfalls als Salat.“ Das gilt auch für das Scharbockskraut. „Es war für frühere Generationen der erste Salat im Jahr. Das Kraut entwickelt sich sofort, wenn die Schneedecke verschwunden ist. Das war damals in der noch kühlen Jahreszeit ein wichtiger Vitamin C-Spender, auf den man sich sehr gefreut hat und der für die Gesundheit der Menschen unentbehrlich war“, weiß Koob zu berichten, der sich als Wanderführer kundig zeigt, was die Heilwirkung von Wildkräutern angeht. Da kennt sich Doris Boussard, die den Kräutergarten im Keltendorf pflegt, ebenfalls aus: „Alles ist zu irgendetwas gut. Wenn man sich intensiv auf die Natur einlässt und besonders auf Wildkräuter, muss man erkennen, dass alles seinen Platz und seinen Sinn hat.“ Und das wird auch deutlich, wenn man sich der Tierwelt zuwendet. Von der Bekämpfung des Wildkrauts besonders in der Agrarlandschaft sind neben den Pflanzenarten selbst nämlich auch verschiedene Tiergruppen betroffen, da diese sich teilweise oder vollständig von Pollen, Nektar, Stängeln und Blättern, Wurzeln oder Samen der Wildkräuter ernähren oder sie als Wohnraum nutzen. Die verminderte Verfügbarkeit von entsprechendem Samen hat so in den letzten Jahrzehnten unter anderem zu einem starken Rückgang von Vogelarten, beispielsweise von Meisen, Finken und Sperlingen, mit beigetragen. Unkraut oder nicht – das hängt offensichtlich von der Perspektive ab, und an der lässt sich arbeiten. Und deswegen am Ende: Lob und Ehre für das Unkraut!

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