Kreis Kaiserslautern „Für mich ist es ein Traumjob“

Leonie Jenet (links) ist 18 Jahre alt und darf im September zu ersten Mal wählen. Paul Junker erklärt der Schülerin aus Reichenb
Leonie Jenet (links) ist 18 Jahre alt und darf im September zu ersten Mal wählen. Paul Junker erklärt der Schülerin aus Reichenbach-Steegen, für was die Kreisverwaltung zuständig ist und welche Rolle der Landrat dabei hat. Rechts im Bild RHEINPFALZ-Redakteurin Gabriele Schöfer.
Es ist Landratswahl – und kaum einer geht hin. Zumindest bei den letzten Urwahlen in der Region gaben ja gerade mal an die 40 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Hängt das verbreitete Desinteresse vielleicht auch damit zusammen, dass den Leuten nicht so recht klar ist, was ein Landrat überhaupt macht? Junker:

Ich denke schon. Gerade bei jungen Leuten fehlt es oft an grundlegendem Wissen. Das merken wir auch bei den Bewerbern, die sich für eine Ausbildung in der Kreisverwaltung interessieren und dann in vielen Fällen keinerlei Vorkenntnisse über kommunale Strukturen haben. Ein Grund ist sicher, dass bedauerlicherweise Kommunalpolitik in den Schulen überhaupt nicht stattfindet. Oder war das bei Ihnen anders, Leonie? Leonie: Nein, Kommunalpolitik kam bei uns wirklich nicht vor. Junker: Sehen Sie! Das ist das Problem. In all meinen vielen Jahren als Kommunalpolitiker gab’s nicht eine Anfrage, ob ich mal an eine Schule kommen könnte, um mit den Schülern darüber zu reden, was wir kommunal machen. Oder eine Klasse, die mal in eine Kreistagssitzung gekommen wäre, um zu sehen, was dort eigentlich passiert. Dabei wäre es wichtig, den jungen Leuten zu erklären, dass die Gemeinden die Keimzellen unserer Demokratie sind und wir Gefahr laufen, diese zu unterhöhlen, wenn wir uns nicht für die Dinge bei uns vor der Haustür interessieren. Das vermisse ich wirklich an unseren Schulen. Dann machen wir doch mal ausnahmsweise einen auf Lehrer: Frei nach der Feuerzangenbowle „stellen mer uns mal janz dumm“ und fragen: Wat is en Landrat? Und warum braucht’s den überhaupt? Junker: Kurz gesagt ist der Landrat der Chef der Kreisverwaltung. Er hält den Laden zusammen und schafft die Voraussetzungen, das die Verwaltung gut funktioniert und wir uns als Dienstleister am Bürger verstehen. Das eigentlich Wichtige aber ist das große Ganze von 450 Mitarbeitern. Jeder einzelne Mitarbeiter repräsentiert die Kreisverwaltung, so auch der Landrat. Allerdings gibt er, was Inhalte und Personalführung angeht, die Richtung vor. Gilt das auch für die Richtlinien der Politik wie bei der Bundeskanzlerin? Junker: Nein, ist der Landrat erstmal gewählt, dann sollte er politisch neutral sein und über den Dingen stehen. Da achte ich für meine Person ganz arg drauf. Mit Richtung meine ich vielmehr, dass der Landrat festlegt, wie die Sachen in der Kreisverwaltung angepackt werden. Ob man bei Problemen beispielsweise gleich die juristische Keule auspackt oder erst mal in Gesprächen versucht, eine Lösung oder einen Kompromiss zu finden. Wenn der Landrat parteipolitisch neutral agieren soll, wieso wird er dann überhaupt vom Bürger gewählt und nicht einfach vom Kreistag bestimmt? Junker: Wenn man so will, dann könnte man ja gleich alles „von oben“ bestimmen. Nein, unsere Gesellschaft basiert aber nun mal auf der Idee der freiheitlichen Demokratie. Und eine ihrer Säulen ist die kommunale Selbstverwaltung, die sogar im Grundgesetz verankert ist. Die Menschen sollen möglichst viel mitbestimmen können. Daher wird auch der Landrat vom Bürger direkt gewählt. Wer kann für den Posten kandidieren? Junker: Im Prinzip jeder. Also auch Leonie? Junker: Natürlich. Nur ist sie jetzt noch etwas zu jung, schätze ich. Leonie: Ich bin 18. Junker: Dann müssen Sie noch ein bisschen warten. (lacht) Antreten darf, wer zwischen 23 und 65 Jahren alt ist. Er oder sie muss noch nicht mal im Landkreis wohnen. Die Stelle wird immer öffentlich ausgeschrieben. Deshalb könnte es durchaus sein, dass sich jemand aus einem anderen Ort bewirbt. Bis 7. August läuft die Bewerbungsfrist. Selbst EU-Bürger aus anderen Ländern mit Wohnsitz in Deutschland können als Landrat kandidieren. Und man muss auch nicht unbedingt in einer Partei oder Wählergruppe sein. Als unabhängiger Kandidat braucht man allerdings 220 Unterstützerunterschriften aus unserem Landkreis. Nochmal zurück zu Ihrem Amt. Was macht ein Landrat konkret? Junker: Sehr viele verschiedene Dinge. (packt den Verwaltungsgliederungsplan aus und erklärt ihn Leonie) Die Kreisverwaltung ist in sieben Geschäftsbereiche aufgeteilt, die mir oder meinen beiden hauptamtlichen Kollegen vom Kreisvorstand – meiner Stellvertreterin Gudrun Heß-Schmidt und meinem zweiten