Zweibrücken Technisch perfekt und mit viel Esprit

Das Mike-Reinhardt-Quartett musste bei seinem Auftritt im Wintergarten der Zweibrücker Festhalle kurzfristig umplanen: Weil Gita
Das Mike-Reinhardt-Quartett musste bei seinem Auftritt im Wintergarten der Zweibrücker Festhalle kurzfristig umplanen: Weil Gitarrist Lulo Reinhardt krankheitsbedingt ausfiel, sprang Drummer Volker Sohny ein.

Gipsy Swing … Nun ja, das stimmte ja nicht so ganz. Und dann auch noch ein erkrankter Lulo Reinhardt, dessen Gitarrenspiel durch den Schlagzeuger Volker Sohny ersetzt wurde. Was bei den meisten Bands zum Super-GAU geführt hätte, war für das Mike-Reinhardt-Quartett nicht einmal ein Stolperstein.

Zwar wurde das ursprüngliche Set etwas durcheinander gewirbelt, da der neu hinzugekommene Drummer die geplanten Stücke und Arrangements nicht kannte, aber im ausverkauften Wintergarten der Festhalle Zweibrücken störte das bereits nach kurzer Zeit niemanden mehr. Vielleicht wunderte sich noch der eine oder andere, dass es so wenig Gipsy Swing zu hören gab, die Musik Django Reinhardts war mit wenigen Stücken wie „Joseph, Joseph“ deutlich geringer repräsentiert, als das viele erwartet hatten. Aber in Anbetracht der Perfektion der gebotenen Musik und der Intensität der Stücke fiel es auch den Puristen leicht, über dieses scheinbare Manko hinwegzusehen. Das Mike-Reinhardt-Quartett ist eigentlich ein reines Familienunternehmen, das aus den Brüdern Mike (Gitarre) und Sasha (Bass), deren Cousin Lulo (Gitarre) und Sashas Sohn Jermaine (Gitarre) besteht. Lulo Reinhardt fiel krankheitsbedingt aus. Und statt nun den Versuch zu machen, sein virtuoses Gitarrenspiel durch einen anderen Gitarristen ersetzen zu wollen, griff man lieber zum Schlagzeuger Volker Sohny, dem es im Laufe des Abends immer besser gelang, sich in die unbekannten Arrangements und Stücke einzufinden und seine Qualitäten zu beweisen, etwa bei seinem Solo im furiosen Gitarrenfeuerwerk „Friday Night in San Francisco“. Bassist Sasha Reinhardt war nicht nur der Conférencier des Abends, sondern mit seiner Beständigkeit am Instrument auch das Rückgrat der Musik, der Boden, auf dem die Gitarristen, Mike Reinhardt und sein Neffe Jermaine Reinhardt, ihr Spiel vorantrieben. Das taten sie: Natürlich stand bei ihrem Spiel die technische Beherrschung des Instruments im Mittelpunkt, und die Grenzen dessen, was man an deutlich hör- und unterscheidbaren Tönen in einen Takt packen kann, wurden immer weiter gesteckt. Die Fähigkeit, Läufe in einer solch unglaublichen Geschwindigkeit klar spielen zu können, nötigt einfach Bewunderung ab und führte immer wieder zu stürmischen Beifallsbekundungen. Das Reizvollste war aber nicht der rein technische Aspekt – so beeindruckend dieser sich auch darstellte. Sowohl Mike Reinhardt, als auch sein 20-jähriger Neffe sind über dieses Stadium musikalischen Machismo ebenso hinweg wie über klassische Genregrenzen. Denn selbst das Zelebrieren des großen Django Reinhardt ist nicht mehr das Zentrum ihrer Musik. Die Verneigung vor dem Schöpfer des Sinti Swing ist zwar ein Muss, eine Ehrensache für sie, aber sich allein darauf zu beschränken oder sich eben auf ihre grenzenlosen technischen Fähigkeiten und die von Geschwindigkeit besessenen Kabinettstückchen zu verlassen, würde bedeuten, ihre eigene Musikalität einzuschränken. Mike Reinhardt begann schon in den 90er Jahren, sich anderen Einflüssen zu öffnen, und wandte sich den Techniken der spanischen Gitarre zu. Und auch Jermaine Reinhardts Erfahrungen mit Latin Music zeigen ihre Wirkung und beeinflussten die Musik. Und so befeuerten gerade diese Einflüsse das Konzert im Wintergarten der Zweibrücker Festhalle stärker als der klassische Gipsy-Swing. Abseits der engen Grenzen des Genres Jazz Manouche entstand dadurch eine Mischung aus den besten Elementen moderner akustischer Gitarrenmusik, technisch immer perfekt, aber auch voller Emotionen, Esprit, Witz und Charme. Nach fast drei Stunden Konzert erwartete die Musiker die schwerste Pflicht des Abends: Nach der harten Arbeit an ihren Instrumenten stellten sie sich dem tosenden Applaus und den stehenden Ovationen eines Publikums, dass sich die ganze Zeit über von diesem musikalischen Feuerwerk hatte mitreißen lassen. Eine sehr, sehr harte Aufgabe, die die Musiker jedoch mit durchaus zufriedenen Gesichtern ebenso meisterhaft erfüllten, wie sie den ganzen Abend über gespielt hatten.

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