Wirtschaft BASF: Sorgen über Stammwerk unbegründet

Ludwigshafen. Mitarbeiter des Ludwigshafener BASF-Stammwerks machen sich Sorgen über den Zustand von Produktionsanlagen und Infrastruktur auf dem größten Chemie-Areal der Welt. Wegen der vom Vorstand verordneten Kostensenkungs-Programme sei „vieles baufällig“, heißt es. Es werde zu wenig in Modernisierung und Instandhaltung investiert. Werksleiter Uwe Liebelt hat die Vorwürfe im Gespräch mit der RHEINPFALZ als unbegründet zurückgewiesen.

Tatsächlich ist es im bisherigen Verlauf des Jahres zu einer deutlichen Häufung von gemeldeten Produktaustritten gekommen. Bis Mitte September gab es bereits 13 solcher Fälle. Teilweise waren es gleich zwei an einem Tag. Zudem gab es, wie am 8. September berichtet, einen Vorfall, bei dem in der neuen TDI-Anlage giftiges Phosgen in einer Sicherheitskammer ausgetreten ist. Die Mainzer Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) kündigte gestern an, es werde kurzfristig eine Inspektion der TDI-Anlage geben. Die Häufung der Vorkommnisse könnte als Beleg dafür interpretiert werden, dass Anlagen in schlechtem Zustand seien. Üblicherweise liege die Anzahl solcher Ereignisse für ein ganzes Jahr bei acht bis 13, sagte Liebelt. Er bestätigte, dass es in den ersten neun Monaten des Jahres zu einer Häufung von Betriebsstörungen gekommen sei. Dafür habe es zwei Gründe gegeben. Erstens sei in letzter Zeit sehr viel in neue Produktionsanlagen investiert worden. Bei der Inbetriebnahme der neuen Anlagen sei es dann vermehrt zu Vorfällen gekommen. Zweitens habe es ungewöhnlich viele turnusmäßige Abstellungen auch sehr großer Anlagen für Revisionen gegeben. Auch beim Wiederanfahren dieser Betriebe habe es Produktaustritte gegeben. Zum Vorwurf, es werde zu wenig in Neubauten, Modernisierung und Instandhaltung investiert, sagte Liebelt: „Nein, sicher nicht, im Gegenteil.“ Betrachte man die Kenngröße Investitionen in Neubau, Erhalt, Nachrüstungen und Modernisieren, so habe diese in den vergangenen zehn Jahren in jedem einzelnen Jahr über den Abschreibungen und im Durchschnitt um 100 Prozent darüber gelegen, in der Spitze bis zu 350 Prozent. Auch künftig werde es mittelfristig keinen Substanzverlust geben. Die Kenngröße Grundinstandhaltungsfaktor – Anteil der Instandhaltungskosten am Wiederbeschaffungswert einer Anlage – liege bei nachhaltig betriebenen Anlagen im langjährigen Durchschnitt zwischen 1 und 3 Prozent. Im Stammwerk habe dieser Wert in den vergangenen fünf Jahren am oberen Rand oder oberhalb dieses Korridors gelegen. Er weist darauf hin, dass im Stammwerk jährlich vier Millionen Tonnen Verkaufsprodukte hergestellt würden. Bei 200 Anlagen in 110 Produktionsbetrieben seien Betriebsstörungen nie ganz auszuschließen. Gründe dafür seien neben technischen Mängeln auch menschliche Fehlhandlungen beim Bedienen oder Warten der Anlagen. Das BASF-Stammwerk sei in den vergangenen Jahren nicht nur bei der Produktivität zurückgefallen, sondern im internationalen Vergleich auch bei der Arbeitssicherheit. Bei Arbeitsunfällen mit Ausfalltagen habe Ludwigshafen im vergangenen Jahr bei 2,5 Unfällen je einer Million geleisteter Arbeitsstunden gelegen. Die BASF habe an ihren übrigen europäischen Standorten ohne das Stammwerk mit 1,5 Unfällen deutlich besser abgeschnitten. „Unsere Sicherheitskonzepte, sowohl bei Anlagen- als auch Arbeitssicherheit haben die Vermeidung jeglicher Betriebsstörungen oder Unfälle zum Ziel. Diesem Ziel kommen wir jedes Jahr näher“, sagte Liebelt. Beim Thema Anlagensicherheit nehme das Stammwerk eine weltweite Vorbildfunktion im BASF-Konzern ein. Beim Thema Arbeitssicherheit werde Ludwigshafen zwar kontinuierlich besser. Im Vergleich zum Rest der BASF-Welt habe das Stammwerk aber noch keine Vorbildposition. Besorgte BASF-Mitarbeiter berichten immer wieder über Probleme im Stammwerk. Seit einiger Zeit häufen sich diese Hinweise an die RHEINPFALZ. Das gesamte Abwasser-Kanalsystem sei in schlechtem Zustand, heißt es. Auch bei Tanktassen – das sind Auffangbecken an oder um Chemieanlagen – gebe es Mängel. Zudem seien viele Rohrbrücken schlecht gewartet. Standortchef Liebelt sagte, dass es im Stammwerk Renovierungsbedarf gebe. Die Bürogebäude seien im Durchschnitt 60 Jahre alt. Bei den Produktionsanlagen seien es gut 30 Jahre, bei Tanktassen, Rohrbrücken und Dichtflächen 50 Jahre. „Wir sind schon seit Jahren dabei, zu renovieren“, sagte er. Auch künftig werde sehr viel getan. Für Kanäle und Tanktassen sei ein Renovierungsprogramm auf den Weg gebracht worden. Bis 2025 werde dafür „ein deutlich dreistelliger Millionenbetrag in den Standort investiert“, so Liebelt. Der Vorwurf, die BASF wolle Vorfälle oder Betriebsstörungen gegenüber Behörden vertuschen, sei völlig falsch, sagte Liebelt. Im Durchschnitt gebe es in Ludwigshafen pro Arbeitstag eine Behördenvisite. Die Aufsichtsbehörde Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Süd in Neustadt, teilte mit, die BASF informiere Behörden und Öffentlichkeit auch bei Vorkommnissen, deren Schwere weit unterhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Meldeverpflichtung liege. Von den 13 gemeldeten Produktaustritten in diesem Jahr waren laut BASF fünf meldepflichtig im Sinne des Gesetzes. Gegen einen Mitarbeiter habe es bei einem Verfahren wegen Ordnungswidrigkeit eine Geldstrafe gegeben. Das Unternehmen informiere von sich aus auch dann, wenn etwa Fackelschein und Rußaustritt an einer Anlage Besorgnisse in der Bevölkerung auslösen könnten.

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