Zweibrücken Licht fällt durch drei Stockwerke

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Erbaut hat sie ein Arzt, später war ein Fabrikant der Eigentümer und danach ein Justizrat. Ursprünglich beherbergte die Villa wohl auch Behandlungsräume im Erdgeschoss, später eine Zahnarztpraxis. Und im Keller des Anbaus gab es einen Stall mit Anbindehaken. Soviel hat Alfred Gebhardt über den gelben Backsteinbau in der Bismarckstraße/ Ecke Uhlandstraße herausgefunden. Heute gehört das 1881 im Neurenaissance-Stil errichtete Gebäude dem Elektroingenieur aus Ingolstadt.

Im Laufe von 25 Jahren hat er die Immobilie mit dem charakteristischen Turm Stück für Stück instandgesetzt – und dabei sogar 23 Fensterflügel selbst hergestellt. „Ich konnte das vorher nicht“, räumt Gebhardt ein. Aber Fensterbau oder Stucksanierung seien ein Ausgleich für die berufliche Kopfarbeit. Spaß macht es dem 64-Jährigen allemal, auch anspruchsvolle Gewerke selbst auszuführen. Abends, nach Feierabend, in der Keller-Werkstatt, genauer gesagt: in den Keller-Werkstätten. Denn Bandsäge, Dickenhobel und Fräsen machen nur einen Teil seiner Gerätschaften aus. Nebenan, in der ehemaligen Waschküche, sind Schieferplatten gestapelt, zudem Werkzeug für deren Zuschnitt und Bearbeitung. „Die Turmspitze hab’ ich selbst eingedeckt“, sagt Gebhardt und zieht ein älteres Foto aus einem Umschlag. Darauf ist ein abenteuerliches Provisorium zu sehen: der Zustand der Haube, als er das Haus übernahm. Ein Dachdecker gratulierte ihm später zu seinem Erfolg. Gute 350 Quadratmeter umfasst die Wohnfläche der von Ferdinand und Elisabeth Hessert erbauten Villa. Im Erdgeschoss sind die Räume 3,60 Meter hoch; in die zentral gelegene Halle fällt das Licht über drei Stockwerke von einem Lichtschacht im Dach. Unten trifft es auf ein Terrazzo mit kunstvollen Einlegearbeiten. Zweiflügelige Türen, filigrane Verzierungen an den Griffen, ein bunt verglastes Oberlicht über dem Eingang zur Halle und gusseiserne Heizkörper: viele Details blieben erhalten. Sogar der ursprüngliche Sicherungskasten vor dem Hauswirtschaftsraum, der allerdings keinen Strom mehr führt. Darunter gibt es ein aufklappbares Brett, das ein Fenster zum Windfang als Empfangsschalter erscheinen lässt. „Herr Hessert war offenbar Arzt, und vermutlich meldeten sich die Patienten hier an“, mutmaßt Alfred Gebhardt. Zu seiner These passen Heilpflanzen im Garten, die nach Aufräumaktionen neu auskeimten. Er habe sich immer schon für alte Gebäude interessiert, erzählt Gebhardt. Die Villa, die vom Fabrikanten Emil Althoff und später vom Justizrat Fritz Rauh übernommen wurde und danach noch mehrmals den Besitzer wechselte, hat ihn bei der Besichtigung spontan überzeugt. Auch wenn sie großen Renovierungsbedarf aufwies. „Aber wenn ich etwas will, wird es durchgezogen“, versichert der heutige Eigentümer. Was er im Gegenzug erhielt, beschreibt er als Freiheit. Großzügig geschnittene Räume, reich ausgebildete Stuckdecken, kunstvoll gestaltete Sandsteinfiguren außen und sogar einen Tabernakel mit Storch- und Eichbaum-Wappen: „Das sind jetzt 25 Jahre für mich schönes Wohnen“, resümiert Gebhardt – um gleich wieder den Techniker durchkommen zu lassen. „Wie man seinerzeit die Wendeltreppe im Turm gebogen hat, verstehe ich bis heute nicht. Massives Holz, perfekt eingepasst. Das ist einfach ein Meisterwerk“, wirft er ein. Vermutlich verband die Treppe den Keller und die darin befindliche Küche mit Kammern von Hausangestellten im oberen Stockwerk. Weitaus weniger kunstvoll erscheint ein 1911 errichteter Anbau, in dessen Keller auch ein Stall Platz fand. Ein Nachbar habe ihr erzählt, dass damals aus Prestigegründen ein Pferd hermusste, berichtet Gebhardts Lebensgefährtin Marianne Staab. „Wie heute, wenn einer ein großes Auto kauft und der Nachbar nachzieht.“ Info Weitere Informationen und Anekdoten zu Zweibrücker Villen und deren Erbauern liefert – neben der RHEINPFALZ-Reihe – die Zweibrücker Villen-Rundfahrt des Kultur- und Verkehrsamtes, geleitet von Stadtführerin Monika Link. Nächster Termin ist im Frühjahr.

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