Zweibrücken Trotz aller Präzision ist Billy Cobham kein menschliches Metronom

70 Jahre und noch immer eine Urgewalt, ungebändigt durch die langen Jahre im Musikgeschäft, ist er mittlerweile selbst zu einer Legende geworden. Billy Cobham, der Mann, der hinter seinem Drumset verschwindet, eine fortwährende Kette von rhythmischen Explosionen zündet und seine Band zu immer neuen Höhepunkten treibt. Am Freitag war er beim Jazzfestival in St. Ingbert zu hören.

Der Mann, der nur Augenblicke später so zurückhaltend, fast ein wenig verlegen, am Mikrofon steht, um seine Band vorzustellen, den Applaus des Publikums mit einem sanften Lächeln auf den Lippen entgegennimmt und die Zuschauer bittet, sich selbst zu applaudieren, weil sie doch ein Festival wie das in St. Ingbert erst möglich machen. Die Musikszene der letzten 50 Jahre wäre ohne ihn um vieles ärmer. Generationen von Schlagzeugern war er ein Vorbild, Fusion und Jazzrock wurden von ihm stärker geprägt, als von so manchem einst hoch gehandelten und heute fast vergessenen Frontmann. Und trotz all dem Erreichten bleibt er bei allen Extremen seiner Spielweise immer der absolut verlässliche Partner seiner Musiker. Ein Beleg dafür ist die neue CD. „Tales from the Skeleton Coast“ vereint seine musikalischen Erfahrungen mit einem ewig jungem Jazzrock zu einer Scheibe, die kaum noch zu toppen ist. Natürlich darf bei einem Drummer seiner Qualität ein Solo nicht ausbleiben, und dass dabei seine Band die Bühne verlässt, gehört mit zur Inszenierung, zwingt die Aufmerksamkeit des Publikums auf den Musiker, der immer da sein muss, von dessen Zuverlässigkeit so viel abhängt wie von keinem anderen. Denn auf ihm baut alles auf, die gesamte Rhythmik ist von ihm genauso abhängig wie der Solist, der darauf angewiesen ist, dass der Schlagzeuger seine Arbeit nicht niederknüppelt, sondern durch die passenden Akzente unterstützt. Oft wirken solche ausufernden Soli aufgesetzt und deplatziert, bei Cobham ist es ein Muss, denn sein Spiel – so sehr geprägt von Verve und Virtuosität – ist mehr, als nur die Geschwindigkeit eines Stückes zu bestimmen, ist mehr als den Takt zu halten. Cobham ist kein menschliches Metronom, er ist das lebendige, das eigenständige Rückgrat einer jeden Band, mit der er zusammenspielt. Seine Band ist pures Adrenalin. Die vier Mitmusiker bilden eine Einheit, die mitreißt und einen Jazzrock spielt, der nicht nach den guten, alten 80er Jahren klingt, als Jazzrock und Fusion oft schmerzhaft steril und konstruiert waren. Diese Band ist so kraftvoll und lebendig wie Cobham selbst. Während des anderthalbstündigen Konzerts gab es keinen Moment der Zurückhaltung. Dynamisch, kraftvoll: die Gitarrenarbeit von Jean-Marie Ecay. Seine ansatzlosen Wechsel zwischen Jazz- und Rockgitarre waren im Rhythmusspiel genauso faszinierend wie in seiner Soloarbeit. Die vor Energie und Spielfreude überbordende Keyboarderin Camelia Ben Naceur hatte in Keyboarder und Geiger Christophe Cravero den idealen Gegenpart, vom rollenden Jazzpiano über getragene Akkorde bis hin zum explosiven Solo, beide Akteure ließen nichts aus, was man auf Keyboards und E-Piano spielen kann. Und Michael Mondesir, der erst mit der Zugabe seine Solofähigkeiten unter Beweis stellte, war am Bass die perfekte Ergänzung zu Billy Cobham, füllte auf und führte weiter, was selbst der beste Drummer nur anstoßen kann. Mal eher zurückhaltend, fast abwartend, dann hochkomplex und treibend, entwarf er einen Klangteppich, der sich weder in den Vordergrund spielte noch verzichtbar gewesen wäre. Der Freitag war der bisherige Höhepunkt des Festivals. Denn bei allem Können, bei allem Ausgefeilten in der Spieltechnik, der Genauigkeit bei Solo- und Rhythmusspiel, gelang es Billy Cobhams Band, etwas zu vermitteln, das gute Musik immer von sehr guter Musik unterscheidet: die Freude am Spiel.

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