Kaiserslautern Große Sigmar-Polke-Schau in Baden-Baden

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Magier, Taschenspieler, Alchemist, Marktschreier, Giftmischer, begabter Zyniker: Für den vor fünf Jahren verstorbenen Maler Sigmar Polke gibt es viele Namen, die er alle nur lächerlich fand. Die Nachwelt hat es besser, ihr bleibt eine unendliche Menge von Möglichkeiten, aus seinem überbordenden Werk eine Ausstellung nach der anderen zu destillieren. Die jüngste findet im Museum Frieder Burda in Baden-Baden statt und hat mit „Alchemie und Arabeske“ einen Titel, der ins Zentrum von Polkes Kunstschaffen führt.

Zehn Jahre ist es jetzt her, dass im Museum Frieder Burda eine aus den Sammlungen Froehlich, Speck und Burda zusammengestellte Polke-Retrospektive zu sehen war. Alle drei Namen finden sich wieder in der auf „Alchimie und Arabeske“ fokussierten Schau, es ist die letzte des künstlerischen Leiters Helmut Friedel, der im Mai nach zwei Jahren „Intendanz“ von dem aus Wolfsburg kommenden Henning Schaper abgelöst wird. Aus dem Münchner Lenbachhaus kommt mit dem Hollywood-Diptychon von 1971 eine prominente Leihgabe, die der Ankaufspolitik des damaligen Direktors Friedel ein glänzendes Zeugnis ausstellt. Das meiste freilich ist nicht näher bezeichneter Privatbesitz und aus dem vom „Estate of Sigmar Polke“ wissenschaftlich betreuten Nachlass des Künstlers, aus dem einige bisher verborgene Perlen den Weg nach Baden-Baden gefunden haben. Gleich am Anfang zum Beispiel die großen Zerrspiegel, in denen sich die Besucher des Hauses mal als ausgelaufenen Pudding, mal gefährlich schlank wiederfinden kann. Auch Polkes Privatkollektion von giftig grün leuchtenden Urangläsern soll noch nie ausgestellt worden sein. Ebenso eine Reihe von Skizzenbüchern, deren gekritzelter, gezeichneter und farbig hingekleckster Inhalt kaum zu entschlüsseln und schon gar nicht mit bestimmten Bildern in Zusammenhang zu bringen ist. Dann unter dem Mikroskop fotografierte Goldnuggets und skurrile Hängeskulpturen, die sich mit echtem Gold ausgegossenen Ritzen im Straßenpflaster verdanken: Ist so viel Jahrmarktsbudenzauber eigentlich erlaubt? Es gehört zu den großen Vorzügen dieser Ausstellung, dass sie ihr Thema ganz locker unter die Leute bringt. Also wenig Chronologie, kein einschüchterndes kunsthistorisches Gefuchtel, sondern die freundliche Einladung, unvoreingenommen den hakenschlagenden Angeboten des Ausnahmekünstlers zu folgen. Ironie ist im Spiel, wenn Polke in seinen „Dürerschleifen“-Bildern die seltsam unlogisch zwischen Darstellung und Schriftband eingefügten Arabesken auf Dürers „Triumphzug Kaiser Maximilians“ einzeln herausnimmt und auf großzügig dimensionierten Leinwänden ins Riesige katapultiert. Liegt es da nicht nahe, sich ornamental ringelnde Ranken von Weinreben zu fotografieren, „Schnörkelgesichter“ zu malen und Galeriewände mit temporären „Langeweileschleifen“ aus Klebeband zu überziehen? Schlauer Maler, dieser Polke. Firm im Umgang mit Rastern, Vorgedrucktem und Vorgestanztem, grausam im Umgang mit der abendländischen Ikonographie, meisterlich im Verwerten von Kunstgeschichte und Liebhaber von unsäglich spießig bedruckten Stoffen, Tierhaaren, Schleimspuren von Schnecken, Rauch, abgebrannten Streichhölzern und anderen Nichtigkeiten. Nur keine Handschrift und bitte nichts Eindeutiges! Polke arbeitet mit enervierend behaupteter Kunstlosigkeit sehr erfolgreich mit nicht ganz ungefährlichen Malmitteln wie Bleimennige, quecksilbrigem Zinnoberrot, Lacken und Silberoxid, die sich als fließende oder wolkige Strukturen über die Bildfläche verteilen und mit gestischen Bewegungen großzügig zermalt werden. Man sieht Risse, Flecke und Schlieren, denkt an Landschaften, unbestimmte Gewitterwolken, assoziiert bedrohliche und weniger bedrohliche Natur. Dabei sind es doch nur chemische Prozesse, die ablaufen, wie sie ablaufen müssen. Aus all dem „ein Werk“ zu machen, das ist schon was. Das muss auch Frieder Burda gespürt haben, seine „Polkes“ sind berühmt. Dass die Freundschaft von Künstler und Sammler mit einem Bruch endete, na ja, wissen müssen wir das eigentlich nicht. Die Ausstellung Museum Frieder Burda, Baden-Baden, bis 21. Mai täglich außer montags 10 bis 18 Uhr; an allen Feiertagen geöffnet.

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