Stellvertreter Peter Schmidt – unterstellt sind. In meine eigenen Geschäftsbereiche fallen die Kreisfinanzen, die Entscheidung über Bauvorhaben, Landespflege und Abfallwirtschaft, aber auch so genannte zentrale Aufgaben wie Kultur- und Öffentlichkeitsarbeit und Personal. Ich leite beispielsweise alle Bewerbungsgespräche in der Kreisverwaltung. Aber da sitzen viele andere mit am Tisch. Entschieden über Bewerber wird am Ende basisdemokratisch in größerer Runde. Außerdem kümmere ich mich um Wirtschaftsförderung, also die Ansiedlung von Unternehmen. Oder ich rede mit Bürgern, wenn es Probleme gibt. Als Landrat bin ich in unserer Behörde schließlich die letzte Instanz. Außerdem halte ich den Kontakt zu den Bürgermeistern im Kreis, zur Landesregierung und den übergeordneten Behörden wie der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion, mit der ich immer mal wieder im Clinch liege. Wir haben verstanden: Die Arbeitsfelder eines Landrats sind offenbar ziemlich vielfältig und umfangreich. Ausgiebiges Aktenstudium gehört da sicher zum Berufsbild. Junker: Auf jeden Fall. Für Neueinsteiger ist es bestimmt eine ganz schöne Herausforderung, sich überall einzuarbeiten. Wer kennt sich da schon von Haus aus aus ...? Junker: Bevor ich Landrat wurde, war ich ja schon jahrelang Ortsbürgermeister von Hütschenhausen und danach hauptamtlich Erster Beigeordneter der Verbandsgemeinde Ramstein-Miesenbach. Das hat mir den Einstieg ungemein erleichtert. Da haben die drei Bewerber, die bisher ihre Kandidatur erklärt haben, ja Glück, dass sie ebenfalls alle drei Bürgermeister einer Gemeinde sind. Junker: Wenn man vorher Ortsbürgermeister war, hilft das enorm. Trotzdem kommt natürlich viel Arbeit auf meinen Nachfolger zu. Wie lang ist denn in der Regel Ihr Arbeitstag? Junker: Morgens um 7 Uhr radele ich von Hütschenhausen los, abends komme ich zwischen 19 und 21 Uhr heim. Dazu kommen noch drei bis vier Wochenendtermine. Wie meine Kollegen vom Kreisvorstand bin ich immer gut unterwegs. Das wird bei meinem Nachfolger nicht anders werden. Das sollte dieser wissen. Das klingt, ehrlich gesagt, nach einem Mörderjob. Junker: Für mich ist es ein Traumjob. In ihrem früheren Beruf als Lehrer hätten Sie aber viel mehr freie Zeit gehabt. Junker: Das schon, aber die Politik hat mir einfach mehr Spaß gemacht. Ich bin in den frühen 1970er Jahren zur Politik gekommen, weil ich nicht nur gegen etwas sein wollte, sondern den Willen hatte, etwas zu bewirken. Als junger CDU-Ortsvereinsvorsitzender bin ich mit „Atomkraft – Nein danke!“-Schild an meinem Kastenwagen durch die Gegend gefahren. Ein Kastenwagen deshalb, weil nur da meine Deutsche Dogge genug Platz hatte. Außerdem hatte ich einen wilden Bart und lange Haare. Sie mit Bart und langen Haaren – kann ich mir gar nicht vorstellen. Aber klingt eher nach Revoluzzer-, denn nach schniekem Junge-Union-Look. Junker: Ja, so war das. Meine Partei hat das aber ganz entspannt ausgehalten. (zuckt mit den Schultern und grinst) Wenn Sie selbst schon in so jungen Jahren in die Politik eingestiegen sind: Was sagen Sie heute jungen Leuten wie Leonie? Wie wollen Sie diese motivieren, selbst aktiv oder zumindest interessiert zu werden? Junker: Ich erkläre anhand konkreter Beispiele, warum das so wichtig ist. (blickt Leonie an) Dass ich nur durch die Teilnahme an Wahlen meine unmittelbare Umgebung, meine Heimat, ein wenig mitgestalten kann: Zum Beispiel ob es in meiner Gemeinde noch eine Kita gibt oder wie gut die Grundschule ausgestattet wird. Ob es einen örtlichen Jugendtreff gibt oder nicht, einen Skatepark oder einen Bürgerbus ... Wir haben in einer Demokratie nicht nur das Recht, über die da oben zu meckern, sondern im Grunde auch die Pflicht, unser Land mitzugestalten, und sei es nur durchs Wählen. Noch besser aber durch aktives Mitmachen. Darum hoffe ich, dass die Leute trotz des Hypes um die Bundestagswahl auch den Landratskandidaten und ihren Themen Aufmerksamkeit schenken und am 24. September an die Urne gehen.

Ein Mann, viele Aufgaben: Landrat Paul Junker als Meilerpate 2011 beim Köhlerfest im Fischbacher Schinnertal.
Ein Mann, viele Aufgaben: Landrat Paul Junker als Meilerpate 2011 beim Köhlerfest im Fischbacher Schinnertal.
Mit seiner Stellvertreterin Gudrun Heß-Schmidt unterwegs in Sachen Integration beim Fest der Nationen in Enkenbach.
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Bei der jährlichen Schlüsselübergabe des Kreises an die Narren, hier 2016 bei den Miesenbacher Vielläppchern mit Janine I..
Bei der jährlichen Schlüsselübergabe des Kreises an die Narren, hier 2016 bei den Miesenbacher Vielläppchern mit Janine I..
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