Kultur 50 Zeilen Pop: Drangsal hilft Casper in die Spur

Wenn ein Popstar ein angekündigtes, bereits fertig eingespieltes Album um ein Jahr verschiebt, lässt das aufhorchen. Künstlerische Krise? Schadensbegrenzung? Ein Gefühl der Sorgfaltspflicht gegenüber Fans? Leisten können sich so eine lange Warteschleife zumindest nur wenige. Ob Casper dazu gehört, wird sich Anfang September zeigen, wenn „Lang lebe der Tod“ endgültig erscheinen soll – stattliche vier Jahre nach dem erfolgreichen Vorgängerwerk „Hinterland“. So mancher Anhänger hat dem Meister der Heiserkeit, der so ziemlich alleine das Genre deutschsprachiger Indiepoprock trifft Hip-Hop besetzt, jedenfalls schon den Rücken gekehrt. Die bereits vergangenen Juni lancierte Single, die dem Album auch den Namen gibt und auf der auch die Südpfälzer Sizarr zu hören sind, hat die ersten verstört: ganz schön negativ drauf, der gute Casper, der bürgerlich Benjamin Griffey heißt und bald auch schon 35 wird. Dann kam der Song „Sirenen“ mit naiver Mädchenstimme, ungemütlich-nervösem Elektrobeat und Goldene-Zitronen- sowie Dizzee-Rascal-Zitat, der arg zusammengeschustert wirkte. Der nun neu erschienene, dritte Albumtrack aber versöhnt viele. Was an einem weiteren Südpfälzer liegt: Max Gruber aus Herxheim – nun als Drangsal in Berlin musizierend – steuert in „Keine Angst“ den Mitsingrefrain bei, in feiner Neo-Wave-Beschwört-Tomte-Manier, melancholisch und weltumarmend zugleich. Im Hintergrund vertont Casper Teenager-Ängste und raunt davon, wie schlecht alles ist. Guter Cop, böser Cop ungefähr. Casper hätte es sich durchaus leichter machen können. Ein Gros der Fans will ja lieber Party als Lebensberatung. Doch offenbar hat Casper genau an dieser Frage getüftelt: Ist es möglich, inhaltlich relevante Musik zu entwerfen, die auch noch richtig gut ist? „Keine Angst“ geht zwar nicht ganz auf, ist aber ein Anfang.

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