Rheinpfalz AfD will bewusst provozieren

Die Alternative für Deutschland will mit einem harten Abgrenzungskurs gegen die etablierten Parteien in den Wahlkampf 2017 gehen, heißt es in einem vertraulichen Manifest.

Das Papier trägt das Datum 22. Dezember 2016 – und ist mit dem Hinweis „vertraulich“ versehen. Es ist das Manifest der AfD für 2017. Auf 33 Seiten ließ der Bundesvorstand aufschreiben, wie die Partei das Wahljahr strategisch angehen will. Eine Dokumentation. Wer das Manifest verfasst hat, das will die Partei nicht sagen. Anfragen blieben unbeantwortet. Aber das Kürzel „GP“ legt die Vermutung nahe, dass das Bundesvorstandsmitglied Georg Pazderski mindestens mitgeschrieben hat. Zumal unter einem in Teilen fast wortgleichen früheren Papier der Name Pazderski auftaucht. Es heißt: „Die AfD muss – selbstverständlich im Rahmen und unter Betonung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unseres Landes – ganz bewusst und ganz gezielt immer wieder politisch inkorrekt sein, zu klaren Worten greifen und auch vor sorgfältig geplanten Provokationen nicht zurückschrecken.“ Je klarer und kontroverser sich die AfD positioniere, desto weniger könnten die Medien sie ignorieren. Klamauk und Hetze sollten dabei allerdings vermieden werden. In diesem Zusammenhang ergeht die Aufforderung an den Bundesvorstand, bis Ende Februar ein Konzept gegen die „Political Correctness“ zu entwickeln. Der Partei ist es offenbar einerlei, wenn dieses Gesicht Wählermilieus missfällt, die die AfD nicht ansprechen kann oder will: „Die Reaktionen und Befindlichkeiten anderer Teile der Gesellschaft sind für die AfD … von untergeordneter Bedeutung. Sie sind eher Zielscheiben als Zielgruppen.“ In den kommenden Monaten gehe es nicht etwa darum, umfassende und differenzierte Antworten zu geben. Wichtiger sei es, „den Finger in die Wunde der Altparteien zu legen, als sich in einer Expertendiskussion um Lösungsvorschläge zu verheddern“. Und weiter: „Konzentration auf Eingängiges geht vor Vollständigkeit, harte und provokante Slogans sind wichtiger als lange, um Differenzierung bemühte Sätze, die es allen recht machen wollen.“ Mitglieder der Partei werden übrigens ermutigt, „in Vereinen mitzuwirken oder ihre Mitgliedschaft diskret, aber bewusst für die AfD zu nutzen“. Ihren Landtagsabgeordneten wie jenen in Mainz empfiehlt der Bundesvorstand: „Landtagsfraktionen und ihre Vorstände sind gut beraten, sich auch bei der Arbeit in den Parlamenten an dem zu orientieren, was für AfD-Wähler wichtig ist, nicht an dem, was im Landtag gefragt ist. … Die AfD darf nicht zu einem gut laufenden Rädchen im Getriebe des Landtags werden, sondern muss immer auch bedenken, dass sie ein gutes Stück vom Protest gegen den Status quo lebt.“ – Euro-Skeptiker: „Wähler aus allen sozialen Schichten, … die weitere ,Euro-Rettungspakete’ ablehnen, keinen europäischen Superstaat wollen und von Politikern Mut zu Deutschland und den Vorrang für deutsche Interessen fordern.“ – Bürgerliche Wähler mit liberal-konservativer Werteorientierung. „Solche Wähler stehen dem rot-grün dominierten Zeitgeist der Beliebigkeit und der Multikulti-Ideologie kritisch bis ablehnend gegenüber.“ – Protestwähler, die „mit Inhalt und Stil der politischen Debatte unzufrieden sind und sich gegen die Selbstbedienungsmentalität der Altparteien wenden“. – Nichtwähler – Bürger mit unterdurchschnittlichem Einkommen („kleine Leute“), die „sich von den Altparteien nicht ernst genommen und außerdem als Verlierer der Globalisierung fühlen“. Längerfristig hat die AfD zwar die politische Mitte als Zielgruppe im Visier. Sie erkennt aber: „Eine Imageverbesserung der AfD in der gehobenen Mittelschicht wird allerdings kaum über Nacht zu erreichen sein. Deshalb ist es kurzfristig – und das heißt für das Wahljahr 2017 – erforderlich, fehlende Stimmen in den oberen Schichten durch umso bessere Ergebnisse bei den ,kleinen Leuten’ auszugleichen.“ Was empfehlen die Strategen in dieser Gemengelage? Ein doppelbödiges Spiel. Es heißt zwar einerseits: „Auf jeden Fall sollte die AfD als Partei Abstand zu Gruppierungen haben, die in den Augen der Mainstream-Medien als rechtsextrem gelten.“ Andererseits: „Es muss aber nicht jedes Mitwirken individueller AfD-Mitglieder bei in den Mainstream-Medien suspekten Gruppen thematisiert und geahndet werden.“ Diese Doppelbödigkeit zieht sich wie ein roter Faden durch den empfohlenen Umgang mit Rechtsextremisten. „Wo immer es möglich ist, ohne in den Geruch der Kooperation mit rechtsextremen Gruppen zu kommen, sollte die AfD mit eigenen Parolen Präsenz bei Demonstrationen, Unterschriftenaktionen und anderen Aktivitäten zeigen und so ihre Zielgruppen selbst ansprechen.“ Andererseits wird auch die Teilnahme an Demonstrationen und Aktionen empfohlen, „die vom Mainstream initiiert werden“. Noch eine Kostprobe: Einerseits soll die politische Mitte angesprochen werden. Andererseits dürfe das aber nicht dazu führen, „dass die AfD in ihrem heutigen Potenzial an Zustimmung verliert und sich in Inhalt und Stil zu sehr den Altparteien annähert“. Klare Positionierungen dürften aus Rücksicht auf Irritationen in der politischen Mitte nicht verwässert oder gar aufgegeben werden. Wie ist das zu schaffen? „Der Schlüssel … liegt im Auftreten und in der verwendeten Sprache. Man kann relativ ,radikale’ Forderungen erheben, wenn man sie gut begründet und in sachlicher Sprache und Ton vorträgt.“ In diesem Zusammenhang sorgt sich der Bundesvorstand allerdings um den Zusammenhalt in der Partei. „Bei für die AfD bislang für Wahlerfolge nicht erforderlichen Themen … muss sehr sorgfältig darauf geachtet werden, dass sich die Anhängerschaft der AfD nicht auseinanderdividiert.“ Inhaltliche Meinungsverschiedenheiten seien „möglichst im Hintergrund zu lassen“. Wenn das nicht gelinge, sollten Querverbindungen zu den solidarisierenden AfD-Kernthemen gezogen werden. Etwa so: Wenn es innerparteiliche Differenzen beim Thema Steuersenkung gibt, sollte das Thema mit dem „Asylchaos“ in Verbindung gebracht werden. Um die Differenzen zu überdecken, könnte argumentiert werden: Die hohen Folgekosten des „,Asylchaos“ und die starke Beanspruchung der sozialen Sicherungssysteme durch die Einwanderer machten Steuersenkungen schwierig.

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