Politik Der Zeitplan wankt

Eigentlich sollten die Brexit-Verhandlungen diese Woche so richtig losgehen. Doch gestern, am Ende der ersten Runde, als die beiden Verhandlungsführer in Brüssel vor die Presse traten, standen sie mit leeren Händen da.

Nach dem eintägigen Auftakt im Juni hatten sich der Chefunterhändler der Europäischen Union, Michel Barnier, und sein Gegenüber auf britischer Seite, Brexit-Minister David Davis, vier Tage Zeit für die ersten vertieften Gespräche genommen. Bei ihrem gemeinsamen Auftritt sagte der Franzose Barnier, die Gespräche seien gekennzeichnet gewesen von „gegenseitigem Vertrauen“. Der Brite David Davis deutete immerhin Differenzen an, als er von „robusten, aber konstruktiven Verhandlungen“ sprach. Auf der Tagesordnung standen drei Fragen: Erkennt London Zahlungsverpflichtungen über das Datum des Austritts aus der EU hinweg an? Können Grenzkontrollen an der Grenze von Nordirland zu Irland vermieden werden (denn nach dem Brexit wäre das eine Außengrenze der EU)? Wie werden die Rechte von 3,2 Millionen EU-Bürgern geschützt, die auf der Insel wohnen? Substanzielle Verhandlungsfortschritte wollte Barnier in keinem der Bereiche erkennen. Am deutlichsten auf Distanz zur Position der Gegenseite ging er beim Thema „Rechte der EU-Bürger“. Die britische Seite ist offenbar nicht bereit zu akzeptieren, dass der Europäische Gerichtshof im Streitfall zuständig sein soll. Barnier machte deutlich, dass er auch beim Thema Geld nicht zufrieden ist mit dem Verlauf der Gespräche. London soll für finanzielle Verpflichtungen aufkommen, die das Vereinigte Königreich in seiner Zeit der EU-Mitgliedschaft eingegangen ist: Pensionszahlungen für EU-Beamte zum Beispiel. Die Rede ist von Summen zwischen 40 und 100 Milliarden Euro. Zuvor hatte der britische Außenminister Boris Johnson mit der flapsigen Bemerkung, die EU könne sich eins pfeifen, finanzielle Ansprüche vom Tisch gewischt. Barnier hatte daraufhin gefordert, dass London zumindest förmlich anerkenne, dass es Zahlungsverpflichtungen gibt. Davis sprach jetzt aber nur davon, dass London zu seinen „Verantwortungen“ stehe. Über Netto-Zahlungen, also darüber, dass überhaupt Geld nach Brüssel fließt, wollte er nicht reden. Die EU will erst dann über die Gestaltung der künftigen Handelsbeziehungen mit den Briten reden, wenn es Fortschritte bei den drei Hauptstreitpunkten gibt. Mitte Oktober, nach dem regulären EU-Herbstgipfel, wollte man dann auch über andere Themen verhandeln. Ob dies klappt, ist angesichts der gestrigen Präsentation von Ergebnissen offen.

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