Politik Gute Bildung, schlechte Bildung

Seit dem Pisa-Schock gehört es zum guten Brauch in Deutschland, jede neue Bildungsstudie als Offenbarung zu begreifen. Eine besondere Rolle spielt dabei die jährliche Studie „Bildung auf einen Blick“, die nicht auf einen Blick, sondern auf mehr als 500 Seiten buchstäblich die ganze Welt des Lehrens und Lernens aufdröselt. Es geht um Absolventenquoten, die Kosten von Bildung, die Lernbedingungen, die Altersstruktur oder die Schüler-Lehrer-Relation. Und zwar in Deutschland, Japan, Island, Australien und mindestens 30 weiteren Ländern. Herausgeber ist die Vereinigung der führenden Industrieländer, besser bekannt als OECD. Diese Organisation untersucht den ökonomischen Nutzen von Bildung, sie fragt nach, wie ein gebildeter Mensch die Wirtschaftsleistung eines Landes steigern kann. Es geht also um eine Vorstellung von Bildung, die Goethe und Schiller durchaus in Zweifel gezogen hätten. Auch in der diesjährigen Ausgabe der Studie wird die Weisheit wissenschaftlich unterlegt, dass man mit guter Bildung bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat und letztlich mehr verdient als mit schlechter Bildung. Man erfährt, dass Deutschland spitze ist in der mathematisch-, ingenieur- und naturwissenschaftlichen Bildung, was Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) als gute Nachricht für das High-Tech-Land Deutschland bezeichnete. Bei näherer Betrachtung offenbart die Studie aber Fallstricke. Denn ein Vergleich der Bildungssysteme von drei Dutzend Ländern ist so gewinnbringend wie ein Vergleich ihrer Steuertarife. Beispiel Kosten der Bildung: Die Schul- und Studiengebühren in Großbritannien sieht die OECD als Bildungsausgaben an. In Deutschland gibt es keine Studiengebühren – Pech fürs Ranking. Hierzulande zahlt der Staat Bafög, damit junge Menschen mit geringem Einkommen überhaupt auf eine Hochschule gehen können. Das erkennt die OECD nicht als Bildungsausgabe an. Es sei eine Sozialleistung. Beispiel Lehrerkosten: Hohe Ausgaben für Lehrer deuten laut OECD auf viele Lehrer hin. Das ist gut! Aber Obacht: Es könnte auch sein, dass ein Land hohe Gehälter zahlt. Und die niedrige Arbeitslosenquote junger Absolventen wird von der OECD als Ausweis guter Bildung erklärt – sie kann aber auch etwas mit der guten Konjunktur eines Landes zu tun haben. Fazit: Bildung ist eben doch mehr als Zahlensalat.

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