Politik Ein Preisschild für den Brexit

Ein Sprecher in der Downing Street nannte es „pure Spekulation“, aber das bedeutet nicht, dass es nicht wahr wäre: Premierministerin Theresa May ist angeblich bereit, 20 Milliarden Euro an die EU zu zahlen als Preis für den Brexit – im Gespräch waren 60 bis 100 Milliarden.

Das meldete gestern die gewöhnlich gut unterrichtete „Financial Times“. Danach habe Mays EU-Berater Oliver Robbins europäische Regierungen davon unterrichtet, dass die britische Premierministerin sich in diesem Sinne äußert, wenn sie am Freitag ihre Grundsatzrede zum Brexit in Florenz hält. Ein Sprecher der Bundesregierung sagte wiederum, in Berlin sei von einem solchen Angebot nichts bekannt. Sollte Theresa May tatsächlich 20 Milliarden Euro anbieten, würde sie erstmals eine Zahl für die Begleichung der Scheidungsrechnung nennen. Die Brexit-Verhandlungen stecken zur Zeit fest, weil es keine Fortschritte in drei Problembereichen gibt, deren Klärung die EU als notwendig erachtet, bevor überhaupt über ein künftiges Freihandelsabkommen geredet werden kann. Dazu gehören neben der Bezahlung der finanziellen Forderungen der Europäischen Union die Klärung der Bleiberechte von EU-Ausländern und die Gestaltung der Grenze zwischen Nordirland und Irland. Aber es ist in erster Linie der Streit ums Geld, der zur Blockierung der Gespräche geführt hat. Großbritannien hatte sich immer geweigert, über konkrete Zahlen zu verhandeln. Das Angebot von 20 Milliarden Euro bezieht sich nach Medienberichten darauf, dass Großbritannien während einer zweijährigen Übergangsphase nach erfolgtem Brexit im März 2019 weiterhin Zahlungen in den EU-Haushalt leisten will, weil man während des Übergangs auch weiterhin in der Zollunion verbleiben möchte. Aus EU-Sicht würde damit das Loch in der langfristigen Finanzplanung bis 2020 gestopft, das durch den Brexit entstünde. Allerdings wären bei Weitem nicht alle Forderungen der EU erfüllt. Auf zwischen 60 und 100 Milliarden Euro wird die Summe für die Austrittsrechnung in Brüssel beziffert. Damit sollen Pensionsansprüche von EU-Beamten, langfristige Finanzzusagen, Kreditgarantien und andere Verbindlichkeiten, die Großbritannien eingegangen ist, abgegolten werden. Aus der britischen Regierung hieß es dazu bisher, dass man seine „rechtlichen Verpflichtungen“ erfüllen werde. Somit wird die Höhe der Scheidungsrechnung weiter Gegenstand der Verhandlungen bleiben. Aber Mays Eröffnungsangebot könnte die Verhandlungsblockade lösen und den Weg freimachen, um über die künftige Handelsbeziehung zu reden.

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