Speyer Schatzkästlein der Vergessenen

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Mit Heinrich Kaminski als Themenschwerpunkt rücken die Internationalen Musiktage „Dom zu Speyer“ einen in der Nazizeit stigmatisierten Komponisten in den Fokus, dessen eindrucksvolles Werk nach seinem Tod, 1946, im Taumel des Absolutheitsanspruchs atonaler und elektronischer Musik nahezu unterging.

Ein ambitioniertes Projekt führte am Samstag – Pfalz übergreifend – vier prächtig präparierte Chor-Ensembles, eine hochklassige Solisten-Riege und die inspiriert aufspielende Deutsche Kammerphilharmonie Neuss zusammen. Unter der beredten Stabführung von Fred Buttkewitz gelang ein musikalisch ertragreicher und überaus bewegender Abend. Es war eine Art Gesprächskonzert. Im Zentrum der musikalischen Darbietungen gewährte Christian Schwarz-Schilling, Sohn des Komponisten Reinhard Schwarz-Schilling und ehemaliger Bundesminister, Einblick vor allem in die Beschwernisse künstlerischer Arbeit unter dem Diktat der Nationalsozialisten. Persönliche Kindheitserinnerungen, nicht zuletzt die Briefwechsel der Komponisten, gaben nachhaltig Zeugnis vom Alltag zwischen Gestapo-Verhör, unbeirrbaren künstlerischen Schaffenswillen und Treue zu den christlich ethischen Grundwerten. Eine Komposition von Reinhard Schwarz-Schilling, die 1958 komponierte Kantate „Laetare“ für sechsstimmigen Chor, Streicher und zwei Trompeten, eröffnete dann auch den Programm-Reigen. Im zweiten Teil des Abends durfte man zunächst einem Stück tiefinnerlicher Kammermusik des jungen Kaminskis, der „Canzona“ für Violine und Orgel in der makellos schönen Interpretation durch Stanko Madic und Simon Reichert, lauschen. Dem berauschend opulenten „Magnificat“ für Solisten, Chor und große Orchesterbesetzung – Höhepunkt des Abends – hatte man sinnführend Johann Sebastian Bachs Orgel-Fuge BWV 733 und das „Deutsche Magnificat“, vorgetragen von einer Schola-Auswahl der Männerstimmen, vorangestellt. So hatte man die Hörenden auf den in allen Werken präsenten „Tonus Peregrinus“ eingestellt. Die vom Ideengeber des Themenschwerpunkts, Ulrich Loschky, eigens ins Leben gerufene Kaminski-Chorgemeinschaft – Mozartchor Speyer (Leitung: Dieter Hauß), Vokalensemble Kaiserslautern (Siegward Pfalzgraf), Vokalensemble Neustadt (Ulrich Loschky) und Mitglieder der Stiftskantorei Neustadt (Simon Reichert) – bewegte sich in der komplexen Satzarchitektur des „Magnificat“ absolut trittsicher. Sie agierte zupackend, klangpräsent, dynamisch wendig und – soweit in der halligen Domakustik möglich – auch mit Kontur. Cornelia Ptasseks voluminös auftrumpfender, gleichwohl berückend glockiger Sopran krönte das Werk wie ein strahlendes Fanal. Last, not least die Deutsche Kammerphilharmonie Neuss, dazu die großartigen Solisten Danka Nikolic, Viola, Claudia Buder, Akkordeon, und Simon Reichert, Orgel: Unter der pointierten Stabführung von Buttkewitz wurde rundweg formgebend und brillant musiziert. Verdient großer Beifall.

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