Kultur Filmbiografie "Churchill" konzentriert sich auf Umfeld des "D-Day"

Der Trend, sich in Kinobiografien nur einem kurzen Ausschnitt eines Lebens zu widmen, um ein Schlaglicht auf einen Charakter zu werfen, setzt mich mit dem Film „Churchill“ von Jonathan Teplitzky fort.

Winston Leonard Spencer-Churchill (1874-1965) gehört zweifellos zu den faszinierendsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Von 1940 bis 1945 und von 1951 bis 1955 war er Premierminister Großbritanniens. Dass er das Königreich erfolgreich durch die Schrecken des Zweiten Weltkriegs führen konnte, hat ihm einen Platz in der Geschichte gesichert. Seine literarischen Leistungen sind in der Erinnerung weniger verankert, obwohl er für seine politischen und historischen Schriften 1953 den Literaturnobelpreis erhielt. Die faszinierende Persönlichkeit Churchills, der auf Fotos meist als beleibter älterer Herr mit Zigarre zu sehen ist, hat der österreichische Schriftsteller Michael Köhlmeier in seinem Roman „Zwei Herren am Strand“ facettenreich beleuchtet. Wer nun mit der Erwartung ins Kino geht, eine ähnlich kluge Annäherung geboten zu bekommen, wird enttäuscht. Der australische Regisseur Jonathan Teplitzky („The Railway Man – Die Liebe seines Lebens“) und die britische Drehbuchautorin Alex von Tunzelmann konzentrieren sich auf einen winzigen Ausschnitt aus dem Leben des Staatsmannes: Es geht um die Zeit unmittelbar vor der Landung der Alliierten am 6. Juni 1944 an der französischen Küste des Ärmelkanals, heutzutage oft kurz D-Day genannt, und eines der Ereignisse, das die entscheidende Wende im Kampf gegen Nazi-Deutschland eingeleitet hat. Man weiß, dass sich Churchill, etwa, weil er zu viele Verluste in den eigenen Reihen befürchtete, lange gegen das militärische Vorhaben gewandt hat. Nun könnte es spannend sein, zu erfahren, warum. Doch der Film-Churchill (Brian Cox) gibt keine in die Tiefe gehenden Antworten. Viele der Sentenzen des Mannes klingen wie Kalendersprüche, er selbst wirkt überaus cholerisch, die Klugheit des historischen Vorbilds ist allenfalls zu erahnen. Es stellt sich gelegentlich sogar der Eindruck ein, Churchill solle zur Witzfigur gemacht werden. Immerhin haben der von den Maskenbildnern großartig hergerichtete Hauptdarsteller Brian Cox und Miranda Richardson als Churchills Ehefrau Clementine die Chance, eine auf Intelligenz, Vertrauen, Zuneigung und Toleranz bauende Gemeinschaft zu zeigen. Ihnen gelingen einige Momente inniger Vertrautheit, die nicht ins Sentimentale abgleiten, in denen deutlich wird, wie sehr ein Mensch mit kompliziertem Charakter von seiner unmittelbaren Umwelt abhängt, von der Hilfe der Menschen, die ihm nahe sind. Da bietet der Film erfreulicherweise mehr als einen flüchtigen Blick durchs Schlüsselloch. Interessanterweise wird im Herbst ein zweiter Spielfilm über Leben und Persönlichkeit Churchills in die Kinos kommen, inszeniert von Joe Wright („Abbitte“), mit Gary Oldman und Kristin Scott Thomas als Ehepaar Churchill. „Darkest Hour“ soll der Film heißen. Man darf gespannt sein, ob er mehr zu bieten hat als der jetzt anlaufende oberflächliche Bilderreigen, der wenigstens mit exzellenter Optik punkten kann. Wer wirklich etwas über Winston Churchill als Mensch erfahren möchte, sollte bis dahin zu Michael Köhlmeiers Roman greifen.

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