Rheinpfalz Asylsuchende retten sich vor Flammen

91-75508316.jpg

Herxheim (som/rww/ros). Nur sechs Tage nach dem versuchten Brandanschlag auf eine geplante Erstaufnahmeeinrichtung für bis zu 800 Flüchtlinge hat es in Herxheim (Kreis Südliche Weinstraße) in der Nacht auf Donnerstag nun im Tribünenhaus im Waldstadion gebrannt. Dort waren neun Flüchtlinge untergebracht. Ein Feuerwehrmann wurde beim Löscheinsatz verletzt, konnte das Krankenhaus aber noch gestern wieder verlassen.

Die neun erst seit wenigen Tagen in der Unterkunft lebenden Asylbewerber und ihr Betreuer konnten sich rechtzeitig in Sicherheit bringen. Über Brandursache und Schadenshöhe gab es gestern noch keine Aussagen. Ein erster Spürhund hatte laut Polizei gestern Nachmittag nichts entdeckt. Deshalb wurde ein zweiter aus Mainz angefordert. Polizei und Staatsanwaltschaft schließen einen fremdenfeindlichen Hintergrund allerdings nicht aus. Leitender Oberstaatsanwalt Detlef Winter sagte gestern bei der Pressekonferenz in Herxheim: „Wir ermitteln in allen Richtungen.“ Eine Person sei im Raum Landau überprüft worden, es seien aber „keine Verdachtsmomente gewonnen worden“, so die Staatsanwaltschaft. Zu dem Brandanschlag auf die geplante zentrale Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in der Nachbarschaft des Waldstadions vor sechs Tagen sagte Winter: „Wir haben eine heiße Spur und hoffen bald mehr dazu sagen zu können.“ Wie berichtet, hatten dort Unbekannte drei Kanister vom Dach durch ein Oberlicht in das Gebäude geworfen. Ein Kanister ging in Flammen auf, der Schaden hielt sich glücklicherweise trotzdem in Grenzen. In diesem Fall geht das Innenministerium inzwischen von Brandstiftung aus. Im aktuellen Fall gibt es noch keine Festlegungen: Nach Angaben der Polizei bemerkten Anwohner den Brand im Tribünenhaus und alarmierten kurz nach 2 Uhr die Feuerwehr. Insgesamt waren rund 150 Einsatzkräfte von Feuerwehr, Technischem Hilfswerk und Rotem Kreuz vor Ort. Nach Angaben der Feuerwehr brach der Brand im obersten Stock des Tribünengebäudes aus. Das örtliche Rote Kreuz hatte dort eine Kleiderkammer eingerichtet, in der in den zurückliegenden Wochen die Annahme von Kleidern für Flüchtlinge organisiert wurde. Sie wurde eingerichtet, um insbesondere die bis zu 800 Flüchtlinge zu versorgen, die ab Anfang Januar in der Erstaufnahmeeinrichtung erwartet werden. In unzähligen Stunden haben freiwillige Helfer in den vergangenen Wochen mehr als 1000 Umzugskartons mit Kleidern sortiert. Diese wurden gestern ein Raub der Flammen. Der DRK-Ortsvorsitzende Max-Josef Meyer: „Wir fangen jetzt bei unter Null an. Wir haben nicht einmal mehr Lagerkapazitäten.“ Bereits am frühen Morgen informierten sich die rheinland-pfälzische Integrationsministerin Irene Alt (Grüne) sowie Innenstaatssekretär Randolf Stich (SPD) vor Ort über den Brand. Mit dabei war Landrätin Theresia Riedmaier (SPD). Sie zeigte sich gegenüber der RHEINPFALZ schockiert: „Es ist eine zweite schlimme Drohung.“ Gestern Abend kam auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) auf der Rückreise aus Berlin an den Brandort, wo sie den Helfern dankte. In einer Vorabmeldung hatte sich die Landeschefin schon „tief betroffen“ gezeigt. Sie versicherte: „Unser Land steht für einen respektvollen und herzlichen Umgang mit allen Menschen. In dieser Haltung lassen wir uns durch nichts abbringen.“ Mit Dreyer zusammen in Herxheim Ort war Kirchenpräsident Christian Schad. Der mutmaßliche Anschlag verletze alle, die sich für eine Willkommenskultur und die Integration von Flüchtlingen einsetzten, hatte er zuvor gesagt. Der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann beklagte nach seinem Besuch am Brandort, dass es in letzter Zeit vermehrt Anschläge gegen Flüchtlingseinrichtungen gegeben habe. Er forderte einen „Aufstand der Vernünftigen“. Der südpfälzische SPD-Bundestagsabgeordnete Thomas Hitschler zeigte sich „entsetzt, fassungslos und unglaublich zornig“. Das sei nicht nur ein Angriff auf hilfesuchende, sondern auch auf helfende Menschen. Die CDU-Abgeordneten Thomas Gebhart (MdB), Christine Schneider und Martin Brandl (beide MdL) setzen ebenso auf eine schnelle Aufklärung der Brandursache wie die Grünen-Spitzenkandidaten Daniel Köbler und Eveline Lemke. Ihre Gedanken seien bei den „zu uns geflüchteten Menschen“, so Köbler. Lemke ergänzte: „Fremdenfeindlichkeit hat in unserem Land keinen Platz.“ Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der bundesweit zunehmenden Übergriffe auf Asylbewerberunterkünfte hatte das Mainzer Innenministerium die Schutzmaßnahmen im unmittelbaren Umfeld der Einrichtungen seit Beginn des Monats durch ein sogenanntes Raumschutzkonzept intensiviert. 25 zusätzliche Streifenwagen, die im Land rund um die Uhr unterwegs sind, sollen die Flüchtlingsunterkünfte besser schützen. Ob dieses Konzept bereits in vollem Umfang umgesetzt ist, blieb gestern unklar. Der Vorfall in Herxheim konnte dadurch zumindest nicht verhindert werden. „Hundertprozentigen Schutz gibt es nicht“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Neben zahlreichen Erstaufnahmeeinrichtungen samt Außenstellen gebe es landesweit auch mehrere Tausend kommunale Flüchtlingsunterkünfte mit unterschiedlicher Unterbringungskapazität. Durch das neue polizeiliche Raumschutzkonzept werde neben dem präventiven Aspekt sichergestellt, „dass binnen kürzester Zeit bei Bedarf Interventionskräfte zusammengezogen werden können“. Unklar blieb gestern auch, in welchem Umfang Flüchtlingsunterkünfte in Rheinland-Pfalz videoüberwacht werden. Innenministerium und Integrationsministerium verwiesen auf die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Trier. Dort blieb die Frage gestern unbeantwortet. Herxheim ist nicht der einzige Pfälzer Ort, in dem Flüchtlingsunterkünfte gebrannt haben. Im Mai hatten Unbekannte eine geplante Einrichtung in Limburgerhof (Rhein-Pfalz-Kreis) angezündet. Einen Fahndungserfolg haben die Behörden seither nicht verkündet.

Ihre News direkt zur Hand
Greifen Sie auf all unsere Artikel direkt über unsere neue App zu.
Via WhatsApp aktuell bleiben
x