Zweibrücken Dicke Kinder, mageres Publikum

Er rockt gern, kann aber auch einfühlsam interpretieren: Chris Becker (rechts), Sänger der Dicken Kinder, hier mit Guiseppe Scia
Er rockt gern, kann aber auch einfühlsam interpretieren: Chris Becker (rechts), Sänger der Dicken Kinder, hier mit Guiseppe Sciandrone.

Da bereitet der SC Winterbach-Niederhausen ein tolles Festgelände vor − mit einer großen Bühne für die Coverband Die Dicken Kinder. Für eine Erstveranstaltung gibt es da einen satten Klang und eine tolle Lichtshow. Da macht ein Debütant in Sachen Open-Air-Musik alles richtig und dann kommen, zumindest zum ersten Set des Konzerts, knapp 250 Leute. Später sollen es 500 gewesen sein, immerhin.

Als die Dicken Kinder um 21.15 Uhr mit ihrem Konzert beginnen, verteilt sich das zahlende Publikum etwas verloren auf der zugegebenermaßen zu großzügig gehaltenen Veranstaltungsfläche. Rund 50 Meter trennen die Band, die in Maximalbesetzung nach Winterbach gekommen ist, von der vordersten Zuschauerreihe. Warum eigentlich dieser große Abstand? Hat man etwa Angst vor schlechten Schulnoten? Seit 2005 hat sich die Landauer Band Die Dicken Kinder einen Ruf erarbeitet, der ihr eine eindrucksvolle Referenzliste verschafft hat. Man durfte schon auf Festen von Firmen mit Weltruf musizieren. Oder bei Auftritten Musiker wie Bobby Kimball, Ex-Sänger von Toto, Gregor Meyle, Das Bo, Udo Lindenberg oder Cassandra Steen unterstützen. Und dann schafft es der letzte verbliebene Winterbacher Verein, diese tolle Truppe in den tiefen und an diesem Sommerabend herrlich kühlen Wald zu holen. Es danken ihm nicht wirklich viele Leute dafür. Schade, wird doch immer gejammert, dass in und um Zweibrücken nichts los sei. Den Dicken Kindern auf der Bühne ist das wurscht. Sie geben von Anfang an Gas und schaffen dabei den Spagat zwischen Humor und Ernsthaftigkeit. Auch den zwischen Tributeband und dem Einfügen eigener Einflüsse in das vorhandene Musikmaterial. Klasse, wie der dreistimmige Bläsersatz in „Jesus He Knows Me“ von Genesis eine Prise Ska einstreut. Toll, wie „The Boys Of Summer“ von Don Henley aus den Instrumenten fließt. Damit wird auch der Abstand des zuvor noch etwas zu ängstlichen Publikums zur Bühne auf ein halbwegs erträgliches Maß verringert. Die Stimmung steigt. Chris Becker, einer der drei anwesenden Sänger, ist zudem ein Tier, wobei das hier bitte im positivsten Sinne für gute Bühnenunterhaltung zu verstehen ist. Erst singt er „Summer In The City“ von Lovin’ Spoonful, aber in der Version des unvergesslichen Joe Cocker. Dann folgt „The Letter“, das Cocker ebenfalls von anderen Interpreten geklaut hat; diesmal von The Box Tops. Becker zeigt sogar die typischen Bewegungen des einst schwer drogensüchtigen Sängers. Cocker bewegte sich beim Singen nahezu spastisch, ständig verkrampft die Oberarme nach oben ziehend. Becker ahmt das sanft und liebevoll nach. Ohne sich auch nur eine Sekunde über den großartigen Verstorbenen lustig zu machen. Schön. Weniger vorsichtig muss er zum Glück mit Herbert Grönemeyer umgehen. Der lebt noch und war einst bekannt dafür, zu Beginn seiner Karriere auf der Bühne eher unverständlich zu knödeln denn zu singen. Herrlich, wie Becker „Männer“ verulkt und mit seiner Band die Titel „Kinder an die Macht“ und „Alkohol“ mit einem Schuss „Zeit, dass sich was dreht“ hinterherwirft. Becker, der auch für spaßige Einlagen zur Verfügung steht, stellt seine Co-Sänger Robin Carpe und Sascha Kleinophorst damit durchaus ein wenig in den Schatten. Dabei haben die beiden auch etwas zu bieten, beispielsweise Carpe bei „Kiss“ von Prince & The Revolution. Damit werden die elf auf der Bühne stehenden Dicken Kinder dem viel zu früh verstorbenen Musiker aus Minneapolis absolut gerecht. Sie präsentieren Soul und Funk vom Feinsten. Sogar Chris Becker wird ernst, als er Bruce Springsteens oft missverstandenen Song „Born in the U.S.A“ ankündigt. Schon bei der Veröffentlichung wurde der Titel als Hymne auf Amerika missverstanden und von der Politik für deren Ziele missbraucht. Dabei prangerte Springsteen das Verhalten der Vereinigten Staaten gegenüber Vietnamveteranen an. Becker stellt einiges richtig, weil es wegen Donald Trump derzeit auch nötig ist. Dann folgen die Dicken Kinder den Spuren von Springsteens E-Street-Band, was ihnen abermals gelingt.

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