Kultur Hitlers Propaganda-Museum

Das „Haus der Deutschen Kunst“ auf einer Postkarte aus dem Eröffnungsjahr 1937. Heute heißt das Münchner Museum „Haus der Kunst“
Das »Haus der Deutschen Kunst« auf einer Postkarte aus dem Eröffnungsjahr 1937. Heute heißt das Münchner Museum »Haus der Kunst«.

Schon zwei Tage zuvor war München eine einzige Festmeile. Entlang der Prachtstraßen flatterten zwölf Meter lange Hakenkreuzfahnen, nachts wurden zentrale Baudenkmäler angestrahlt. Und um den Jubel menscheln zu lassen, mussten die Münchner Leuchtbecher ins Fenster stellen, und zwar in sämtlichen Wohnungen, die der drei Kilometer lange Festzug am dritten Tag passierte: Die Eröffnung des „Hauses der Deutschen Kunst“ im Juli vor 80 Jahren war ein gewaltiges Propaganda-Spektakel.

Über 8000 Künstler und Komparsen beteiligten sich am 18. Juli 1937 an der Parade „2000 Jahre deutscher Kultur“, zogen durch die „Hauptstadt der deutschen Kunst“, vom Germanenhelm bis zu den Modellen der Nazi-Bauten. Adolf Hitler sah sich am Ziel, die fatale NS-Kulturpolitik hatte nun ihren Tempel und der gescheiterte Maler eine Bühne für seinen zweifelhaften Kunstgeschmack. Zwei Stunden lang geiferte er in seiner Eröffnungsrede gegen die Moderne und kündigte zugleich einen „unerbittlichen Säuberungskrieg“ an. Der hatte längst begonnen, die Opfer dieser Feldzüge wurden bereits ab 19. Juli wenige hundert Meter weiter in den Arkaden des Hofgartens vorgeführt. Dort, wo heute der Kunstverein und das Theatermuseum untergebracht sind, waren 600 Werke „entarteter Kunst“ eng zusammengepfercht und mit aufhetzenden Beschriftungen versehen. Darunter Arbeiten von Otto Dix, Max Beckmann, Franz Marc, Ludwig Kirchner oder Otto Freundlich. Sie waren mit 17.000 weiteren Werken in einer dreiwöchigen Blitzaktion aus den Museen entfernt worden. Reichskunstkammerpräsident Adolf Ziegler, auch ein ehemals erfolgloser Maler, sprach von „Ausgeburten des Wahnsinns, der Frechheit, des Nichtkönnertums und der Entartung“. Dass der Bildhauer Rudolf Belling in beiden Schauen vertreten war – mit einer abstrahierenden Büste und einem boxenden Max Schmeling –, ist der schlechte Treppenwitz dieses doppelten Irrsinns. Zwei Millionen Besucher drängten sich bis Ende November in die Feme-Schau, die im Anschluss durch Deutschland ging. Es war die mit Abstand „erfolgreichste“ Ausstellung des NS-Staates, dessen offiziell genehme Kunst lange nicht so viele Interessenten anzog. Allerdings wurden auch die „Großen Deutschen Kunstausstellungen“ mit rund 600.000 Besuchern im Jahr überdurchschnittlich frequentiert – die Biennale von Venedig verzeichnete 1934 etwa halb so viele Gäste. Wobei die NS-Organisationen ihre Mitglieder pflichteifrig nach München karrten. Von den Schulklassen ganz zu schweigen. Diese Ausflüge wurden nicht unbedingt als Zwangsveranstaltung wahrgenommen. „Die Schauen boten Ablenkung und Unterhaltung durch eine als leicht verständlich empfundene Kunst“, erklärt Sabine Brantl, die das historische Archiv im heutigen Haus der Kunst leitet. Und in schwierigen Zeiten tauchte man gerne ein in die vermeintlich heile Welt der Stillleben, Landschaften, Bauernidyllen, Tier- oder Aktdarstellungen. Die formale Orientierung am Realismus des 19. Jahrhunderts entsprach den Sehgewohnheiten und hatte so gar nichts Verstörendes. Die aufgepumpten Heroen eines Josef Thorak waren gewissermaßen en vogue, und was dem „Führer“ gefiel, wurde dann auch kräftig geordert. Neben den 4,6 Millionen Reichsmark, die bis 1944 an Eintrittsgeldern zusammen kamen, nahm das Haus 1,9 Millionen Reichsmark durch den Verkauf von Gemälden und Skulpturen ein. Die „Großen Deutschen Kunstausstellungen“ waren also auch ein einträgliches Geschäft. Und davon profitieren nicht nur die von Hitler geschätzten Pinselschwinger wie der als „Reichsschamhaarmaler“ verhöhnte Adolf Ziegler, sondern genauso die „Harmlosen“ wie Raffael Schuster-Woldan, dessen Porträts und Landschaften schwerlich mit den Nazis in Verbindung gebracht werden können. Seine Bilder erzielten zwischen 1938 und 1944 einen Verkaufserlös von 820.000 Reichsmark. Das entsprach dem mehr als 300-fachen eines jährlichen Facharbeitersalärs. Für viele Besucher war der Bau selbst schon eine Attraktion. Und das hatte noch nicht einmal mit nationaler Verblendung zu tun. Im Mai 1937 wurde das „Haus der Deutschen Kunst“ auf der Weltausstellung in Paris präsentiert und von einer internationalen Jury mit dem Grand Prix ausgezeichnet. Kühler Neoklassizismus lag im Trend. Designpioniere wie Le Corbusier, Henry van de Velde oder Alvar Aalto, deren herausragende Stellung unbestritten ist, waren in gewisser Weise Außenseiter. Doch was kam am Entwurf des Schiffsarchitekten Paul Ludwig Troost so besonders an? Das wuchtig Monumentale, die schiere Größe von 175 Metern Länge und 50 Metern Tiefe? Die Reihung von 20 imposanten Kalksteinpfeilern, die bereits in den 1930er Jahren als „Weißwurstallee“ bespöttelt wurde? Das ist schwerlich nachzuvollziehen. Was außen wie die dezidierte Gegenposition zu den luftig leichten Vorstellungen des Bauhaus-Direktors Walter Gropius anmutet, war dafür im Inneren ausgesprochen fortschrittlich. Und damit sind nicht die großflächigen, elf Meter hohen Säle gemeint, die gerade heutigen Ausstellungsmachern entgegenkommen – man denke an die umfangreiche „Postwar“-Schau des derzeitigen Direktors Okwui Enwezor. Das Gebäude besaß die modernste Heizungs- und Klimaanlage, die vor 80 Jahren zu haben war, eine ausgetüftelte Beleuchtung und elektrische Aufzüge. Kaum verwunderlich also, dass sich die US-Amerikaner dort nach Kriegsende schnell einen Offiziersclub samt Restaurant, Tanzsaal und Basketballfeld eingerichtet haben. Das Haus war nahezu unbeschädigt geblieben. Doch jetzt, nach vielen Jahren der Aufarbeitung und einem expliziten Gegenprogramm zur Kunstpolitik der Nazis, ist dieser Tanker so marode geworden, dass er dringend saniert werden muss. Zum Weiterlesen „Geschichte im Konflikt. Das Haus der Kunst und der ideologische Gebrauch von Kunst“, herausgegeben von Sabine Brantl; Sieveking Verlag, München; 312 Seiten; 34,90 Euro

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