Speyer Traurige Geschichten aus dem Geschäftsleben

Handel mit Gebrauchtwagen: kann reich machen, aber auch finanzielle Probleme bescheren.
Handel mit Gebrauchtwagen: kann reich machen, aber auch finanzielle Probleme bescheren.

Wie geht die Speyerer Stadtverwaltung mit gescheiterten Geschäftsleuten um? Zwei davon baten in dieser Woche in einer Sitzung des Stadtrechtsausschusses um Gnade. Einer will eine Reisegewerbekarte, um wieder Geld verdienen zu können, einer will die von ihm geforderte Gewerbesteuer-Abschlagzahlung nicht leisten. Beides schwierige, nahezu tragische Fälle – mit begrenzten Möglichkeiten, auf die Männer zuzugehen, wie Verwaltungsleiterin Sabine Dittus als Ausschussvorsitzende bedauerte. Wer außerhalb seines Firmensitzes Waren verkauft, braucht in viel Fällen eine Reisegewerbekarte. Im Fall des 57-jährigen Speyerers, der seine letzte berufliche Chance als Flohmarkthändler sieht, wäre es so. Die städtische Ordnungsbehörde versagt ihm das Dokument allerdings: Ihm fehle die „persönliche Zuverlässigkeit“, die eine Voraussetzung dafür sei. Die Entscheidung über den Widerspruch des Mannes gegen die Ablehnung wurde nach kurzer Beratung vertagt. „Ich würde Ihnen ja total gerne helfen, aber ich sehe nicht wie“, sagt Dittus, als der Mann und seine Anwältin Katja Kosian die vertrackte Situation geschildert haben. „Da beißt sich die Katze in den Schwanz“, stimmt sie ihnen zu. Das Dilemma: In seinem erlernten Handwerksberuf kann er wegen Rücken- und Knieproblemen keinesfalls mehr arbeiten, als Autohändler ist er gescheitert und auf einem Berg Schulden sitzen geblieben. Als Hartz-IV-Empfänger kann er sie nicht abtragen. Regelmäßige Verkäufe zum Teil geschenkter Gebrauchtwaren auf Flohmärkten könnten Abhilfe schaffen, so sein Kalkül. Allein: Er darf nach Entscheidung der Stadt nicht. „Ich bin 57, ich habe noch acht Jahre, dann falle ich von Hartz IV direkt in die Sozialrente“, sagt der Mann in der Sitzung mit brummiger Stimme. Anwältin Kosian verweist darauf, dass er sich seit zehn Jahren nichts zu Schulden habe kommen lassen und dass ihn zuletzt auch die Führerschein- und Waffenbehörde als charakterlich zuverlässig eingestuft hätten. Bei Wolfgang Schimmele zählen andere Kriterien. Dem Chef der Ordnungsbehörde ist „keine positive Zukunftsprognose“ für den Mann möglich. Auch das Finanzamt sei skeptisch: Er habe seine Verpflichtungen – zusammen rund 25.000 Euro – in all den Jahren um keinen Cent verringert. Seine „Spur der Verschuldung“ führe allein bei der Stadt über Vergnügungssteuer, Kfz- und Sondernutzungsgebühren. Auch eine Rechnung des Rechtsausschusses sei offen. Der Mann, der vom Trödel träumt, habe einen vollstreckungsfähigen Titel gegenüber einem Rechtsanwalt, so Kosian. 21.000 Euro aus einem Schadenersatz-Prozess, das würde nahezu reichen. Leider sei der Schuldner gestorben. Offenbar mittellos. Dennoch eröffnet das dem Speyerer noch eine Chance: Er soll laut Dittus auf Basis des Titels jetzt mit dem Finanzamt verhandeln. Ob die Behörde damit etwas anfangen oder ob es zur Vereinbarung über eine Ratenzahlung kommen könnte. Wenn nicht, bliebe es wohl beim Nein der Stadt zur Gewerbekarte. Vertagt bis in den Herbst. Anderer Fall, ähnliches Grundproblem. Ein 56-jähriger Speyerer hat sich als Selbstständiger in eine schwierige Lage manövriert. Er sitzt eine halbe Stunde später im Rechtsausschuss, kann eine Forderung von knapp 5000 Euro Gewerbesteuer nicht bezahlen. „Extrem zu hoch“ sei diese Summe, betont er in einem entschuldigenden Wortschwall. Gleich mehrfach erklärt er seine missliche Lage: Er habe die Firma, die Möbel aus dem europäischen Ausland importieren und weiterverkaufen sollte, 2013 gegründet und vor lauter Aufbauarbeit sich nicht um die steuerlichen Meldepflichten kümmern können. Er habe sich dabei auf einen Rechtsanwalt verlassen, der aber leider „nichts getan“ habe. Das Amt musste Einnahmen schätzen – und heraus kam die Gewerbesteuerforderung für 2013 und 2014. 2013 habe er noch gar nichts verdient, 2014 nicht viel, hält der Mann entgegen. Auch er erwähnt weitere unglückliche Umstände: Einen neuen Rechtsbeistand in der Region habe er nicht gefunden („Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“), ein späterer Helfer sei sterbenskrank geworden, ein dritter habe ihn geneppt. Jetzt hoffe er auf eine bessere Kanzlei in Heidelberg, der er „morgen“ die Unterlagen übergeben wollte. Dann gibt der Mann Einblick in sein Seelenleben: Er habe sich zum privaten Überleben Geld leihen müssen, viel erlebt, viel Ablehnung erfahren, „fix und foxi deprimiert“ medizinische Behandlung gebraucht. Jetzt habe er einen Job, wolle alles „in die Reihe“ bringen. Die Gewerbesteuerforderung mache ihn aber „wieder kaputt für die Zukunft“. Bis 30. September bekam er von Dittus Zeit, um sauber nachzuweisen, dass er weniger als geschätzt verdient hat. Sonst bliebe die Zahlungspflicht wohl stehen.

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