Frankenthal Apotheken-Urteil stößt auf Kritik

91-90396279.jpg

Verärgert und mit Kritik reagieren Apotheker in Frankenthal auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), nach dem ausländische Apotheken nicht mehr an die Preisbindung für rezeptpflichtige Medikamente in Deutschland gebunden sind.

„Das ist unfair“, sagt Anette Isele, stellvertretende Leiterin der City-Apotheke, zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (DIE RHEINPFALZ berichtete gestern auf der Politik-Titelseite). Schließlich seien inländische Apotheken weiterhin an die deutsche Gesetzgebung und damit auch an die Preisbindung gebunden. Sie rechnet damit, dass hochpreisige rezeptpflichtige Medikamente künftig verstärkt über das Internet bestellt werden. „Wir werden das beim Umsatz mit Privatrezepten merken“, sagt Isele. Den gleichen Effekt habe man in den zurückliegenden Jahren schon bei teuren apothekenpflichtigen Artikeln beobachtet, etwa bei dem Enzympräparat Wobenzym oder dem Ginkgoextrakt Tebonin. Mit 15 Mitarbeitern ist die City-Apotheke nach eigenen Angaben die größte in Frankenthal. Langfristig könnte das Urteil Arbeitsplätze kosten, befürchtet Isele. Das sieht auch Monika Müller so, die seit acht Jahren Inhaberin der Stephan-Apotheke im Vorort Mörsch ist. Besonders hart treffe das Frauen. „In unserer Branche gibt es viele Teilzeitkräfte“, sagt Müller. Auch ihre sieben Mitarbeiterinnen haben Teilzeitverträge. Weil Apothekerin ein Frauenberuf sei, wäre der Aufschrei bei Arbeitsplatzverlusten nicht so groß, glaubt Müller. „Alles hängt jetzt vom Kundenverhalten ab“, betont sie. Als einzige Apotheke in Mörsch leiste ihr Geschäft viel Service und Beratung. „Wir prüfen Wechselwirkungen, bringen Medikamente nach Hause oder holen Rezepte ab und stellen auf Wunsch pflanzliche Arzneimittel her“, zählt Müller einige Dienstleistungen auf. Eine Apotheke vor Ort könne auch mögliche Verordnungsfehler aufdecken und biete so zusätzliche Sicherheit. Im akuten Fall sei ein bestelltes Präparat innerhalb von zwei bis drei Stunden erhältlich. „Das kann kein Internetversand leisten“, sagt Müller. „Das Arzneimittelrabattgesetz muss fallen“, nennt Andreas Krämer, Chef der Albrecht-Dürer-Apotheke am Jakobsplatz, eine mögliche politische und gesetzgeberische Konsequenz aus dem Urteil. Der Versandhandel dürfe sich nicht die Rosinen herauspicken. Auch er müsse kaufmännisch denken. Krämer nennt ein Beispiel: „Insuline haben wir momentan vorrätig. Wenn die Nachfrage sinkt, können wir das nicht mehr leisten.“ Er selbst habe sein Internetangebot wieder eingestellt. „Das bringt mir nichts, ich will meinen Kunden sehen“, sagt er. Bei etwa 80 Prozent Stammkundschaft macht sich der Apotheker um seine persönliche Zukunft nicht allzu große Sorgen. „Man muss abwarten, vielleicht wird auch manches im Moment sehr hochgekocht“, sagt Krämer. Irritiert über Teile der aktuellen Berichterstattung ist Achim Kaul, Inhaber des Frankenthaler Online-Medikamentenversands versandapo.de. Denn das Urteil des EuGH, „so wie ich es verstehe“, beziehe sich auf Bonuszahlungen, die für zulässig erklärt worden seien, nicht aber auf den Preis verschreibungspflichtiger Medikamente. Wenn ausländische Versandapotheken nun ihren deutschen Kunden Boni oder Rabatte gewähren dürften, „dann führt das dazu, dass das Individuum einen Preisvorteil hat“, sagt Kaul. „Die Solidargemeinschaft wird aber damit nicht entlastet.“ Das kritisiert der Frankenthaler Versandapotheker ebenso wie die Ungleichbehandlung, die sich aus dem Urteil für ausländische und inländische Versandhändler ergebe: DocMorris und andere könnten nun mit Bonus-Anreizen arbeiten, „was uns in Deutschland nicht erlaubt ist“. Und das könne insgesamt zu einem „gewaltigen Preiskampf führen“. Insbesondere für niedergelassene Apotheker auf dem Land oder in Vororten könnte sich das negativ auswirken, schätzt Kaul. Für das europaweit tätige Unternehmen versandapo.de, das der Inhaber dem Umsatz nach „unter den ersten 20“ der Branche verortet, erscheinen die negativen Folgen überschaubarer. Während sich gerade niederländische Online-Apotheken sehr stark auf das Feld verschreibungspflichtiger Medikamente konzentriert hätten, erwirtschafte er seinen Umsatz überwiegend mit nicht rezeptpflichtigen Artikeln. Der eigenen Standesvertretung und insbesondere Politikern hält Kaul vor, sich nicht rechtzeitig auf die spätestens jetzt erkennbaren Probleme eingestellt zu haben: „Die Politik hat da gepennt.“

x