Grünstadt Bürger hatten Recht: Züge quietschen besonders laut

91-92425291.jpg
Grünstadt

. „Die Messergebnisse bestätigen das subjektive Empfinden der Anlieger. Die Anwohner haben Recht.“ Das Zitat stammt nicht etwa von Grünstadter Zuglärm-Gegnern zum Schall-Gutachten über die Münstertalbahn. Nein, diese Sätze sind in der Abschlusspräsentation der Technischen Universität (TU) zu finden. Und sprechen den Bitzenstraße-Anwohnern Klaus Heidenreich und Dieter Berzel aus tiefstem Herzen: insbesondere angesichts der in krassem Gegensatz zu den Messergebnissen stehenden Aussagen von Vertretern der Bahn AG. Die hatten Heidenreich und Berzel beim Treffen von Bahn-Verantwortlichen mit Aktiven aus Freinsheim und Grünstadt im November auf die Palme gebracht. „Sie haben damals“, so Heidenreich, „das metallische Kreischen in Grünstadt partout nicht als Mangel ansehen wollen. Dabei lässt sich das wesentlich lautere Quietschen auf einer Strecke von 350 Meter Länge mit vielen Weichen und Gleisbögen doch gar nicht leugnen.“ Dieser Mangel war bei Lärmmessungen der Berliner TU zum Zugmodell „Talent 2“ im Jahr 2014 im Münstertal offenbar geworden. Der Kurven-Kreisch-„Talent“ ist von der Konstruktion her mit den in unserer Region seit knapp einem Jahr eingesetzten Züge der LINT-Baureihe vergleichbar. Entscheidend: Talent und LINT gemeinsam ist das so genannte Jakobsdrehgestell, auf dem die beiden Zughälften aufliegen. Entscheidende Neuerung dabei: der größere Achsstand und starre Achsen im Vergleich zu den jeweiligen Vorgänger-Zügen. Auf der untersuchten Münstertalbahn fuhr vor dem „Talent 2“ der Regio-Shuttle 1: technisch ähnlich der Dieseltriebwagen, die als LINT-Vorgänger auf unseren Strecken eingesetzt worden waren. „Die Mängel, die es laut Bahn gar nicht gibt, sind also schon im September 2014 gutachterlich festgestellt worden“, betont Heidenreich. Die Schallmessungen der Gutachter hatten für den „Talent 2“ auf geraden Strecken „selbst bei höherer Geschwindigkeit einen geringeren Schalldruckpegel“ ergeben – „in den Gleisbögen hingegen einen höheren“. Als Hauptursache für das Kurven-Kreischen haben die Experten die erwähnten Jakobsdrehgestelle ausgemacht: „Die ungünstige Stellung zweier steif in einem Drehgestell gekoppelter Radsätze führt bei Bogenfahrt zu Quergleiten und Anlauf der Spurkränze.“ Mit anderen Worten: Durch das Reiben von Metall auf Metall in den Kurven entsteht lautes Quietschen und höherer Abrieb. Dieser höhere Verschleiß an Rad und Schiene bewirkt in den Bögen zusätzlich Schienen-Rauheiten und sorgt damit auch „sekundär für höhere Geräuschemissionen“. Die Grünstadter Zuglärmgegner sehen sich durch das Gutachten der TU in ihren Einschätzungen umfassend bestätigt. Die Messergebnisse machten deutlich, dass die bauähnlichen LINT-Züge wie der Talent in den Kurven laut kreischten. Das Verhalten der Bahn nach dem Motto „Es kann nicht sein, was nicht sein darf“ grenze an „Respektlosigkeit gegenüber den Bahn-Anrainern“, sagt Heidenreich: „Denn in Grünstadt werden die Anwohner ganztägig genervt: 71 Mal an einem Werktag, von 4.37 Uhr bis 23.09 Uhr“. In dem Gutachten steht aber auch, dass es „in Deutschland keine Grenzwerte für Geräuschemissionen von Schienenfahrzeugen des ÖPNV gibt“. Damit sind offensichtlich auch die rechtlichen Klage-Möglichkeiten für eine Minderung des Zuglärms „überschaubar“. Trotzdem fordern Heidenreich und Berzel „schnelle praktische Maßnahmen zur Reduktion der Lärmlast“. Nicht nur wegen der Anrainer. Auch wegen zweier wichtiger Projekte der Stadt Grünstadt: Alla-hopp-Anlage und Baugebiet „In der Bitz“. Hier habe, so die Zuglärm-Gegner, „die Stadt schon viel investiert und muss noch viel investieren. Für ein Gelingen der Projekte ist es angemessen, dass Stadtrat und Bürgermeister gemeinsam von der Bahn schnelle Abhilfe verlangen“.

x