Zweibrücken Harmonie und Härte

Einst zählte Anthrax zu den Ersten der Heavyrocker-Zunft, die die typische Kluft aus schwarzem Leder und Nieten gegen Bermudashorts und Surf-T-Shirts eintauschten. Kurze Hosen waren am Sonntag auch in der subtropisch heißen Saarbrücker Garage eine gute Wahl – zumindest fürs Publikum. Die Band auf der Bühne trotzte der Hitze: Dabei ist das Quintett nun wieder der dunkleren Garderobe zugetan.

Und laut war’s. Sehr laut. Saulaut. Die Bass- und Schlagzeug-Gewitter, die da auf die Zuhörer einballerten, wären wohl auch in der viel größeren Saarlandhalle bestens vernehmbar gewesen. Die dargebotene Verstärkerkraft hätte durchaus mehr Raum vertragen können als den, der in der Garage zur Verfügung stand. Apropos Garage: Wie kann es sein, dass die 2018er-Konzertkarten für Metallica 45 Minuten nach Vorverkaufsstart vergriffen sind, während Anthrax in der mit 500 Gästen nur halb vollen Musikhalle auftreten muss? Immerhin zählt die Band aus New York zu den Big Four der weltweiten Thrash-Metal-Szene - in einer Reihe mit den Giganten Slayer, Megadeth und eben Metallica. Doch während letztgenannte Combo längst einsam durch eigene marketingtechnische Galaxien kreuzt, sind sich die Kollegen von Anthrax auch 35 Jahre nach Gründung noch immer nicht für die Ochsentour durch kleinere Clubs zu schade. Wie für andere Thrasher auch, zählen für Anthrax die charakteristischen Schlagzeug-Doublebass-Kanonaden zusammen mit abgehackt abgefeuerten Gitarrenriffs seit jeher zum Handwerkszeug. Was diese Band aber so unverwechselbar macht, ist die einzigartige Verbindung des hammerharten Musikstils mit dem melodiösen Gesang von Frontmann Joey Belladonna, der dem Anthrax-Sound seinen Stempel aufdrückt. Mit dem lange verbannten Belladonna ist die klassische Besetzung der Gruppe aus der Zeit der Referenz-Alben „Spreading the Disease“ (1985) und „Among the Living“ (1987) heute wieder fast komplett – mit Ausnahme des früheren Leadgitarristen Dan Spitz, den der Bandleader und musikalische Kopf Scott Ian vor einiger Zeit aus der Personalliste gekegelt hat. Und so lässt die Darbietung der fünf Amis eigentlich kaum Wünsche offen: Klassische Anthrax-Hits wie „Indians“, „Caught in a Mosh“, „Medusa“ und natürlich „Madhouse“ fehlen ebenso wenig wie „Antisocial“, jene herrliche Coverversion des größten Single-Erfolgs der französischen Rockband Trust. 1988 gab der weltweite Widerhall dieser gelungenen Neu-Interpretation den Ausschlag zur Trust-Wiedervereinigung. Gerne bettet die Gruppe Anthrax ihre Konzerte in zwei Musikstücke aus der Konserve ein: Bildet der Blues-Brothers-Evergreen „I Can`t Turn You Loose“ das soulige Intro, ehe sich mit „Among the Living“ der knüppelharte Thrash-Metal-Sturm Bahn bricht, gibt zwei Stunden später ein Band mit der Rainbow-Hymne „Long Live Rock’n’Roll“ den Rausschmeißer. Um Anthrax auch an diesem heißen Sonntagabend mal wieder den Zugabenteil zu ersparen. Und hier darf dann doch Kritik geäußert werden: Dass eine Band gegen Ende des Konzerts kurz die Bühne verlässt, um die Fans wenig später mit zwei oder drei Extra-Songs nach Hause zu schicken, ist seit Jahrzehnten Brauch - überall auf der Welt. Das sollte eigentlich auch Scott Ian und seinen Mannen bekannt sein.

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